OKS-lab fragt …

In der Serie «OKS-lab fragt … » beantworten Dozenten, Fotografen, Macher und Absolventen der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie, zur Lebensart.

Ein Gespräch mit:

Carla Rosorius, Bildredakteurin

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Foto: Aleksandra Rieder-Kollesinska

OKS-lab: Carla, du absolvierst als einzige Teilnehmerin ein Traineeprogramm in der Bildredaktion des SPIEGEL. Wie kam es bloß dazu?
Carla Rosorius: (Lacht) Die Ressortleiterin der Bildredaktion des SPIEGEL, Michaela Herold, meine jetzige Chefin, kam Anfang 2012 über den Kontakt zu Maurice Weiss zu uns an die Ostkreuzschule in den Unterricht der Bildredaktionsklasse. Als damalige, neue Bildchefin hat sie überlegt – mit uns zusammen sogar -, wie man Nachwuchsförderung betreiben bzw. die Bildredaktion beim SPIEGEL frischer und jünger machen könnte. Und dann haben wir Bildredakteure eben ein wenig aus der Not heraus, nach dem Motto, „wir schlagen uns jetzt von einem Praktikum zum nächsten“, gesagt: „Bitte kein Praktikum, sondern irgendwas mit Perspektive“! Dann hat es ein halbes Jahr gedauert und Michaela Herold kam mit der Idee von dieser Trainee-Stelle um die Ecke und hat uns alle aus der Klasse daraufhin angesprochen. Ich hab mich beworben – und es hat geklappt.

Du hast die Bildredaktionsklasse dann 2012 abgeschlossen, jetzt bist du seit über einem Jahr in der Bildredaktion eines großen Nachrichtenmagazins. Was war für dich, aus der Theorie kommend, die größte Überraschung?
Die Schnelligkeit und der Druck, mit dem man in der wöchentlichen Produktion arbeiten muss, umgehen muss und konfrontiert wird. In der Ausbildung hat man einfach sehr viel Zeit, kann sich sehr viel anschauen; man recherchiert in der Ausbildung viel auf Blogs und bei anderen Zeitschriften usw. – das geht dann nicht mehr, wenn man in so einer großen Redaktion wie beim SPIEGEL ist. Innerhalb einer Redaktion muss man viel mehr Kompromisse eingehen, sei es aufgrund persönlicher Vorlieben oder auch der Termindruck. Man steht zudem viel intensiver und direkter mit Fotografen und Agenturen in Kontakt, was Zeit in Anspruch nimmt. Denkt man beim SPIEGEL nicht unbedingt …

Wie viele Aufträge vergebt ihr denn pro Ausgabe an Fotografen?
Das ist total schwer zu sagen. Weil manche Geschichten innerhalb der Woche entstehen, andere schon lange vorausgeplant werden. So Pi mal Daumen, pro Ressort mindestens zwei Aufträge, in der aktuellen Ausgabe sind es zum Beispiel 16 Aufträge. Man sieht es zwar nicht immer, aber das Fotobudget beim SPIEGEL ist sehr hoch, es wird viel Geld für Bilder ausgegeben! Das denkt man vielleicht nicht (lacht) – beim STERN glaubt man’s vielleicht eher … Nein, beim Spiegel wird sehr viel in Bilder investiert.

