Inside Photo Editing

Absolventen der OKS, die als Bildredakteur_in bei einer Zeitung, einem Magazin, einer Bildagentur etc. arbeiten, geben einen Einblick in den Prozess von der Idee zur Veröffentlichung.

Ein Gespräch mit:

Frank Schirrmeister, Bildredakteur

Quelle: Privat

Quelle: Privat

 

Einige Wochen vor Ostern gab es einen Aufruf an die Ostkreuzstudent_innen, eine Bildstrecke zu den „7 Todsünden“ einzureichen, die in einer Osterbeilage der Tageszeitung „neues deutschland“ veröffentlicht werden sollte. Wir als Bildredaktionsklasse wollten wissen, wie der Prozess von der Idee bis zur endgültigen Umsetzung ablief. Wir sprachen mit Frank Schirrmeister über das Editing und das Ergebnis.

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links: „Idioten“ (1998) von Lars von Trier. Foto: Imago/United Archives
rechts: „Amadeus“ (1984) von Miloš Forman. Foto: Verleih

 

OKS-lab: Das Briefing an die Ostkreuzstudent_innen lautete, für eine Osterbeilage zu den 7 Todsünden sieben Bilder als „in sich konsistente, zusammenhängende Bildstrecke“ zu fotografieren. Das Ergebnis besteht nun aus zwei Konzepten: Es wurden Film-Stills mit Streetart-Bildern kombiniert.
Wie kam es dazu und wie genau verlief der Prozess von der Idee bis zum Ergebnis?
Frank Schirrmeister: Die Chefredaktion hat das Thema, Die 7 Todsünden, festgelegt. Dabei geht es natürlich in erster Linie um die Texte. Dann stand die Frage im Raum, wie wir die Bildstrecke dazu umsetzen. Ich hatte dann die Idee, an der Ostkreuzschule anzufragen, weil ich seit Längerem schon überlegt hatte, wie man den Kontakt herstellen und eine Zusammenarbeit in die Wege leiten kann. Wir haben dann eine Mail an die Ostkreuzstudent_innen geschrieben, aber das war sehr kurzfristig. Wir hätten uns das wesentlich früher überlegen müssen. Insofern war die Resonanz ziemlich gering. Es kam eigentlich nur eine Antwort und die fanden wir nicht passend. Es waren gute Bilder, aber sie passten nicht in unser Ideengerüst. Das heißt, wir standen wieder am Anfang und es kam die Idee, die 7 Todsünden mit Bildern aus der Bildenden Kunst darzustellen. Die haben wir aber relativ schnell wieder verworfen. Es erschien uns nicht passend, zu banal und als eigenständige Leistung nicht ausreichend. Und vor allem hast du bei aktuellerer Kunst auch oft ein Problem mit den Bildrechten.

Dann kam die Idee mit den Film-Stills. Allerdings war die Auswahl sehr schwierig, weil jeder einen anderen Filmkanon im Kopf hat und weil der Film funktionieren muss. Er muss im kollektiven Bewusstsein verankert sein, damit jeder weiß, worum es geht. Als zweites muss eben auch das Bild selbst funktionieren. Es muss als eigenständiges Bild für sich stehen können. Als Beispiel dazu: das Foto zum Film Amadeus, den erstaunlich viele gar nicht kannten. Als Film fiel er mir relativ schnell ein, nur braucht man eben auch genau das Bild, in dem die Konfrontation zwischen Salieri und Mozart sichtbar wird und das war ziemlich schwierig zu finden. Falling down fiel mir relativ früh ein. Der ist zwar aus den Neunzigern, das ist aber kein Problem, da wir eine eher ältere Leser_innenschaft haben.

