Nahaufnahme: Kaja Smith

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotografen/-innen und Dozenten/-innen der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Dieses Mal haben wir die Fotografin und OKS-Absolventin Kaja Smith darum gebeten, uns einen Einblick in die Entstehung ihres Fotos zu geben.

Es war Winter vor zwei Jahren, als ich Marja Bål Nango auf dem Filmfestival im norwegischen Tromso traf und portraitierte.
Ich lief am verabredeten Tag zu Fuß durch die Stadt, zum Treffpunkt im Stadtteil Elverhøy, wo die junge samische Filmregisseurin während des Festivals bei einer Freundin wohnte. Es hatte während der letzten Tage schon viel geschneit und der Schnee auf den Straßen und Wegen lag ziemlich hoch. Ich wollte Marja in der Natur portraitieren und wir gingen gemeinsam zu einem nahen Waldstück. Was wir nicht wussten: In diesen Momenten braute sich einer der gewaltigsten Schneestürme Nordnorwegens zusammen, den die Gegend seit Langem erlebt hat. Sämtliche Fischerboote der Region wurden in den Hafen gerufen. Als ich eine geeignete Stelle auf einer kleinen Lichtung für das Bild gefunden hatte und mein Stativ mit Kamera aufbaute, kamen bereits die ersten kleineren Windböen auf. Beim Einstellen der Kamera wurden diese so heftig, dass Marja und ich immer wieder innehalten mussten, um unsere Gesichter mit vorgehaltenen Armen zu schützen. Mir wurde klar, ich hatte nicht viel Zeit – zwei Belichtungen höchstens. Mittlerweile waren meine Hände eiskalt und der Schnee peitschte mir ins Gesicht, so dass ich nur mit großer Mühe das Objektiv unter dem Verdunkelungstuch scharf stellen und alles einrichten konnte. Wir warteten eine kurze Pause zwischen den Böen ab, Marja schaute in die Kamera und ich löste aus. Danach rannten wir aus dem Wald. Marja rief ihre Freundin an, die uns freundlicherweise mit dem Auto abholen konnte. Die Autotür bekamen wir nur mit größter Anstrengung auf und zu, ebenso die Haustür.
Als wir endlich im Trockenen waren, habe ich sofort das Wasser vom geschmolzenen Schnee aus der Kamera auf den Tisch tropfen lassen.
Dass diese Belichtung etwas geworden ist, schien mir höchst unwahrscheinlich.
Als ich eine Woche später den Planfilm in Berlin entwickelte, konnte ich mein Glück kaum fassen. Nicht nur war das Negativ knallscharf, auch war ich mit dem Bild äußerst zufrieden. Wenn ich das Portrait jetzt anschaue, sehe ich eine Kraft und Ruhe und glaube manchmal selbst kaum, dass ich es inmitten eines Schneesturms aufgenommen habe.

Kaja Smith wurde 1983 in Warburg geboren. Sie studierte Fotografie an der OKS bei Werner Mahler und Ludwig Rauch. 2013 machte sie bei Thomas Sandberg mit der Arbeit „Goldkinder“ ihren Abschluss.
Seit 2014 lebt und arbeitet sie als freie Fotografin in Berlin und Kassel. Sie fotografiert ausschließlich mit der Großformatkamera.