Ausstellungsankündigung FOTO ALS WAFFE

Die Absolventin Annemie Martin hat dieses Jahr mit ihrer fortlaufenden Arbeit »Chemnitz – Stadt der Moderne« den zweiten Platz beim Willi Münzenberg Forum in der Kategorie »Foto als Waffe« gewonnen. Die Serie ist dort bis zum 31.10.2019 zu sehen.

Keine Perücke, Foto: Annemie Martin

»„In Chemnitz wird das Geld erarbeitet, in Leipzig vermehrt und in Dresden ausgegeben“, heißt ein altes Sprichwort aus den Blütejahren einer Stadt, die heute immerzu vergreist: Deutschlandweit ist der Altersschnitt der Chemnitzer, im Vergleich zu anderen Städten, am höchsten. Überregional dominieren Schlagzeilen über Rechte und Neonazis das Bild der drittgrößten Stadt in Sachsen.
Annemie Martin, die am Bodensee aufgewachsen ist und in Berlin lebt, fotografiert Chemnitz. Ihre Bilder sind Skizzen der Annäherung an eine fremde Stadt. Leerstand und Verfall werden zu Räumen der Möglichkeiten – auch und vielleicht gerade deshalb für die wenigen Jugendlichen. Eine immergrüne Pflanze im Schnee, eine Karl-Marx-Büste auf Wellblech, eine einsam leuchtende Werbetafel ohne Transparent: Martins Arbeiten zeichnen eine melancholische, fast romantische Atmosphäre der Tristesse. Sie sind keine Ortsbeschreibung, kein Abarbeiten von Stereotypen des Ostens, kein nüchternes Dokument. Sie sind fiktiv, aber wahr.
Im Zeitalter des vorschnellen Urteils kommt Martins Serie Chemnitz – Stadt der Moderne gerade richtig. Wer sich darauf einlässt dürfte Chemnitz beim nächsten Besuch mit anderen Augen sehen.«
– Auszug aus der Laudatio des Willi Münzenberg Forums

Fernwärme, Foto: Annemie Martin

»Nach den Vorfällen in Chemnitz im letzten Jahr und dem Medienrummel um die Stadt, hatte ich das Bedürfnis, mich mal vor Ort zu begeben und zu schauen, was ich so sehe und wie ich die, für mich neue, fremde Stadt, wahrnehme. Dabei war es mir wichtig, mit Stereotypen zu brechen und für den/ die Betrachter/-in offene, skizzenhafte Bilder zu schaffen, welche in gewisser Weise durch ihre Fiktionalität auch die Fantasie anregen.« – Annemie Martin

Yujin, Foto: Annemie Martin
Zugenagelt, Foto: Annemie Martin

»Das Fotografieren läuft eigentlich sehr intuitiv für mich ab. Erst recherchiere ich etwas im Internet und in der Literatur und lese mir sowohl sachliche Artikel, als auch zum Beispiel fiktive Geschichten und Romane durch. Dadurch entsteht bei mir schon mal eine bestimmte Atmosphäre und Idee der Stadt oder des Themas. Vor Ort laufe ich sehr viel und finde so meine Bilder. Ich spreche fremde Menschen an, unterhalte mich etwas mit ihnen und fotografiere sie dann meistens auch.« – Annemie Martin

Karl Marx auf Wellblech, Foto: Annemie Martin
Werbung, Foto: Annemie Martin

Ausstellung
Noch bis zum 31.10.2019

Münzenberg Forum Berlin
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin

Annemie Martin
Die Fotografin Annemie Martin ist 1990 in Radolfzell am Bodensee geboren und hat 2018 ihren Abschluss an der Ostkreuzschule in der Klasse von Werner Mahler gemacht. Sie lebt und arbeitet als freie Fotografin in Berlin.