Zu diesem Zeitpunkt hattet ihr noch vor, nur mit Film-Stills zu arbeiten?
Ja, aber parallel gab es auch noch einen Bildvorschlag von dem Fotografen Jürgen Holtfreter, zu dem wir Kontakt aufgenommen haben. Das ist die Streetart-Serie. Es wurde dann entschieden, dass die auch mit rein soll.
Um eine Konsistenz herzustellen, hätte ich mich nur für ein Thema entschieden und vielleicht noch ein paar mehr Filmbilder dazu genommen oder es einfach nur bei diesen sieben Bildern in dieser Größe belassen. Jetzt sind es zwei Konzepte. Ich weiß nicht, ob es miteinander funktioniert, aber das sind eben Entscheidungen, denen ich mich dann auch beugen muss. Drei bis vier Wochen vor dem Erscheinungstermin hatten wir dann die entscheidende Sitzung: Da hatten wir dann den Tisch voller Bilder und haben eine Auswahl getroffen.

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Foto links/mitte: Jürgen Holtfreter
Foto rechts: Barbara Hallama aka BarbNerdy

Wer war an dieser Sitzung beteiligt?
Wir beiden Bildredakteur_innen, die beiden Layouter und der Chefredakteur. Mehr nicht.

Wer ist generell in diesen Entscheidungsprozess mit eingebunden und wie läuft die Zusammenarbeit untereinander ab?
Wir arbeiten in der Regel so, dass der Redakteur aus dem jeweiligen Ressort uns sein Thema sagt und im besten Fall auch, ob er schon eine Bildidee hat. Dann gehen wir auf die Suche und haben dafür zahllose Bilderquellen: von Nachrichtenagenturen über Stock-Agenturen und historische Archive bis hin zu selbstgeschossenen Bildern von den Autor_innen. Wir erstellen eine Auswahl von drei bis fünf, sechs, sieben Bildern, je nach Thema, und die legen wir dann dem Redakteur vor und beraten uns mit ihm. Die endgültige Entscheidung liegt dann beim Redakteur. Das erfordert natürlich, dass er auch ein gewisses Bildverständnis hat. Letztendlich kommt dann noch das Layout dazu. Der Redakteur geht mit seinem Text und mit seinen Bildern, wenn er die schon hat, zum Layouter und bespricht mit dem das Layout der Seite. Das Layout ist eine ganz wichtige Ebene, auf der sich dann Bildideen in Luft auflösen oder andere Bilder ins Spiel kommen.
Dazu kommt natürlich auch die Kostenebene, die immer beachtet werden muss. Bilder auswählen bedeutet natürlich immer auch, die Kostenfrage im Blick zu behalten. Also, es gibt Nachrichtenagenturen, die wir abonniert haben. Da zahlen wir eine Flatrate, das heißt: Wir können so viele Bilder nehmen, wie wir wollen. Aber ansonsten muss man sehr genau darauf achten, wie viel man für ein Bild ausgibt und ob man es eventuell auch günstiger oder sogar umsonst kriegen kann.

Und in welchen Situationen gehst du solche Wege wie den über die Ostkreuzschule?
Das sind dann immer Sonderbeilagen… Extrabeilagen… Osterbeilage oder Weihnachtsbeilage… – da kann man das längerfristig planen und strategisch rangehen. Aber für das Tagesgeschäft wäre das nicht geeignet – da muss man von heute auf morgen die Bilder finden.

Welche Wege gehst du noch, wenn du mehr Zeit für die Recherche hast?
Das hängt von der Thematik ab. Im Nachrichtenteil gibt es eigentlich keine anderen Möglichkeiten, außer, bei Nachrichtenagenturen zu suchen. Wenn ich Zeit habe, dann recherchiere ich auch einfach mal frei im Netz und finde manchmal etwas. Letzte Woche habe ich zum Beispiel Bilder gefunden und sie unserem Chefredakteur geschickt. Dann kommt irgendwann der Tag, an dem diese Bilder passen. Man muss schon wissen, was so läuft und sich verschiedene Blogs anschauen. Man bekommt durchaus auch Bilder zugeschickt. Allerdings nicht so viele und gute, wie ich mir wünschen würde.

