„Ohne Sorgen“

In der aff-Galerie in Friedrichshain zeigen die Fotografen/-innen Andrea Diefenbach, Alexander Labrentz, Inga Alice Lauenroth, Marielle Viola Morawitz und Kaja Smith in einer gemeinsamen Ausstellung ihre Arbeiten zum Thema „Kindheit“. Die Ausstellung thematisiert das Heranwachsen als den Lebensabschnitt, der einem als Erwachsener nur noch in einigen, oft verklärten Erinnerungen, als eine Art Mythos zugänglich ist. Alle Fotografen/-innen sind, mit Ausnahme von Andrea Diefenbach, Absolventen/-innen der Ostkreuzschule, Lauenroth und Morawitz zudem Mitglieder der aff-Galerie.

Die Vernissage am Freitag, den 6. Februar 2015 war gut besucht. Musikalisch umrahmt wurde der Abend vom A-capella-Gesang des HardChor „Ella“ und, zu späterer Stunde, von Gitarrenmusik von Schikane Rollte. Ein kleines Highlight des Abends: Es gab Zuckerwatte (nicht nur) für die Kinder. In seiner Laudatio machte der Moderator des Abends, Galeriemitglied Mika Gröber, einen, wie er sagte, „Tour-de-Force-Ritt durch die Ausstellung“ und führte kurz in alle Arbeiten ein.

Ohne Sorgen Vernissage in der aff-Galerie, Foto: Friederike Rother

Ohne Sorgen Vernissage in der aff-Galerie, Foto links oben: Friederike Rother, alle anderen Fotos: Franca Wohlt/aff-Galerie, Personen rechts oben: Alexander Labrentz, Marielle Viola Morawitz, Moderator Mika Gröber, Kaja Smith, Inga Alice Lauenroth

Nachfolgend eine kurze Einführung in die Arbeiten (Anm. der Red.: Textteile zu den einzelnen Bildstrecken wurden sinngemäß dem Pressetext der aff-Galerie entnommen und stützen sich auf die von den Fotografen/-innen zur Verfügung gestellten Informationen):

Die Serie Land ohne Eltern von Andrea Diefenbach thematisiert Arbeitsmigration aus der Republik Moldau und die Folgen für die durch räumliche Distanz zerrissenen Familien. Viele Eltern arbeiten in tausenden Kilometern Distanz, oftmals in Italien, um den Unterhalt für ihre Familie zu erwirtschaften; die Kinder bleiben notgedrungen bei den Großeltern oder anderen Verwandten zurück und müssen früh Verantwortung für sich selbst und jüngere Geschwister übernehmen. Manche Kinder haben ihre Eltern jahrelang nicht gesehen. Andrea Diefenbachs Projekt wurde von der Robert Bosch Stiftung gefördert und erhielt 2007/2008 den Dokumentarfotografie-Förderpreis der Wüstenrot Stiftung. Es erschien als Buch im Kehrer-Verlag Heidelberg.

Catalina. Aus der Serie Land ohne Eltern, Foto: Andrea Diefenbach

Catalina. Aus der Serie Land ohne Eltern, Foto: Andrea Diefenbach

Inga Alice Lauenroth hat in ihrem noch andauernden Projekt Klasse leben seit 2012 eine Klasse der siebten Jahrgangsstufe auf ihren Klassenfahrten begleitet und deren Erlebnisse dokumentiert. Die Schüler kennen sich aus dem Unterricht und doch ist eine Klassenfahrt ein noch viel intensiveres Zusammensein: „Natürlich schleicht man nachts durch die Flure, klopft von außen an die Scheiben der Mädchenzimmer, versteckt sich im Schrank, wenn der Lehrer kommt oder übt sich im Flaschendrehen. Das erste Mal sein Bett selbst richten, sein Geld verwalten, im Badezimmer anstehen, selbst kochen, abwaschen, putzen, im Miteinander Verantwortung tragen, der erste Kuss. Vielleicht sind das die wirklich wichtigen Unterrichtsstunden.“

