Werkschau: Ute Mahler und Werner Mahler in den Deichtorhallen
Vom 11. April bis zum 29. Juni 2014 wird die große Werkschau von Ute Mahler und Werner Mahler in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen sein. In einer umfassenden Ausstellung zeigen die beiden Fotografen zum ersten Mal gemeinsam Bilder aus fünf Jahrzehnten. Neben dem Katalog (Kehrer Verlag) wird die Serie Zusammenleben von Ute Mahler in einer gesonderten Publikation (Verlag: Hatje Kantz) erscheinen. Ausstellungseröffnung ist am 10. April um 19 Uhr. Wir trafen uns in ihrem Haus in Lehnitz bei Berlin und sprachen über ihre Arbeit, über Zeit und Zeitlosigkeit und die Haltung des Fotografen. OKS-Lab: Das ist eure erste gemeinsame Werkschau. Welche Zeitepoche wird die Ausstellung umfassen? Werner Mahler: Ich fing 1975 mit meiner ersten wichtigen Arbeit an, die ich während meines Studiums gemacht habe: über den Steinkohlebergbau. Ich hatte vorher schon ein paar Serien gemacht, aber das ist die erste, die geblieben ist. Und das letzte Bild, das in der Ausstellung hängen wird, ist von heute Morgen 6:20 Uhr (Anmerkung d. Red.: 26. 3. 2014). Ich habe heute noch ein Foto von der Eiche gemacht. UM: Und das Licht war toll? WM: War wunderbar. Ich fotografiere seit drei Jahren aus dem Küchenfenster eine Eiche dort im Wald. Diese Arbeit zeige ich im kleinen Format, nur 16 cm auf 24 cm. Es sind bisher 25 Bilder, die in unterschiedlichen Jahreszeiten und bei Regen und Schnee oder Gewitter entstanden sind. Ute, kannst du sagen, worum es dir in Zusammenleben geht? WM: Du hast das Thema ja später auch erweitert. Auf den ersten Bildern waren fast alles Paare. UM: Ja, zuerst waren es Paare, das stimmt. Ich habe sogar die Serie Ehepaare genannt, das finde ich heute schon merkwürdig. WM: Dann kamen Geschwister dazu und homosexuelle Paare… UM: Familien, Freundschaften… und ganz am Ende der Arbeit, im letzten Drittel, habe ich auch Leute fotografiert, die alleine leben. Es gibt auch einige Fotos, auf denen nur eine Person zu sehen ist. Alleinsein hat ja auch mit Zusammenleben zu tun. Das Zusammenleben umfasst ja eine große Zeitspanne im Leben. Du hoffst, dass sich in dem einen Moment etwas Spezifisches über die Beziehungen zeigt? Vielleicht kannst du mal erzählen, wie das Foto mit Winfried Glatzeder entstanden ist. Ihr habt ja jeder ein eigenständiges Werk und es gibt ein gemeinsames Werk – ich habe das Gefühl, dass sich das sehr unterscheidet. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ihr zusammen arbeitet oder daran, dass sich insgesamt eure Einstellung zur Fotografie verändert hat. WM: Bestimmte Themen schließen sich mit einer 4×5-Kamera aus. Die Reportage und das beobachtende Portrait sind überhaupt nicht möglich. Das heißt, schon durch die Technik bestimmt ändern sich die Themen und vielleicht kommen in diesen Fotos auch zweimal vierzig Jahre Erfahrung zusammen. Die drei Themen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, verlangen eine große Vorarbeit, bevor man auf den Auslöser drückt. Man hat ein Konzept. Und man muss sich über vieles einig sein: über den Ausschnitt, die Perspektive, Objektivwahl, schwarz-weiß oder Farbe. Wir haben eine lange Vorarbeit hinter uns, bevor wir auf den Auslöser drücken. Das kann man zu zweit ganz gut machen: an den Bildern zu arbeiten, bevor man fotografiert. Das und auch das Großformat haben die Bildsprache verändert. Unsere letzte Arbeit ist sehr fotografisch geworden, die Bilder leben sehr von den Möglichkeiten, was man mit Fotografie erreichen kann. Dann kommt dazu, dass Ute sehr viel Menschen fotografiert hat und auch Momente, die etwas Symbolisches hatten; mich hat immer schon Landschaft interessiert und so sind Themen miteinander verschmolzen. Man hat aber auch das Gefühl, dass die gemeinsamen Fotos und auch die Arbeit über die Obdachlosen, die du für C/O Berlin gemacht hast, etwas Zeichenhaftes, Universelleres haben und auf eine Art zeitlos sind. Ist das beabsichtigt? UM: Also, da muss ich dir jetzt aber widersprechen… WM: Ich wollte gerade einschränken: Die Monalisen sind da eine Ausnahme. Da war der Ansatz, Portraits zu schaffen, die möglichst weit weg von jedem modischen Einfluss sind. Das ist schwer; das geht natürlich kaum, wenn man junge Frauen fotografiert, die man nicht gecastet hat und nicht ankleidet und schminkt, also die normale Frau von der Straße. Dann ist Mode immer da, aber durch die Art, wie wir sie fotografiert haben, haben wir auch etwas Zeitloses gefunden. Durch die Unschärfen im Hintergrund kann man die Stadt nicht genau verorten; auch dadurch, dass es Schwarzweißbilder sind. In Minsk zum Beispiel sind die Neubauhäuser sehr bunt. UM: Ich finde, bei den Obdachlosen ist es genau das Gleiche; auch da gab es Überlegungen. WM: Die Frage war ja, ob wir das bewusst