„Flashback“ – der Nachhall des Krieges

Ina Schoenenburg fotografierte über einen Zeitraum von einem Jahr deutsche Soldaten mit posttraumatischer Belastungsstörung. Erstmalig ist ihre Arbeit Flashback, die für den Otto-Steinert-Preis 2013 nominiert war und für die sie ein Stipendium der VG Bild-Kunst erhalten hat, in den Ausstellungsräumen der exp12 in Berlin zu sehen. 

Vernissage in der Galerie exp12 mit Ina Schoenenburg und den Protagonisten ihrer Arbeit Flashback, Fotos: Friederike Göckeler

Vernissage in der Galerie exp12 mit Ina Schoenenburg und den Protagonisten ihrer Arbeit Flashback,
Fotos: Friederike Göckeler

Ina Schoenenburg thematisiert in ihrer Serie Flashback das Leiden traumatisierter deutscher Soldaten, das lange Zeit im Schatten grundsätzlicher Debatten über Auslandseinsätze der Bundeswehr stand. Erst 2010, als die Öffentlichkeit nach dem tödlichen Gefecht von Kunduz erstmals von Krieg statt von Kampfeinsatz sprach, wurden Soldaten/-innen als Betroffene wahrgenommen. Dennoch fehlt den meisten Menschen das Wissen und der Zugang zur Situation der in Krisengebieten eingesetzten jungen Männer und Frauen.

„Die allermeisten unter uns kennen den Krieg nur aus der Ferne“, sagt Murat Suner (Mitbegründer des Magazins Traffic sowie Mitglied von fairplanet) in seiner treffenden Ansprache. „Obwohl wir in Deutschland in einem Land leben, dass auf den Trümmern zweier Weltkriege errichtet wurde […]. Der Krieg, den wir aus Geschichtsbüchern und Medien kennen, ist einer von Gefallenen und zivilen Opfern, die meist keine Namen haben. Sie werden benannt in Zahlen: 17 Millionen im Ersten Weltkrieg, über 50 Millionen im Zweiten, 500.000 Tote im Irakkrieg, bisher 140.000 in Syrien. Diese Zahlen erschrecken, aber sie lassen uns nicht verstehen, was es bedeutet, Teil einer Kriegshandlung zu sein. Wir, die das Glück haben, dies nicht zu sein, brauchen ein Narrativ, die Bilder, die uns von Schicksalen erzählen.“

Kriegs- und Krisenfotografie rückt zumeist den Konflikt vor Ort in den Fokus. Flashback geht über diese Sehgewohnheit hinaus und zeigt das seelische Ausmaß von Gewalt – und das über Kriegsgebiete hinaus. Die Fotografin Ina Schoenenburg beleuchtet das Leben danach, nach einem Kriegseinsatz. Ein Leben, das nicht mehr so richtig in die Normalität unserer heilen Alltagswelt passen will. Denn einstmals Vertrautes ist plötzlich fremd, das gesellschaftliche Wertesystem von Humanität zerstört und die eigene Realität unwirklich geworden. Was das für die Verortung der eigenen Identität bedeutet, für die zurückgelassenen Familien, ist den meisten Menschen nicht bewusst.

Über einen Zeitraum von einem Jahr begleitete die Fotografin das häusliche, soziale und alltägliche Umfeld von vier Soldaten, die alle in Afghanistan stationiert waren. An der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan und Usbekistan waren bis zum 7. Mai 2013 insgesamt 4.299 deutsche Soldaten/-innen beteiligt. Bei diesem Einsatz kamen 53 Bundeswehrangehörige ums Leben (Stand: Mai 2013). Noch 2011 wurden 759 ISAF-Soldaten/-innen in Deutschland wegen einer einsatzbedingten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in Bundeswehrkrankenhäusern behandelt.

