World Press Photo Awards Days

In der Bildredaktionsklasse der Ostkreuzschule für Fotografie sind die Siegerbilder des World Press Photo oftmals Gegenstand des Unterrichtes. Bei den World Press Photo Awards Days – der Konferenz zur weltweit höchsten und anerkanntesten Auszeichnung in Fotografie und visuellem Journalismus – versammeln sich jedes Jahr im April wichtige Akteure der Branche im frühlingshaften Amsterdam.

Das eng getaktete Programm mit Podiumsdiskussionen, der Ausstellung der Gewinnerfotos, Präsentationen der Preisträger/-innen, The DuPho Sem Presser Lecture, Canon-Night und dem Höhepunkt am Ende der zwei Tage, die Preisverleihungen mit geladenen Gästen, machten die Awards Days zu einer sportlichen Veranstaltung. Es ist eine phantastische Gelegenheit, die ausgezeichneten Fotografen/-innen und Videojournalisten/-innen selbst zu erleben sowie ihre persönlichen Erfahrungen und die Hintergründe über die Entstehung der Arbeiten zu hören.

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Networking und Vorträge im Companietheater in Amsterdam, Fotos: Maritta Iseler

Die Diskussionen waren vielfältig. So ging es um die jeweils aktuellen Entwicklungen von News-, Multimedia- oder Videojournalismus, um die geschäftliche Seite der Fotografie bzw. die Zukunft der Agenturen (im Gespräch waren die CEOs von Panos, Magnum, Noor und Institute) oder um neue Wege des „storytelling“. Einen dieser Wege begeht Kazuma Obara, dessen Serie Exposure den 1. Preis in der Kategorie People gewann. Fünf Monate nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl wurde im Nahe gelegenen Prypjat, Ukraine, Mariya mit einer chronischen Schilddrüsenentzündung geboren. Die Bilder repräsentieren 30 Jahre des Lebens und Leidens Mariyas. Der Fotograf nutzte einen in Prypjat gefundenen, 1995 abgelaufenen, ukrainischen Farbfilm, für dessen Entwicklung die Chemikalien nicht mehr zur Verfügung standen.

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Aus der Serie Exposure, Foto: Kazuma Obara

Nicht nur spiegelte das Programm die Themen, die die Bildberichterstattung 2015 beherrschten. Auch waren Tendenzen bei den Einreichungen Gegenstand der Gespräche. Die von Olivier Laurent (TIME Lightbox) geleitete Diskussionsrunde widmete sich der Wettbewerbsästhetik: Sollte die Welt in Schwarz-Weiß gesehen werden? Im Bereich Langzeitprojekte wurde dieses Jahr eine überwältigende Anzahl derartiger Bilder eingereicht, insgesamt waren es rund 40 Prozent. Für manche ist es nur ein Effekt, für andere eine Vision. Am Rande riet Thomas Borberg (Politiken) den Fotografen/-innen im Übrigen: „Don’t mix it with color“.

Schwarz-Weiß ist auch die berührende, sehr persönliche Arbeit A Life in Death von Nancy Borowick. Sie erhielt den 2. Preis in der Kategorie Long-Term Projects. In ihrem Vortrag fragte die Fotografin zunächst, wer im Publikum schon Erfahrung mit Krebskranken im Familien- oder Freundeskreis hatte. Sie berichtete dann, wie schwierig es war, ihre Eltern zu fotografieren, die beide eine Krebsbehandlung erdulden mussten. Der Verzicht auf Farbe und die Vorstellung, es sei eine Auftragsarbeit, ermöglichten ihr eine gewisse Distanz zu den Schmerzen und den Herausforderungen, denen sich ihre Eltern stellen mussten.

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His and Hers. Aus der Serie A Life in Death, Foto: Nancy Borowick

 

The Kitchen Dance

The Kitchen Dance. Aus der Serie A Life in Death, Foto: Nancy Borowick

Überhaupt klang bei einigen moderierenden Jurymitgliedern durch, wie wichtig der Zugang des Fotografen zu dem jeweiligen Geschehen oder den Menschen ist. Mitten drin waren die beiden Syrer Abd Doumany (2. Preis General News für die Serie Douma’s Children) und Sameer Al-Doumy (1. Preis Spot News für die Serie Aftermath of Airstrikes in Syria), die seit 2013 in der belagerten syrischen Stadt Duma, der größten Oppositionshochburg in der Provinz Damaskus,  fotografieren und dabei ihr Leben riskieren. Beide konnten nicht ausreisen und wurden in Amsterdam von Hasan Mroue (Agence France-Presse) vorgestellt.