Das hört man gern! Mit welchen Fotografen arbeitet ihr momentan viel zusammen?
Das ist sehr ressortabhängig, ich kann da am besten von mir sprechen. Ich habe letztes Jahr mit Moises Saman eine tolle Geschichte prodzuziert, er lebt in Kairo. Ed Giles, auch ein toller Fotograf in Kairo; dort machen wir momentan viel, es ist halt aktuell. Dann lohnt es sich für Fotografen auch, über mehrere Monate ins Ausland zuziehen und vor Ort für internationale Medien zu arbeiten. Phil Moore, der in Nairobi lebt, hat für uns eine Geschichte über Rebellen im Kongo gemacht. Oder Bill Baxter war gerade für uns in Thailand unterwegs. Aber natürlich gibt es auch immer mehr Fotografinnen, z.B. habe ich im Sommer mit Magali Courouge den Sturz Mursis in Ägypten gecovert und die aufkommenden Proteste und Widerstandsbewegungen begleitet. Katie Orlinsky, aus den USA, genauso wie Ilona Szwarc – sind auch tolle junge Frauen, um nur wenige Namen zu nennen.
Wir arbeiten auch viel mit Wire-Fotografen zusammen, die für Agenturen wie Reuters oder AFP arbeiten und ihre Bilder darüber direkt in unser System speisen. Da gibt es auch ganz tolle Fotografen, die einem auffallen. Da würde mir jetzt spontan Muhammed Muheisen einfallen, der in diesem Jahr den Pulitzer-Preis für „Aktuelle Fotoberichterstattung“ bekommen hat und wiederum für AP arbeitet. In Russland arbeiten wir viel mit Yuri Kozyrev zusammen. Das ist auch immer wieder spannend. Ja, es ist sehr vielfältig … Vor allem in Deutschland sind die Kontakte sehr weit gestreut, meine Kollegen würden für jeden noch so abgelegenen Winkel der Republik, einen Fotografen finden. Mein Adressbuch wächst ständig, seitdem ich hier bin, das ist der Wahnsinn!

Wie können sich junge Fotografen an euch wenden, die gerne für euch arbeiten möchten?
Am besten ist es, direkt mit den Bildredakteuren Kontakt aufzunehmen. Sich in der Redaktion vorstellen, vorbei kommen, die Mappe zeigen, wissen, wo man inhaltlich hin will (z.B. welche Richtung Reportage/Porträt, Ressorts oder auch Sonderhefte), das ist am nachhaltigsten.

Du hast den zeitlichen Druck erwähnt – Nelson Mandelas Tod ist an einem Donnerstagabend bekannt geworden, da standen Zweidrittel der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe und der Titel bereits fest. Vieles raus- und umschmeißen, Mandela kurzfristig auf den Titel bringen; kannst du beschreiben, was das konkret für dich bzw. die Bildredaktion in so einem Moment bedeutet?
Uff, ja, das ist jetzt ein bisschen hart, wie das vielleicht klingen mag. Aber den Mandela-Titel hatte ich mit meinem Kollegen schon lange vorbereitet. Eigentlich haben wir zu dem Zeitpunkt, als Mandela krank wurde, jeden Tag damit gerechnet, dass er sterben könnte und wir den Titel in der Form bringen werden. So kam es auch dazu, dass wir das Bild, das unser Aufmacher geworden ist – ein Porträt von Annie Leibovitz – schon lange exklusiv vorher gesperrt hatten. Sodass wir nicht aussehen, wie all die anderen Magazine und Zeitungen, die natürlich auch darüber berichten.
Es gab also viele Vorbesprechungen und eigentlich wurde nur der Heftplan ein wenig umgebaut, weil sich die Seitenverteilung der einzelnen Ressorts änderte und zudem noch aktuelle Bilder der Trauerveranstaltungen beschafft werden mussten.

Der SPIEGEL und Bildsprache – zwei Dinge, die noch vor einiger Zeit nicht unbedingt zusammengehörten. Kann man mittlerweile von einer Bildsprache beim Spiegel sprechen?
Ich finde die Bezeichnung „Bildsprache“, bei so genannten „General Interest“-Magazinen schwierig. Aber die Auswahl der Bilder ist bewusster, das ist ja längst bei allen Wochenmagazinen so – sie wollen überraschen und nicht nachgesagt bekommen, Dinge nur nachzuerzählen. Sicherlich aber auch durch die veränderte Erwartungshaltung des Lesers; Leser wollen heutzutage nicht einfach nur Belegbebilderung, sondern für das Geld, was sie zahlen, wollen sie einen Mehrwert bzw. mehr, als reine Information – sie wollen über die Bilder in den Artikel reingezogen werden. Man muss Artikel anders verkaufen heutzutage, damit Leser überhaupt dranbleiben.

