Exposed: Heike Zappe

Sonja Neuschwander – aus der Bildredaktionsklasse 2023/2024 der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) – spricht mit der Fotografin und OKS-Studentin Heike Zappe über ihre Arbeit „metamorphosis„.

Werden und Blüte, Vergehen und Tod
Zwei Arbeiten aus der Serie „metamorphosis“

Im Herbst letzten Jahres ergab sich die Gelegenheit, dass ich mit einem befreundeten Koch an einem Kunstprojekt für das Oderbruchmuseum arbeitete: Er bereitete köstliche regionale Speisen zu, ich arrangierte die Gerichte als essbare Bilder und lichtete sie ab. Das machte mir große Freunde (zumal wir Hecht, Selleriestampf und geschmorte Gurken anschließend verspeisen konnten), vor allem aber weil die Stillleben ein schöner Gegenpol zur begleitenden Reportage waren.

Schließlich drückte mir der Freund eine Mamiya RB67 in die Hand mit den Worten: „Hab ich noch nie benutzt, probier gern mal.“ Mir war sofort klar, dass es Farbe sein müsse. Also streifte ich durch den wilden Garten, um nach passenden Motiven oder Objekten Ausschau zu halten. Das einzige, was der Garten noch herzugeben vermochte, waren ein paar überreife Tomaten und dunkle Trauben. Ich trug sie in einen abgelegenen Raum, legte den Rollfilm in die wuchtige Kamera, wählte Ausschnitt und Perspektive im Sucher, maß das Licht und schoss meinen „Premierefilm“.

Im Laufe der folgenden Wochen wurden auch Quitten, Kürbis und Äpfel von mir porträtiert. Und es wurde immer spannender. Je länger ich die Früchte sich selbst überließ, um so mehr veränderten sie sich (man kennt das ja): Glänzende Tomatenhaut wird von einem grau-pelzigen Belag überzogen, auf dem weiße Schimmelfelder blühen; die graugrüne Oberfläche eines die Form verlierenden Muskatkürbis mutet wie Reptilienhaut an – und gibt in seinem Inneren das saftige Fruchtfleisch in grellem Orange preis. Während ein Apfel von Ringfäule befallen zusammen schrumpft, gibt ein zweiter sein Fruchtfleisch unzähligen Hautflüglern hin, die wie aus dem Nichts hervorgingen – und ebenso schnell verenden werden. Natur als ein immerwährender Kreislauf von Werden und Blüte, von Vergehen und Tod – eine unaufhaltsame Metamorphose. 

Aufblühen, Reife, Erlöschen und Verwesung. – Kaum ein Sujet versinnbildlicht Vergänglichkeit treffender als ein Stillleben. Formal angelehnt sind diese Arbeiten an die Bildästhetik der Malerei Alter Meister: Das Helle, zum Teil Sattfarbige schält sich aus dem monochromen Dunkel heraus, seitlich einfallendes Licht moduliert die Oberflächen der Bildobjekte und Materialien, vereinzelt blinzeln Lichtreflexe hervor. Es ist ein haptisches Schauen, das sich beim Betrachten eines Stilllebens einstellt.

Zwischen den beiden Zuständen des hier abgebildeten Motivs liegen drei Monate. Insgesamt besteht die Serie „metamorphosis“ aus einem knappen Dutzend Bildern. Sie entstand in der Basisklasse bei Lia Darjes. Dass eine Auswahl der Serie für den Brandenburgischen Kunstpreis 2023 nominiert war und im Schloss Neuhardenberg ausgestellt wurde, hat mich natürlich gefreut.

Heike Zappe studierte Kunst und Germanistik, diplomierte in Kulturwissenschaften und arbeitete als Redakteurin und Fotografin. Seit 2022 studiert sie Fotografie an der Ostkreuzschule. Ihr fotografischer Fokus liegt auf der Landschafts-, Dokumentar- sowie Porträtfotografie.

www.heike-zappe.de, @heike_zappe