Ina Schoenenburg lernt 2013 über den Bund Deutscher Veteranen die Soldaten Frank, Uwe, Philipp, Markus und ihre Familienangehörigen kennen. Die traumatischen Erinnerungen an Tod und Verstümmelung schleichen sich unkontrolliert in ihren Alltag. Die PTBS der Soldaten/-innen ist in der Regel eine Folgeerscheinung eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse während des Auslandseinsatzes. Die an PTBS erkrankten Soldaten/innen leiden unter wiederkehrenden Erinnerungen an das belastende Ereignis, genannt Flashback-Erinnerungen. Symptomatisch ist, dass sie sich aus der Gesellschaft zurückziehen, sich von Anderen entfremden, zur Schreckhaftigkeit neigen, übermäßig wachsam sind und nachts nicht mehr durchschlafen können. Der normale Alltag überfordert sie und ist zu einer Art innerem Schlachtfeld geworden. Oftmals führt dies zu einer resignativen Grundstimmung und sozialen Isolation. Für manche ist Suizid der einzige Ausweg.

Ludwigshafen, April 2013 - Soldat mit seiner Frau am Eingang ihres Hauses, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, April 2013 – Soldat mit seiner Frau am Eingang ihres Hauses, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, Januar 2014 - Tochter eines Soldaten im Wohnzimmer des Elternhauses und ein Moment der Zärtlichkeit, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, Januar 2014 – Tochter eines Soldaten im Wohnzimmer des Elternhauses und ein Moment der Zärtlichkeit, Fotografin: Ina Schoenenburg

Nur mit psychologischer Unterstützung kann ein Teil der Flashbacks kontrolliert werden. Erst zwei Jahre nach dem Einsatz haben Uwe, seine Frau Alex und seine zwei Töchter professionelle Hilfe bekommen. „Wir waren alle überfordert mit der Situation und fühlten uns alleingelassen. Unser gemeinsames Leben ist ein komplett anderes geworden“, sagt Alex. An Familienfeiern und netten Grillabenden mit Freunden blieb Uwe zu Hause. Der Geruch von verbranntem Fleisch lähmte ihn. Normale Alltagssituationen, die für uns mit Freude und Vergnügen assoziiert werden, machen Menschen mit PTBS plötzlich Angst, auch weil der Auslöser zunächst unersichtlich bleibt. Der Kontrollverlust über den eigenen Körper ist zum Teil unerträglich. Hier ist dringend Aufklärungsarbeit gefordert und das, bevor die Entscheidung fällt, Berufssoldat/-in zu werden.

Ludwigshafen, April 2013 - Soldat und seine Frau bei einem Spaziergang, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, April 2013 – Soldat und seine Frau bei einem Spaziergang, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, Januar 2014 - Frau eines Soldaten mit ihrer Tochter vor ihrem Haus, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, Januar 2014 – Frau eines Soldaten mit ihrer Tochter vor ihrem Haus, Fotografin: Ina Schoenenburg

Uwe zündet sich eine Zigarette an, streichelt über den weichen Kopf von Theraphiehund Saphira, die sich schützend vor Uwes Füße legt und sagt: „Mein Hund hat mir geholfen, mich wieder halbwegs angstfrei im Alltag bewegen zu können. Der Uwe aber, der damals gegangen ist, den gibt es jetzt nicht mehr!“

Die Bilder der Serie Flashback sind erzählerische Momentaufnahmen und hinterfragen das stereotype Bild des starken, funktionierenden Soldaten. Ina Schoenenburg ging es vor allem darum, diesen Soldaten Respekt zu zollen und die seelische Verwundbarkeit im scheinbar Starken zu visualisieren. Und genau das ist es, was ihre Arbeiten ausmacht, sie berühren einfach! „Fotografieren ist mir ein einfaches Bedürfnis“, sagt Ina, „meine Bilder sollen einen da abholen, wo sie Gefühle erzeugen und Fragen aufwerfen.“

Ludwigshafen, Januar 2014 - Schatten eines Soldaten und seines Therapiehundes, Fotografin: Ina Schoenenburg

Ludwigshafen, Januar 2014 – Schatten eines Soldaten und seines Therapiehundes, Fotografin: Ina Schoenenburg

„exp12“, Greifswalder Straße 217, 10405 Berlin | 06. Juni 2014 – 13. Juli 2014 |  Sa 16-20 Uhr, So 14-18 Uhr

Ina Schoenenburg wurde 1979 in Berlin geboren und studierte Architektur an der TFH Berlin. 2012 hat sie ihr Studium an der Ostkreuzschule bei Sybille Fendt mit der Arbeit “Blickwechsel” abgeschlossen. Sie ist eine der 12 Mitglieder der Galerie für zeitgenössische Fotografie „exp12“.

www.inaschoenenburg.de