Meinst du, dass es etwas mit der Online-Ausgabe, dem SPON, zu tun hat? Dort wird mit Fotos noch mal anders umgegangen – haben sich die Sehgewohnheiten dadurch auch für die Printausgabe verändert?
Es wächst, glaube ich, gerade erst zusammen. Online und Print haben bislang ganz wenig miteinander zu tun. Wir im Print haben mehr mit der App, also mit der digitalen Ausgabe des SPIEGEL, wo auch verstärkt mit Fotostrecken, Fotoessays und sonstigen Erweiterungen viel gemacht wird, zu tun. Dass sich Print und Online gegenseitig beeinflussen, fängt zumindest beim SPIEGEL jetzt grade erst langsam an …

Als du mit der Bildredaktionsklasse anfingst, hattest du einen Plan, eine Idee, warum du’s machen wolltest?
Ich fand das Feld für mich spannend. Die Textarbeit, die ich durch mein Studium der Sozialwissenschaft kannte und meine Begeisterung und Interesse an Fotografie und Fotojournalismus – da wollte ich einen Weg finden, das miteinander zu verbinden. Wie das geht, hat mir dann die Ausbildung tatsächlich gezeigt. Ich bin also ziemlich planlos, aber voller Euphorie ins Jahr reingegangen (lacht).

Was ist eigentlich dein Hintergrund? Was hast du vorher gemacht?
Ich komme aus dem politikwissenschaftlichen Bereich, hab mich aber auch immer viel mit Menschen beschäftigt, auch weil ich Soziologie studiert habe. Mich interessieren dabei die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge bzw. deren optische Umsetzung: Wie macht man Probleme sichtbar, wie macht man Ungleichheit sichtbar, wie macht man gesellschaftliche Entwicklungen sichtbar – das ist, was mich immer interessiert hat und wo ich auch herkomm‘. Deshalb sehe ich mich im politischen Magazinbereich; ich bin schon eher jemand, der an den harten Fakten und an Nachrichten interessiert ist.

Wie lange wird es das Trainee-Programm beim SPIEGEL noch geben?
Das ist ’ne gute Frage … Das hängt ein bisschen davon ab, wie sich der Bedarf an Nachwuchs entwickelt. Momentan ist es so, dass ich wahrscheinlich die Einzige und Letzte sein werde, leider. Andererseits kann es gut sein, dass, wenn die Bildredaktion Nachwuchs braucht, das Programm doch noch weiter läuft, denn „learning by doing“ ist einfach der beste Weg. Man kann auch nicht von heute auf morgen bei einem großen Magazin anfangen, man muss schon in diesen Laden ‚reinwachsen. Deswegen ist es gut, wenn man erst mal an die Hand genommen wird. Ich wurde auch einem Bildredakteur zugeteilt, der mir dann Schritt für Schritt sein Arbeitsfeld erklärt hat – und so bin ich durch die verschiedenen Ressorts gewandert und hab alles kennengelernt.

Und wie geht es bei dir weiter?
(Lacht) Gute Frage! Das hängt von den Entwicklungen ab, die momentan überall im Journalismus vorherrschen. Ich hoffe natürlich, dass ich im politischen Nachrichtenjournalismus bleiben kann, ich würde auch gerne bei einem Magazin bleiben. Aber ich würde es auch als freie Bildredakteurin probieren … Das wird sich 2014 zeigen.

Viel Glück dafür und vielen Dank für das Gespräch!

 

Carla Rosorius, Jahrgang 1988, aufgewachsen in Süddeutschland, studierte Sozialwissenschaften und Kunstgeschichte in Berlin und absolvierte dort im Anschluss 2011/2012 die Klasse Bildredaktion an der Ostkreuzschule für Fotografie. Nach einem dreimonatigen Praktikum beim Süddeutsche Zeitung Magazin in München beginnt sie im September 2012 als Trainee in der Bildredaktion des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL in Hamburg. Carla Rosorius lebt in Hamburg.

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