OKS-lab fragt… Nadja Masri: Zehn Jahre, zehn Fragen
Nadja Masri, Leiterin der Klasse Bildredaktion, unterrichtet gerade ihren zehnten Jahrgang an der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS). Den Studierenden der aktuellen Klasse stand sie Rede und Antwort. 1. Was hast Du für Erwartungen an Teilnehmer*innen einer Klasse Bildredaktion bevor es losgeht? NM: Ich erwarte von den Teilnehmenden, neben der Leidenschaft für Fotografie, die Bereitschaft, auch zwischen den Unterrichtswochen Aufgaben zu erledigen und an den Projekten zu arbeiten. Natürlich erhalten die Teilnehmenden viel Input, aber der Kurs hat dennoch weniger einen Vorlesungscharakter, sondern ist sehr praxisorientiert und partizipatorisch angelegt. Dass sich die Teilnehmenden je nach Zeit und Interesse unterschiedlich stark engagieren, ist normal – die einen beispielsweise mehr für das oks-lab.de, unseren Schulblog, die anderen mehr beim Fotobuch. Wichtig ist, gemeinsam die Verantwortung für die Projekte zu übernehmen und da ist jede*r Einzelne*r gefragt. Je mehr man rein gibt und macht, umso mehr holt man aus dem Jahr auch für sich persönlich raus. 2. Welchen Tipp hättest Du gern zu Anfang Deiner Berufslaufbahn als Bildredakteurin bekommen? NM: Ich habe zwei Tipps bekommen, an die ich mich noch sehr gut erinnere: Studiere etwas „anständiges“, sagte Giovanni di Lorenzo, damals Reporter bei der Süddeutschen Zeitung. Den Tipp habe ich quasi ignoriert und Kommunikationswissenschaft, Neuere Geschichte und Kunstgeschichte an der FH in Berlin studiert – ich habe es nicht bereut. Der andere Tipp kam von seiner Kollegin, mit der er mir netterweise einen Termin organisiert hatte, Eva Fischer, damals Bildredakteurin beim Süddeutschen Magazin: Ausstellungen, Magazine und Fotobücher ansehen und Fotograf*innen merken. Den Tipp habe ich zuerst in London, dann in Berlin mit Leidenschaft verfolgt. 3. Die Stellen der Bildredakteur*innen werden eher ab- als aufgebaut. Warum rätst Du dennoch dazu, Bildredakteur*in zu sein? NM: Rate ich jemandem dazu, Bildredakteur*in zu werden? Ich würde es anders formulieren. Die, die ihre Kompetenzen vertiefen wollen, um als visuelle Expert*innen nicht nur bei Publikationen, sondern auch in Agenturen, im Ausstellungsbereich, bei Profit- und Non-Profit-Unternehmen, in der Bildung, in der Wissenschaft zu arbeiten, die möchte ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung unterstützen, mit denen möchte ich meine Leidenschaft für Fotografie teilen, denen möchte ich mitgeben, wie wichtig Qualität und Haltung ist. 4. Inwiefern hat sich in den letzten zehn Jahren die Arbeit von Bildredakteur*innen verändert? NM: Die Bilderflut scheint immer größer zu werden, und somit wächst auch die Herausforderung, oft, nicht immer, in kurzer Zeit, die besten Bilder zu finden. Je vielfältiger die Quellen für Bildmaterial, je schneller das Tempo, desto wichtiger sind visuelle Expert*innen, denen es gelingt aus dieser großen Schatzkiste das Beste herauszuziehen. 5. Welches Thema, welches Projekt unterrichtest Du am liebsten? NM: Das kann ich so gar nicht beantworten. Mir gefällt die Vielfalt an Themen und Methoden – der Input, der Austausch, die Diskussionen und natürlich die Arbeit an den zahlreichen Projekten: Fiktion, da bekommen die Basisklassen ein Gedicht und ein Lied, das sie visuell interpretieren sollen, der Shooting Day Weißensee mit den OKS Fachklassen, die Bespielung des oks-lab.de, das Fotobuch-Dummy-Projekt mit der Agentur laif, die Zusammenarbeit mit dem Magazin Das UND und das Fotobuch in Kooperation mit dem ICP (International Center of Photography) in New York. 6. Was ist Dir wichtig, was deine Student*innen aus ihrem Jahr mitnehmen? NM: Neben dem vermittelten Wissen und den Projekten, eine Haltung, Zuversicht und Selbstsicherheit. Das Jahr ist zu Ende, aber das Netzwerk bleibt und auch ich als Ansprechpartnerin. 