Nahaufnahme

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotografen/-innen und Dozenten/-innen der Ostkreuzschule über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Diesmal haben wir den Fotografen und OKS-Studenten Johannes Kleinert gebeten, uns einen Einblick in die Entstehung seines Fotos zu geben.

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Foto: Johannes Kleinert

Das Foto habe ich im Sommer 2016 im Rahmen unserer Sommeraufgabe in der Basisklasse an der Ostkreuzschule aufgenommen. Es ist Teil einer Serie, die ich als Interpretation des Liedes „Aber hier leben, nein Danke“ der Band Tocotronic fotografiert habe. Das Thema der Serie, welches sich für mich aus dem Lied ergibt, ist die Gefühlswelt einer Person, die sich an die positiven Momente im Leben und an vertraute Orte erinnert. Die Person will diese Orte erneut aufsuchen, zu den Erinnerungen zurückkehren und begibt sich auf eine Reise danach. Der Protagonist kann diese Momente allerdings nicht mehr nacherleben. Die neu aufgesuchten Orte der Erinnerung sind trist und deprimierend geworden. Er findet keinen Zugang mehr dazu.

Die vorgefundenen Orte können reale Orte aus der Erinnerung der erzählenden Person sein. Genauso ist es möglich, alle Plätze als Metapher für Gefühlszustände und die Reise als Reise ins eigene Ich zu verstehen.

Wie zum Beispiel das Meer. Es steht für mich zunächst als ein „positiv“ besetzter Ort in der Erinnerung des Protagonisten. Ein Ort der zum Verweilen und Erholen einlädt. Die Schaukel in der Mitte des Bildes, Teil eines Kinderspielplatzes, erinnert daran, dass es sich hier um einen Ort handelt, der zu anderen Zeiten gerne von Menschen belebt wurde. Menschen verbringen hier einen Teil ihres Urlaubs, halten sich am Strand auf, spielen mit ihren Kindern und kommen vielleicht mit anderen Strandgästen ins Gespräch.

Einen solchen Platz findet die Person auf ihrer Reise jedoch nicht vor. An diesem stürmischen Tag wirkt das Meer bedrohlich. Das Wasser hat den höchsten Stand der letzten Jahre erreicht. Alles ist überflutet und menschenleer. Dieser Ort könnte im übertragenen Sinne für die abhanden gekommene Lebensfreude der erzählenden Person stehen, die sich in einen deprimierenden Gefühlszustand verwandelt hat.

Das gezeigte Bild ist in Sankt Peter-Ording an der Nordsee entstanden.

Johannes Kleinert  wurde 1989 in Heidelberg geboren. Seit 2016 studiert er an der Ostkreuzschule für Fotografie bei Thomas Sandberg. Er lebt und arbeitet als Fotograf in Berlin.