#achtensPREVIEW: „Was ich nicht sehe, das passiert auch nicht.“

Was hat der achte Jahrgang zu sagen?

Wenn jährlich im Herbst die Abschlussklasse zur Vernissage lädt, sehen Fotografen und Bildredakteure, Freunde und Förderer der OKS gezielt hin, welche Themen die Studenten a. D. in die Welt tragen, und mit welcher Bildsprache? Angehende Absolventen haben uns zur „Sneak Preview“ geladen und geben Einblick in ihre Arbeit „in progress“. Ob als Bildstrecke oder Multimedia-Interview – immer unerwartet.

#ANNE SELL, Fotografin Abschlussklasse 2014

 
anna sell

 
OKS-lab: „Was ich nicht sehe, das passiert auch nicht.“ Ist der Titel zugleich die Kernaussage Deiner Geschichte?
Anne Sell: Häusliche Gewalt ist ein großes Tabu-Thema in unserer Gesellschaft, da es mit Demütigung, Angst und Scham verbunden ist. Dennoch ist häusliche Gewalt allgegenwärtig und passiert jeden Tag, überall auf der Welt, hinter verschlossenen Türen.

Wie ist die Idee zu Deinem Projekt entstanden?
In dieser Arbeit setze ich mich sowohl mit persönlichen Erfahrungen auseinander, als auch mit der Frage, wie, wann und wo Gewalt ausgeübt wird. Dabei spielt der Täter erst einmal überhaupt keine Rolle. Außerdem finde ich es wichtig, dieses brisante Thema so oft wie möglich beim Namen zu nennen. Da kam es mir ganz gelegen, dass es gerade eine neue Europa-Studie zu häuslicher Gewalt und Missbrauch an Frauen gibt – in welcher männliche Betroffene allerdings, wie häufig, unerwähnt bleiben. Man muss die Gesellschaft darauf hinlenken, sich mit „unschönen Wahrheiten“ auseinander zu setzen, und genau das versuche ich in meiner Arbeit.

Für deine Serie hast Du dreißig Menschen mit verschiedenen sozio-kulturellen Hintergründen porträtiert. Kannst Du Dein Konzept und die Umsetzung beschreiben?
Ich porträtiere Menschen verschiedenen Alters, unterschiedlicher Herkunft und sozialer sowie gesellschaftlicher Stellung. Da sind sowohl Betroffene als auch Nicht-Betroffene von häuslicher Gewalt. Für diese Durchmischung habe ich mich entschieden, weil ich möchte, dass der Betrachter selbst herausfindet, ob es überhaupt sichtbare Spuren gibt und wenn ja, welche. Was unterscheidet diese Personen von anderen, die keine häusliche Gewalt erfahren haben? Gibt es überhaupt Unterschiede? Die Realität sieht doch so aus, dass sich Betroffene, genau wie Nicht-Betroffene, unauffällig innerhalb der Gesellschaft bewegen. Es gibt keinen bestimmten Hut, der erkennen lässt, wer ein „Opfer“ ist.

 

 
Die Abschlussklasse 2014 lädt zur Vernissage am: 17. Oktober 2014, 19 Uhr, SEZ Berlin.
Vom 18. bis 26. Oktober wird die Abschlussausstellung dort zu sehen sein.

Anne Sell (Klasse Sybille Fendt), 29 Jahre alt, geboren in Sangerhausen (Sachsen–Anhalt). Seit 2009 lebt und arbeitet sie in Berlin.
www.annesellphotography.com

#achtensPREVIEW ist eine Gemeinschaftsproduktion der OKS-Absolventen „Bildredaktion“ Matthias Erfurt, Massimo Rodari, Alena Siamionava und Annette Streicher mit der Abschlussklasse 2014.
Besonderer Dank für die Koordination: Nancy Göring.