Exposed: Manu Gruber

Sonja Neuschwander – aus der Bildredaktionsklasse 2023/2024 der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) – spricht mit der Fotografin und OKS-Studentin Manu Gruber über ihre Arbeit „Klabautermann„.

Wie kam die Idee zur Serie? Was steht an Mythologie dahinter? 

Die Idee zur Serie entstand aus der Semesteraufgabe in der Fachklasse bei Tobias Kruse zum Thema „Wesen“. Meine frühe Kindheit habe ich in Bremen verbracht, einer Stadt, die über mehrere Jahrhunderte hinweg stark von der Schifffahrt geprägt wurde. Seitdem ist die Figur des Klabautermanns in meinem Bewusstsein verankert.

Der Klabautermann ist eine Figur aus dem seemännischen Aberglauben. Der Erzählung nach handelt es sich bei ihm um einen rothaarigen Kobold, der sich vorwiegend im Laderaum des Schiffes aufhält. Dort staut er die Ladung nach, poltert an die Schiffswände und macht so den Schiffszimmermann auf schadhafte Stellen aufmerksam. Sein Name leitet sich vermutlich vom niederdeutschen „klabastern“ ab, was so viel wie „poltern“ oder „lärmend umhergehen“ bedeutet. Gerade das richtige Verstauen der Ladung ist für Schiffe von großer Bedeutung, da ein Verrutschen der Fracht bei Sturm Schlagseite und im schlimmsten Fall sogar das Kentern bedeuten kann.

Obwohl der Klabautermann also eigentlich ein guter Geist ist, war es unter den Seeleuten gefürchtet, ihn an Deck zu sehen, da sein Erscheinen mit drohendem Unheil, wie dem Untergang des Schiffes, in Verbindung gebracht wurde. 

Welches ist für dich ein Schlüsselbild und warum? 

Die Serie ist noch nicht abgeschlossen, aber im Moment ist eines der Schlüsselbilder für mich die rothaarige Rückenfigur, die am Ufer steht und auf den Horizont blickt. In der Arbeit geht es mir zwar vordergründig um den seemännischen Aberglauben, aber auch um den Versuch und die Faszination des Menschen, die Meere zu erkunden. Die Seefahrt war gerade in ihren Anfängen immer auch mit den Unberechenbarkeiten der Natur verbunden. Wir empfinden oft eine diffuse Bedrohung, wenn wir uns auf dem Wasser befinden, weil wir um diese Urgewalt und die möglichen Folgen wissen. Gleichzeitig ist das Meer für viele Menschen, mich selbst eingeschlossen, ein Sehnsuchtsort. Die Rückenfigur fungiert für mich im Kontext der Serie als ein Moment der Ungewissheit und des Wartens, sie steht stellvertretend für die offene Frage, ob und wann ein Schiff in seinen Heimathafen zurückkehren wird. 

Was möchtest du zu dieser Arbeit noch erzählen? 

Ich möchte die Arbeit an der Serie gerne so bald wie möglich fortsetzen. Da sie sich noch in einem relativ frühen Stadium befindet, kann sich die Geschichte, die ich ausgehend vom Klabautermann erzähle, noch in verschiedene Richtungen entwickeln. Das Meer wurde in der Kunst und der Literatur schon oft als Symbol für innere Stimmungsbilder verwendet. Und auch der in sich geschlossene Kosmos eines Schiffes und seiner Besatzung interessieren mich fotografisch. Im Moment recherchiere ich, welche Möglichkeiten es für mich als Fotografin gibt, auf einem Großsegler mitzureisen. 

Was hat dich zur Fotografie gebracht? 

In meiner Jugend habe ich viel analog fotografiert. Das war in den späten Neunzigern und Nullerjahren aber gar nicht so ungewöhnlich, denn Handys mit halbwegs guten Kameras kamen erst viel später auf den Markt. Wer Erinnerungen in Form von Bildern festhalten wollte, musste analog fotografieren. Viele meiner Freund*innen hatten eine Point-and-Shoot und von da war der Schritt zur Spiegelreflexkamera nicht weit. Bevor ich an die Ostkreuzschule kam, habe ich zunächst Kunstgeschichte studiert. Mich haben Bilder und die Lesarten als Spiegel ihrer jeweiligen Zeit interessiert. Schon direkt nach dem Abitur einen künstlerisch-praktischen Weg einzuschlagen wäre für mich wahrscheinlich zu früh gewesen. Die theoretische Betrachtung von Bildern hat eine gewisse Sicherheit mit sich gebracht, was auch daran gelegen haben mag, dass mir in der Schule die Vorbilder dafür fehlten, was Fotografie alles sein kann. Erst nachdem ich mehrere Jahre in verschiedenen Museen gearbeitet und mehr Berührungspunkte mit dem Medium hatte, kam der Wunsch auf, mich auch intensiver mit der eigenen Fotografie, ihren Themen und der Entwicklung einer eigenen Handschrift zu beschäftigen. Die Kunstgeschichte ist dafür bis heute eine schöne Basis geblieben.

Manu Gruber (*1983 in Bremen) ist eine deutsch-italienische Fotografin. Nach ihrem Magisterabschluss in Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Romanistik studiert sie aktuell im Abschlussjahrgang der Ostkreuzschule für Fotografie bei Göran Gnaudschun.

Ihren fotografischen Themen nähert sie sich oftmals über die Verknüpfung autobiografischer Erlebnisse mit fiktiver Narration und rückt darüber hinaus Inhalte wie Aberglauben, Metaphysik und Mythologie in den Interessenfokus ihrer Projekte. Die Arbeiten geben dabei keine auserzählte Interpretation vor, sondern bieten einen subjektiven, assoziativen Zugang an, um den Betrachtenden Raum für die eigene Verortung zu lassen.

www.manugruber.com, @manugruber