„Final Walk“ – eine visuelle Zeitreise

Sabine von Breunig, Meisterschülerin in der letzten Klasse von Arno Fischer an der Ostkreuzschule, hat in den Jahren 2010–13 die Ruine des früheren Oberkommandos der russischen Streitkräfte in Deutschland und das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Berlin fotografiert. Am 15. Mai 2014 eröffnete nun eine Ausstellung mit etwa fünfzig dieser Arbeiten in der GALERIE im RATHAUS TEMPELHOF.

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Ausstellungseröffnung mit der Fotografin Sabine von Breunig, Einführung von der Galerieleiterin Barbara Esch Marowski und dem Kunsthistoriker Dr. Matthias Harder, Fotos: Mandy Böttcher

 

Dr. Matthias Harder (Helmut Newton Stiftung) schloss seine Rede zu den Fotografien Sabine von Breunigs mit der Bemerkung „als Chronistin schickt sie uns auf eine Zeitreise“. Es ist eine visuelle Zeitreise in die unter Kaiser Wilhelm II. 1914 errichtete militärische Sperrzone Zossen/Wünsdorf. Hier entstand für muslimische Gefangene die erste Moschee Deutschlands, verbunkerte sich im Zweiten Weltkrieg das Oberkommando der Wehrmacht und hier war schließlich fast 50 Jahre lang das Hauptquartier der Sowjetarmee. Auf der anderen Seite führt die Reise in die seit 1994 verlassenen Räume der amerikanischen Streitkräfte an der Berliner Clayallee; als Verwaltungs- und Kasernenkomplex in den Jahren 1936–38 errichtet, wurde er zum Lagezentrum der westlichen Verbündeten, von wo aus man 1948/49 während der Blockade West-Berlins die Luftbrücke organisierte.

Sabine von Breunig spiegelt in ihren Fotografien diese Geschichte. 2014 jährt sich der Abzug der Alliierten Truppen aus Deutschland zum zwanzigsten Mal. Übrig blieben verblichener Prunk, Reste von Einrichtungsgegenständen, etwa Vorhänge oder Kommunikationssysteme, herabblätternde Ölfarbe, Wandbilder, Fototapeten, vernagelte Fenster und offen stehende Türen – die Fotografin gibt uns Durch- und Einblicke, das subtile Licht unterstreicht den Verfall und die Verlassenheit. Matthias Flügge (Hochschule für Bildende Künste, Dresden) schreibt in einem Aufsatz über die Fotografien: „Sie zeigen Vergangenes und sind doch reale Gegenwart. Man könnte meinen, sie folgten einem ausschließlich dokumentarischen Interesse. Doch sie sind bei genauem Hinsehen ein eindringlicher Essay über die Erinnerung und über das Vergessen.“

Zurecht wies Matthias Flügge auf Paul Cézanne, der meinte:
„Man muss sich beeilen, wenn man etwas sehen will. Alles verschwindet.“

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Personalamt für Zivilangestellte, Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte, Berlin/Clayallee

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Militärischer Geheimdienst, Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte, Berlin/Clayallee

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Militärgouverneur, Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte, Berlin/Clayallee

Stabsgebäude, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Stabsgebäude, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Schulverwaltung, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Schulverwaltung, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Küche, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Küche, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Villa des Stabchefs, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Villa des Stabchefs, Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, Zossen/Wünsdorf

Ort: GALERIE im RATHAUS TEMPELHOF, Tempelhofer Damm 165, 12099 Berlin
Ausstellungsdauer: 16. Mai – 01. August 2014

Die Bilder aus der Sperrzone Zossen/Wünsdorf sind im Buch „Geisterstadt“ publiziert, das vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels für den Fotobuchpreis 2014 nominiert wurde; zur Ausstellung ist ein weiterer Bildband erschienen, beide Edition Braus.

Sabine von Breunig war zunächst als Journalistin tätig, absolvierte ein Volontariat bei Heiner Leiska, Hamburg, und arbeitet seit 2001 als freie Fotografin mit dem Schwerpunkt Interieur und Architektur, unter anderem 2006 „Hohenschönhausen“ oder 2008 „B(P)allast der Republik“. Von 2008–2011 war sie Schülerin in der letzten Meisterklasse von Arno Fischer an der OKS. Ihre Arbeit „Schlachthaus“ wurde im Rahmen der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg gezeigt, einige Fotografien aus „Geisterstadt“ waren bereits in der Ausstellung der Meisterklasse Arno Fischer „Siehste, jeht doch?“ zu sehen.