OKS-lab fragt…

In der Serie «OKS-lab fragt…» beantworten Dozenten, Fotografen, Macher und Absolventen der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie und Lebensart.

Im April eröffnet die Gesellschaft für Humanistische Fotografie (GfHF) einen neuen Ausstellungsraum in Berlin. Auf 200 qm werden Ausstellungen internationaler Autoren/-innenfotografie präsentiert.

Katharina Mouratidi ist die künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der GfHF. Auf dem OKS-lab spricht sie über die Fortschritte der letzten zehn Jahre seit der Gründung und die Anforderungen an fotografische Arbeiten.

Katharina Mouratidi, Foto: Heike Overberg, GfHF

OKS-lab: Die Gesellschaft für Humanistische Fotografie (GfHF) existiert bereits seit zehn Jahren. Welche Ziele haben sich seitdem erfüllt?

Katharina Mouratidi: Wir haben uns vor zehn Jahren mit der Idee gegründet engagierte Autorenfotografie, die sich mit sozialen und politischen Themen unserer Zeit auseinandersetzt, zu fördern und in Museen und Kulturinstitutionen bundesweit und international auszustellen. Das ist uns rückblickend sehr gut gelungen. Von anfänglichen wirklich kleinen Schritten, in denen wir unsere eigenen Arbeiten ausgestellt haben, damals noch im öffentlichen Raum, wie Rathäusern usw., ist es uns mit der Zeit geglückt bundesweit mit großen und renommierten Institutionen im Fotografiebereich zusammenzuarbeiten, darunter das C/O Berlin, das Willy-Brandt-Haus. Wir konnten auch öffentlichkeitswirksame Ausstellungen im öffentlichen Raum realisieren, wie z.B. WARONWALL – Fotografien vom Krieg in Syrien, die im Sommer letzten Jahr auf 250 Metern der ehemaligen Berliner Mauer zu sehen war. Das Konzept, genau diese engagierte Fotografie in den Vordergrund zu rücken, haben wir realisiert.

Ausstellungsansicht WARONWALL von Kai Wiedenhöfer, Foto: GfHF

OKS-lab: Gibt es auch Aspekte, die sich nicht haben umsetzen können? Ideen, die man wieder verwerfen musste?

Katharina Mouratidi: Tatsächlich ist die Geschichte der GfHF eine Erfolgsgeschichte. Die Ideen, mit denen wir angetreten sind, konnten wir umsetzten, vielleicht auch mehr als wir zu glauben wagten. Ab diesem Jahr gehen wir einen wichtigen Schritt weiter und werden einen festen eigenen Ausstellungsraum in Berlin etablieren. Das ist natürlich etwas, was wir uns nicht hätten träumen lassen. Ganz schwierig in diesem Bereich ist es, und das ist kein Geheimnis, Einkommen zu generieren und die finanziellen Mittel zu akquirieren und unsere Mitarbeiter/-innen langfristig zu beschäftigen. Viele Strukturen, die es früher gab, gibt es heute einfach nicht mehr, wie Ausstellungen an große Häuser zu verleihen, gegen Honorar, das ist tatsächlich einfach in dem Umfang, wie es notwendig wäre, nicht mehr möglich. Unsere Organisation wird zum großen Teil durch Drittmittel finanziert, das ist die größte Schwierigkeit an der ganzen Geschichte. Die vielen Förderanträge zu stellen und Sponsoren zu finden, macht einfach unheimlich viel Arbeit.

OKS-lab: Der Grundgedanke der GfHF entstand aus der Notwendigkeit heraus, in der Öffentlichkeit einen größeren Raum für Fotografie zu schaffen, die sich mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen beschäftigt, da diese Inhalte mit der Zeit immer weniger Platz in den traditionellen Medien fanden. Haben sich im Zuge dessen auch die Ansprüche an die Arbeiten verändert?

Katharina Mouratidi: Anfänglich haben wir rein fotografische Arbeiten verliehen und haben, je mehr wir mit den großen Häusern zusammengearbeitet haben, auch immer besser verstanden, was deren Bedürfnisse sind. Große Häuser müssen auch gut und spannend für ein breites Publikum bespielt werden. In der Regel reicht es dann nicht mehr aus, ausschließlich fotografische Arbeiten zu zeigen. Das Thema und das Konzept sollten dann auch multimedial begleitet werden zum Beispiel mit Filmen, über eine Webplattform oder Publikationen. Ein großes Gewicht haben heute auch pädagogische Ansätze und Vermittlungsprogramme, also Bildungsprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Diese Pakete haben wir begonnen zu entwickeln und bieten sie jetzt den Häusern immer gesamt an. Natürlich ist so ein Prozess nur im Austausch mit den Fotografen/-innen möglich, aber das ist eben unser ganz großer Plus-Punkt. Die Voraussetzungen dafür ist ein spannendes Thema, das am Puls der Zeit liegt, das aber natürlich zu unserer Ausrichtung passen muss und es dennoch verspricht auf ein breites Interesse zu treffen, und die Fotografen/-innen die exzellente Qualität liefern. Am Ende ist es eine ganz verzahnte Teamarbeit, die alles möglich macht.