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9.12.2015: Ein Mann schiebt sein Fahrrad nach einen Luftangriff durch den Schutt, Hamouria, Syria. Aus der Serie Aftermath of Airstrikes in Syria, 
Foto: Sameer Al-Doumy, Agence France-Press

Dem Fotografen David Guttenfelder wurde in Nordkorea ein seltener Zugang gewährt: Er konnte zwischen 2008 und 2015 rund 40 mal ins Land reisen. Seine Arbeit North Korea: Life in the Cult of Kim (3. Preis Long-Term Procjets) zeigt neben staatsorchestrierten Großveranstaltungen auch selten gesehene Momente aus dem bäuerlichen und soldatischen Alltag, von denen er gerne noch mehr aufgenommen hätte.

At dusk, the skyline of central Pyongyang, North Korea.

12.4.2011: Skyline von Pjönjang. Aus der Serie North Korea: Life in the Cult of Kim, Foto: David Guttenfelder, für The Associated Press / National Geographic / The New York Times

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20.9.2013: Ein Bauarbeiter des Militärs trägt Steine an einem Gebäudeprojekt am Masik Pass. Aus der Serie North Korea: Life in the Cult of Kim, Foto: David Guttenfelder für The Associated Press / National Geographic / The New York Times

Eine spezielle Perspektive präsentierte der US-amerikanische Fotograf Tim Laman. Er zeigte einen Film, der dokumentiert, wie das folgende Foto aus seiner Serie Tough Times for Orangutans entstand (1. Preis Nature) entstand.

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12.8.2015: Ein junger männlicher Orang-Utan klettert 30 Meter in die Höhe, Gunung Palung National Park, Borneo. Aus der Serie Tough Times for Orangutans, Foto: Tim Laman, für National Geographic.

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17.3.2014: Ein junger Sumatra Orang-Utan bedroht ein anderes Männchen im Batang Toru Wald. Aus der Serie Tough Times for Orangutans, Foto: Tim Laman, für National Geographic

Neben diesen Präsentationen der Gewinner 2016 erfuhren die Teilnehmer/-innen, dass die World Press Photo Foundation Partner zweier Kollaborationen ist, die sich intensiv mit Autorenschaft, Kontext und Glaubwürdigkeit im Fotojournalismus beschäftigen: The Bigger Picutre und The Four Corners project – beide wurden in einer ersten Version auf den Awards Days vorgestellt. Mit Hilfe digitaler Technologie werden interaktive Tools entwickelt, die weitergehende Informationen liefern können, wie etwa Copyright, ethische Grundsätze des Urhebers oder weitere existierende Bilder und Videos der fotografierten Situation. Anhand des World Press Photo of the Year von Warren Richardson stellte The Bigger Picture vor, wie Fotografie, Datenanalysen und digitales Storytelling mehr Information liefern kann. Ziel beider Projekte ist es, die ganze Geschichte zu erzählen und nicht nur den Moment, den wir auf dem Foto sehen.

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#Dysturb in Amsterdam. Auf dem Plakat: Emilien Urbano, die Gefangenen von Al-Malikiyah, Syrien, 14.3.2015, Foto: Maritta Iseler

Ein letztes interessantes Projekt soll noch erwähnt sein: Die World Press Photo Foundation arbeitete mit der Bewegung #Dysturb (Mitbegründer sind die Fotografen Pierre Terdjman und Benjamin Girette) zusammen, die visuellen Journalismus im urbanen Stadtraum zugänglich machen. Wie bereits in New York, Paris, Sarajevo, Sydney, Melbourne und Tbilisi wurden in Amsterdam zehn Fotografien in Großformat und Lebensgröße plakatiert.

Die World Press Photo Awards Days finden jedes Jahr im April in Amsterdam statt und sind sehr zu empfehlen.

Beitragsbild: Der Fotograf Abbas während seines Vortrages „Conflicts“, Foto: Frank van Beek / Hollandse Hoogte