gemacht haben. Es ist einfach entstanden durch die Art des Sehens, des auf die Situation Eingehens, das Gesehene festzuhalten. Mir war ja sehr schnell klar, ich rede jetzt über die Obdachlosen, dass das für mich eine heikle Situation wird, etwas, das ich in meinem Leben so nie gemacht habe, im wahrsten Sinne des Wortes Paparazzi-Fotograf zu sein; also unerkannt zu fotografieren, ohne dass der Andere die Chance hat, mich zu sehen. Da habe ich ziemlich gehadert, ob ich das überhaupt machen will. Der bis dahin für mich machbare Weg wäre gewesen, ich hätte „Guten Tag“ gesagt, hätte mit ihnen geredet, geraucht und getrunken und hätte versucht, mit ihnen um die Häuser zu ziehen, um Portraitsituationen zu finden. Und dann – das ist mir beim Entwickeln der ersten Filme aufgefallen – waren da so ein paar Bilder dabei, die sehr symbolisch waren, wo sehr viel über Körpersprache zu erkennen war. Aber wie kam es überhaupt dazu, dass du nicht den für dich normalen Weg gegangen bist und es anders gemacht hast? UM: Die Bilder haben auch etwas unglaublich Zeitloses. Du kannst ja nicht erkennen, dass es 2013 fotografiert ist. Die Kleidung ist so unwichtig; man kann nicht sagen, wann es fotografiert wurde und insofern stimmt das schon. Und durch die Technik, die du gewählt hast; das war ja alles sehr durchdacht und konzeptionell… WM: Ich wollte dieses Thema nicht so glatt, so superscharf. Es war die erste Überlegung, mit der höchsten Empfindlichkeit zu fotografieren, auf analogem Film; dadurch entsteht die Grobkörnigkeit. Dann kam mir zur Hilfe, dass die Scheiben nicht sauber waren, durch die ich fotografiert habe, und durch die Beschichtung der Scheiben ist so ein merkwürdiger Effekt eingetreten, den ich mir immer noch nicht erklären kann. Dann das lange Teleobjektiv, um auch nah ran zu kommen an die Körper; dadurch diese Unschärfen hinten. Das war alles sehr konzeptionell. Und dann kam dazu, dass ich dachte, wenn ich das so fotografiere, kann ich das auch verantworten vor mir. Ich hätte das andere gar nicht zeigen können. Ich hätte Bilder machen können, wie sie vor mir stehen und an den Baum pinkeln; das hab ich alles weggelassen. Ja – und dann ist vielleicht das Ergebnis das Zeitlose. UM: Ich finde es interessant, wie sehr man in einer Körperhaltung den Zustand eines Menschen erkennen kann; so ein Gefühl, was der ausdrückt. Es gibt ein neues Werk von euch, das noch keiner kennt. Könnt ihr etwas dazu sagen? UM: Aber es sind keine Landschaftsfotos. Es ist eine Konstellation von Dingen; es geht um Dinge, die sich zusammenfügen und eine neue Geschichte erzählen, und die wir in diesem Moment entdeckt haben… Am Anfang haben wir sehr viel skurrilere Sachen gefunden, die lauter waren, die lautere Zeichen ausgesendet haben. Das fanden wir am Anfang spannend. Und je länger wir daran gearbeitet haben, um so weniger sind wir auf die vordergründigen Dinge hereingefallen. Ich kann das für mich sagen: In den stärksten Bildern ist viel Gefühl von uns drin; vielleicht erkennen andere das nicht so sehr, aber uns entsprechen die gerade sehr – so, wie wir denken und fühlen. WM: Es ist auch ein bisschen Schwermut in den Bildern und Melancholie. Vielen Dank für das Gespräch. Ute Mahler, geboren 1949 in Berka (Thüringen), schloss ihr Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig 1974 ab. Seit 2000 ist sie Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Sie ist Gründungsmitglied von OSTKREUZ. Ute Mahler lebt in Hamburg und Lehnitz bei Berlin. Werner Mahler wurde 1950 in Boßdorf, Sachsen-Anhalt geboren. Seine fotografische Karriere begann er 1971 als Assistent von Ludwig Schirmer. 1978 schloss er sein Studium der Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ab. In seinen Arbeiten der 70er und 80er Jahre dokumentierte er auf eindringliche Weise das Leben in der DDR, etwa den Alltag in einem thüringischen Dorf, die Arbeit in einem Steinkohlebergwerk bei Zwickau oder die politisch aufgeladenen Derbys zwischen den Fußballvereinen FC Union und BFC Dynamo. Nach der Wende begründete Werner Mahler die Agentur OSTKREUZ mit, deren Geschäftsführer er bis heute ist. 2005 rief er gemeinsam mit Thomas Sandberg die OSTKREUZSCHULE für Fotografie ins Leben. In seinen neueren Arbeiten kommen häufig historische Kameras zum Einsatz. Mit der Camera Obscura schaffte er traumartige Sequenzen von Schweizer Seen, brandenburgischen Landschaften oder Leonardo da Vincis Wirkstätten in Norditalien. Gemeinsam mit seiner Frau Ute Mahler fotografierte er mit einer alten Plattenkamera Mädchen im Übergang, zwischen Stadt und Land, Kindheit und Reife. Das so entstandene Buch- und Ausstellungsprojekt „Monalisen der Vorstädte“ wurde 2011 mit dem Kunstpreis Fotografie der Lotto Brandenburg ausgezeichnet. Hier geht´s zur Webseite der Deichtorhallen. |