OKS-lab: Laia Abril, Cristina de Middel, oder die Installation von Robert Knoth und Antoinette de Jong im C/O Berlin. Was können diese „inszenierten“ Arbeiten bewirken gegenüber einer traditionellen Fotografie?

Katharina Mouratidi: Ich würde diese beiden Genres gar nicht gegeneinander ausspielen wollen. Ich bin ein großer Fan von gut gemachten traditionellen Reportagen, finde aber auch die „konzeptionelle Fotografie“ sehr spannend. Man kann mit anderen Mitteln, wie mit Licht oder mit Inszenierung arbeiten. Dadurch kann noch mal eine andere Ebene transportiert werden. Wir sind es gewohnt, Massen von Bildern zu sehen, deshalb ist manchmal ein Moment der Irritation, ein Moment der Verwirrung etwas, was den Inhalt der Arbeit besser transportiert und den Betrachtenden etwas Neues bieten kann und sie deshalb umso eindrucksvoller erreicht.

Video-Installation  Poppy – Trails of Afghan Heroin im C/O Berlin, Foto: Heike Overberg, GfHF

Ausstellungsansicht FotoIstanbul, A History of Misogyny. Chapter one: On Abortion von Laia Abril, kuratiert von Katharina Mouratidi, Foto: GfHF

OKS-lab: Sie haben international Ausstellungen kuratiert, zum Beispiel auf dem FOTOISTANBUL Fotofestival. Kann man immer alle erreichen und überall?

Katharina Mouratidi: Das hängt von der visuellen Vorbildung ab. Worauf sind wir trainiert? Worauf springt man visuell an? Das ist ja vor allem im internationalen Austausch ganz spannend. Eine Arbeit, die hier in Europa funktioniert, funktioniert in den USA vielleicht gar nicht oder umgekehrt. Dieses Phänomen kann man sehr oft in vielen Bereichen auch außerhalb der Fotografie beobachten. Wir (GfHF) versuchen unsere Projekte so umzusetzen, dass wir damit ein wirklich breites Publikum ansprechen, aber natürlich auch differenzierte Informationen geben. Das darf überhaupt nicht vereinfacht oder eindimensional sein. Aus unserer Sicht muss es wirklich differenziert sein und soll gern, wenn es gelingt, viele Menschen ansprechen.

Aus der Serie Die Unbeugsamen – Vier Frauen in Kabul, Foto: Lela Ahmadzai

OKS-lab: Haben Sie noch Zeit für eigene Projekte?

Katharina Mouratidi: Ich war relativ erfolgreich 10 Jahre lang als freischaffende Fotografin tätig und habe von meinen freien Projekten mysteriöserweise gut gelebt. Vor zwei Jahren habe ich ganz bewusst die Entscheidung getroffen, die Fotografie aufzugeben. Ich bin ja Mitbegründerin der GfHF und die Organisation hat sich dahingehend entwickelt, dass sie immer größer und erfolgreicher wurde. Wir waren an einem Punkt angekommen, an dem wir eine hauptamtliche Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin brauchten. Das wäre allein mit Honorarkräften oder ehrenamtlichen Engagement nicht mehr gegangen. Nachdem ich am besten in der Organisation eingearbeitet war und auch Projektmanagement Fähigkeiten mitbringe, habe ich diese Position übernommen, was ich auch wirklich gerne mache. Es war eine schwere Entscheidung, man fotografiert doch wahnsinnig gern! Stattdessen fülle ich jetzt einen Ordner nach dem nächsten aus, das ist unheimlich viel Papierarbeit. Aber es hat sich als wirklich sinnvolle Entscheidung herausgestellt. Mit den großen Ausstellungen, die wir auf die Beine stellen, haben wir eine ganz andere Einflussmöglichkeit als einzelne Fotografen/-innen und erreichen dadurch ein viel größeres Publikum.

Die Eröffnung der neuen Ausstellungsräume der GfHF findet am 5. April um 19:00 Uhr statt. Aktuelle Informationen findet ihr unter www.facebook.com/GfHF.eu/

Katharina Mouratidi, die künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der GfHF, war im Dezember 2016 Gast-Dozentin für die Bildredaktionsklasse an der Ostkreuzschule für Fotografie. Ihre Erfahrung als Kuratorin von internationalen Ausstellungen sowie ihre Kompetenzen als Portfolio Reviewerin und Projektmanagerin hat die Stundenten/-innen begeistert.