Aus der Serie Klasse leben, Foto: Inga Alice Lauenroth

Aus der Serie Klasse leben, Foto: Inga Alice Lauenroth

Kaja Smith gibt in Goldkinder einen Einblick in das Schul- und Leistungssportzentrum Berlin, eine der erfolgreichsten und international renommierten Sport-Elite-Schulen Deutschlands. Die Arbeit entstand als Buch im Eigenverlag mit einer Edition von 100 Exemplaren. Die großformatigen Porträts der jüngsten Schüler entstanden in einem Zeitraum von zwei Jahren; Kaja Smith näherte sich dem „Kosmos Sportschule“ mit viel Ruhe und Genauigkeit. Die jungen Athleten und gleichsam Schüler der Gesamtschule haben einen sehr starken Willen und Glauben an sich selbst und verfolgen konsequent und ehrgeizig ihren Traum.

Drago, 14, in der Boxhalle des Schul- und Sportleistungszentrums Berlin. Aus der Serie Goldkinder, Foto: Kaja Smith

Drago, 14, in der Boxhalle des Schul- und Sportleistungszentrums Berlin. Aus der Serie Goldkinder, Foto: Kaja Smith

In der Arbeit Imagination of a child named Marielle geht es um eine Verbildlichung einer naiven Vorstellung des eigenen Erwachsenenlebens. Marielle Viola Morawitz beschäftigte sich mit der Traumwelt von Kindern, wenn sie mit Puppen und ihrem Puppenhaus spielen und dabei Alltagssituationen und ihre Vorstellungen vom Erwachsenenleben nachspielen. In Morawitz‘ Projekt ist sie selbst die Erwachsene, die vor der Kulisse des Puppenhauses all die Tätigkeiten im Haushalt ausführt, die sie sich als Kind als Erwachsenen-Leben vorgestellt hatte. Die kindlichen Projektionen erscheinen bei näherer Betrachtung im Kontext der Gegenwart als trügerisch.

Aus der Serie Imagination of a child named Marielle, Foto: Marielle Viola Morawitz

Aus der Serie Imagination of a child named Marielle, Foto: Marielle Viola Morawitz

Alexander Labrentz begleitet in Phoenixzeit Heranwachsende auf ihrem Weg vom Jungen zum Mann. Die „Phoenixzeit“ ist ein von Männern geleitetes, pädagogisches Angebot, um Jungen in der Pubertät auf ihrem Weg zu unterstützen, sich von den Eltern zu lösen und Selbstbewusstsein zu entwickeln. In einem Zeitraum über ein halbes Jahr gibt es verschiedene Treffen zu Themen wie Familie, Körper, Liebe, Rausch und Grenzerfahrungen. Die Jungen sollen darin bestärkt werden, sich selbst zu finden und ihre eigenen Lebensentwürfe zu gestalten. Ein fünftägiges Outdoor-Camp mit einem Tag allein in der Natur und einem Übergangsritual sind der Höhepunkt der Phoenixzeit. Das Angebot, hauptsächlich verortet im Raum Berlin, orientiert sich an dem Wissen, dass es in archaischen Kulturen die Initiation ins Erwachsenenleben gab und dieses Ritual in der modernen westlichen Gesellschaft verloren ging, nicht aber die Sehnsucht nach und vielleicht auch die Notwendigkeit zu etwas vergleichbarem.

Aus der Serie Phoenixzeit, Foto: Alexander Labrentz

Aus der Serie Phoenixzeit, Foto: Alexander Labrentz

„Der Besucheransturm zur Vernissage und die vielen Gespräche mit durchweg positivem Feedback waren für uns überwältigend. Auch zu unseren regulären Öffnungszeiten wird die Ausstellung bisher gut besucht. Unser Tipp: Am 21. 02. wird Alexander Labrentz anwesend sein und zum Künstlergespräch bereitstehen.“, resümiert Marielle Viola Morawitz vom aff-Galerie-Team.

Die Ausstellung ist noch bis zum 1. März 2015 zu sehen.

Wo: aff-Galerie, Kochhannsstraße 14, 10249 Berlin-Friedrichshain

Wann: Freitag, 16-19 Uhr, Samstag und Sonntag, 15-18 Uhr