OKS-lab fragt… Johanna-Maria Fritz

Johanna-Maria Fritz lebt in Berlin, ist aber den Großteil des Jahres in der ganzen Welt unterwegs. Für ihre Abschlussarbeit an der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) reiste Johanna nach Island, um die dortige Zirkuskultur zu dokumentieren. Kurz danach fotografierte sie für ihr Projekt Like a Bird Zirkusse unter anderem in Afghanistan, Indonesien und Indien.

Alle Kinder im Zirkus müssen eigene Kostüme nähen. Brush Akbari ist Näh- und Jonglierlehrein, sie posiert hier in der Schule, direkt nach Unterrichtsende; Kabul, Afghanistan, 2016

Hi liebe Johanna, was bedeutet es für dich eine Kamera in der Hand zu halten? Welche Möglichkeiten bietet dir die Fotografie?

Die Fotografie bietet mir die Möglichkeit so verschiedene Menschen wie möglich kennen zu lernen, deren Geschichten zu erzählen und manchmal sogar etwas zu bewegen.

Für deine Abschlussarbeit hast du Zirkusse in Island fotografiert. Und im Anschluss daran über mehrere Jahre die Zirkus Kultur in islamischen Ländern dokumentiert. Woher kommt die Faszination für Zirkusse? Hast du einen persönlichen Bezug zu dieser Thematik?

Zirkus bedeutet Freiheit für mich. In meine Schule gingen damals ein- oder zweimal im Jahr Kinder eines Zirkus, die bei uns in der Stadt spielten. Außerdem finde ich den Zusammenhalt im Zirkus schön. Jede*r trägt ihren/seinen Teil zu der großen Show bei. 

Blick auf eines der Zelte des Khalil Oghab-Zirkus im Velayat Park, einem ehemaligen Flughafen. Anfang 2017 wurde im Iran ein neues Gesetz eingeführt, welches Zirkussen die Tierhaltung verbietet, daher musste der Oghab-Zirkus all seine Tiere an Zoos im ganzen Land abgeben; Teheran, Iran, Februar 2016

Und wie kam es zu der Entscheidung den ersten Zirkus in Island zu fotografieren? Wieso ausgerechnet dort?

Ich hatte schon in Deutschland, am Anfang meines Studiums, einen kleinen familienbetriebenen Zirkus begleitet. Doch ich wollte gerne raus aus Deutschland und woanders arbeiten. Eine Bekannte zog nach Island und hörte im Radio Werbung für eine Zirkusshow. Natürlich berichtete sie mir gleich davon und nach einem kurzen Telefonat mit dem Direktor buchte ich mir einen Flug für den nächsten Tag. 

Neben der Zirkusthematik fokussierst du dich in deinen fotografischen Arbeiten auf gesellschaftlich benachteiligte Gruppen, Frauen und Kriegsgebiete. Wie beginnt so ein Projekt für dich? Wie nimmst du den Kontakt zu deinen Sujets auf?

Das ist ziemlich unterschiedlich und kommt auf jedes Thema ganz individuell an. Manchmal beginnt ein Kontakt übers Internet oder Telefon. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt nehme ich mit lokalen Journalist*innen oder Producer*innen Kontakt auf und arbeite mit ihnen zusammen. Ansonsten frage ich direkt Leute vor Ort und alle die ich kenne.

Schüler*innen und ihre Lehrerinnen warten in der Schlange, um Tickets für den Zirkus Khalil Oghab zu ergattern; Teheran, Iran, Februar 2016

Vor welche Schwierigkeiten wirst du im Laufe so eines Projektes gestellt? Kannst du dich immer gut verständigen?

Erst einmal ist vor allem die Sprache eine Barriere, die sich aber mit der Zeit legt. Mittlerweile bin ich Expertin darin, mich auch ohne Sprache verständigen zu können. Dann kommt es auch auf das Land an – wie gefährlich ist es und gibt es aktuell Kämpfe, Entführungen usw. Auch wie ich mich anziehe ist wichtig. Ich habe die Erfahrung gemacht, es ist am besten nicht aufzufallen und dem Land und dessen Kultur respektvoll gegenüber zu treten.

Ich kann mir vorstellen, dass erst ein gewisses Vertrauen aufgebaut werden muss, um die Menschen zu überzeugen sich fotografieren zu lassen. Lernst du die Personen, die auf deinen Bildern zu sehen sind erst länger kennen, oder fotografierst du sie bei eurem ersten Treffen?

Das kommt total auf die Menschen an. Mit manchen klickt es gleich und mit anderen erst später. Aber es kommt auch darauf an, wie die Leute es finden fotografiert zu werden. Mir macht es Spaß neue Menschen kennenzulernen und ich denke durch diese Offenheit funktioniert das ganz gut. 

Hamas-Kämpfer ziehen an Zirkusartist Majed Kallub (26) vorbei, vor dem Gebäude der Zirkusschule im Stadtteil Betlaahya in Gaza-Stadt; Gaza, Palästina, 2017

Welche Motivation, welches übergeordnete Ziel steckt hinter deinen Projekten und deiner fotografischen Auseinandersetzung mit Krisengebieten?

Mich interessieren diese Länder, politisch aber auch kulturell. Ein bisschen hoffe ich ja auch den Menschen helfen zu können, indem ich gemeinsam mit den Protagonist*innen ihre Geschichten erzähle.

Gibt es eine bestimme Fotostrecke, an der dir besonders viel liegt?

Ja, meine Zirkusarbeit Like a bird. Im ersten Moment ist sie nicht politisch – doch eigentlich ist sie es total. Und trotzdem hat sie auch einen positiven Aspekt – das finde ich wichtig. 

Treffen von Zirkusstudierenden aus Bamyan City und Yakawlang, was nur selten stattfindet in dem weiträumigen Land Afghanistan, wo Überlandfahrten auf den schlechten Straßen lang und beschwerlich sind; Yakawlang, Bamyan, Afghanistan, 2017

Johanna-Maria Fritz studierte von 2012 bis 2015 an der Ostkreuzschule in Berlin. Seit 2019 ist sie Mitglied in der gleichnamigen Agentur. Sie lebt und arbeitet zwischen Berlin und dem mittleren Osten.