7. Gibt es ein musikalisches, literarisches etc. Werk, das du nicht ohne ein bestimmtes Bild denken kannst? NM: Interessante Frage. Es sind eher Stimmungen, Erinnerungen, Farbbilder als bestimmte Bilder, die gerade durch Musik bei mir ausgelöst werden. Wenn ich zum Beispiel Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms höre, dann denke ich an einen verstorbenen Freund – die Musik hat etwas sehr trauriges und tröstliches zugleich. Wenn ich hingegen einen guten Party-Song höre, möchte ich vielleicht tanzen und tue das manchmal auch allein oder mit meiner Tochter im Wohnzimmer. 8. Welches Bild aus 2020 bleibt Dir besonders in Erinnerung und warum? Aber auch Bilder von Florian Jänicke, die den Alltag mit seinem schwerstbehinderten Sohn Friedrich zeigen. Die Bilder wurden ein Jahr lang als Fotokolumne im ZEITmagazin veröffentlicht und brachten auf eindrückliche, bewegende Weise ein wichtiges Thema an eine breitere Öffentlichkeit. Und so ist es auch mit den Serien von Vivian Rutsch und Sina Niemeyer, die sich beide auf sehr persönliche Weise mit dem Thema Missbrauch beschäftigen. Aber wenn ich mich für ein einziges Bild entscheiden müsste, würde ich spontan sagen ein Bild aus Sébastien Leban’s Climate Refugee Projekt, von dem ein paar Bilder in DER ZEIT veröffentlicht wurden Eins hat Inka Recke für den Blog als „Ein 9. Was nimmst Du aus dem Jahr Zusammenarbeit mit Teilnehmer*innen der Klasse Bildredaktion für dich mit? NM: Das tolle an der Klasse Bildredaktion ist die Heterogenität der Gruppe. Die Teilnehmenden sind in der Regel zwischen Anfang 20 und Ende 40 Jahre alt. Sie bringen unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen mit. Das ist einfach großartig. Ich lerne jedes Jahr eine Menge. In diesem Jahr habe ich vor allem viel über digitale Tools gelernt und dass sich eine Gruppe auch virtuell kennenlernen und zusammenwachsen kann, dass man auch beim Online-Stammtisch wunderbar digital Portfolio-Kritik machen kann, fast so toll wie vor Ort. 10. Was ist Dein Résumé aus zehn Jahren als Dozentin der Bildredaktionsklasse? NM: Ich liebe das Unterrichten. Ich denke, das ist das Beste, was ich bisher gemacht habe. Die Basis dafür, wie und was ich unterrichte, ist vor allem geprägt von meiner Arbeit bei der Agentur Ostkreuz am Anfang meiner Berufslaufbahn und später von meinen fast zehn Jahren in einer unglaublich offenen, lebendigen Photo-Community in New York: dort war ich Büroleiterin und Senior Photo Edior der Zeitschrift GEO und habe am ICP unterrichtet. Nadja Masri ist studierte Kommunikationswissenschaftlerin M.A. (FU Berlin) und seit 2011 die Leiterin der Klasse „Bildredaktion“ an der Ostkreuzschule für Fotografie. Seit 2010 arbeitet sie auch als Beraterin und freie Bildredakteurin (Philosophie Magazin, GEO, Das Magazin, Mare), hat seit 2019 einen Lehrauftrag an der FH Dortmund und ist als Mentorin und Dozentin auch wieder für das International Center of Photography (ICP) tätig. Von 2001 bis 2010 war sie Büroleiterin und Senior Photo Editor des Korrespondentenbüros der Zeitschrift GEO in New York und arbeitete seit 2005 parallel als Dozentin im „Documentary Photography and Photojournalism Program“ (heute: Documentary Practice and Visual Journalism) am ICP in New York. |