Wie würdest du die Beziehung zwischen Text und Bild speziell bei einer Tageszeitung beschreiben?
Bei einer Tageszeitung hast du beides. Du hast den Nachrichtenteil, der illustriert werden will. Natürlich kann man auch da eine eigene Bildsprache entwickeln und mit Bildern arbeiten, also mit abstrakten Bildern oder Symbolbildern. Trotzdem würde ich im Nachrichtenteil doch eher die Aufgabe sehen, die Nachricht zu bebildern, ohne mich dabei künstlerisch selbst zu verwirklichen – das kann man dann im Feuillton machen.
Darüber hinaus finde ich auch die Bildunterschriften nicht unwesentlich. Bildunterschriften sind für eine Tageszeitung durchaus wichtig: Man kann das Bild noch mal auf eine ganz eigene Ebene heben, wenn die Bildunterschrift gut ist, wenn sie eloquent ist, wenn sie vielleicht auch witzig oder ironisch ist. Eine Bildunterschrift kann das Bild noch mal verstärken. Ein Kritiker könnte sagen, dass ein Bild sich immer selbst erklären muss. Das finde ich aber nicht. Ich denke, dass die Texte die Bilder einfach sehr gut ergänzen und auch noch mal eine eigene Funktion haben und das Bild noch mal unterfüttern, mit einer intellektuellen Basis. Ansonsten hat ein Bild in einer Zeitung die Aufgabe, Informationen zu liefern, und eine Layout-Funktion – aber natürlich auch eine ganz eigenständige Funktion.

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links: „Bonnie und Clyde“ (1967) von Arthur Penn. Foto: Imago/United Archives
rechts: „Falling Down“ (1993) von Joel Schumacher. Foto: Imago/Entertainment Pictures

In welchen Momenten hast du das Gefühl, dass du kreativ arbeitest?
Der kreative Prozess besteht schon mal darin, die Bilderflut irgendwie zu strukturieren und zu bewältigen. Die drei Ebenen Bildredaktion, Redakteur und Layout müssen miteinander abgestimmt werden. Das ist ein Prozess, der durchaus kreativ sein kann, im Tagesgeschäft aber natürlich einfach auch gemacht werden muss. Das Anstrengende an einer Tageszeitung ist, dass du jeden Tag das gleiche Pensum zu bewältigen hast. Es muss halt jeden Tag die Zeitung fertig werden, um sechs – Inland, Ausland, Feulliton. Da bleibt wenig Zeit, um mal längerfristig und kreativ über Extrabeilagen nachzudenken.

Warum braucht es Menschen, die eine bewusste Auswahl aus der Bilderflut treffen können?
Wir haben das Problem – ich weiß nicht, ob andere Zeitungen das auch haben – dass sehr viele Autor_innen ihre Bilder selber machen. Gerade Fremdautor_innen schicken uns Texte und die Bilder gleich dazu. Die sind aber oft sehr schlecht. Du brauchst einfach jemanden, der weiß, was ein gutes Bild ist und der weiß, wie ein Bild funktioniert. Das Wissen darum ist nicht so verbreitet, wie man als Bildredakteur denken könnte.

Wann funktioniert für dich ein Bild? Was muss ein Bild können?
Ich bin ja Schüler von Ute Mahler und von ihr habe ich gelernt, was ich auch für mich als Definition annehmen kann und immer so gesehen habe. Also, mal vorausgesetzt, ein Bild funktioniert schon mal ästhetisch, im Bildaufbau, in der Komposition – dann finde ich, ein gutes Bild ist eines, das dich auf eine Weise irritiert… was einen Moment hervorruft, wo du dich fragst, was da gerade passiert und du deshalb näher und intensiver hinschaust… wenn eine Ebene darin enthalten ist, die sich nicht sofort erklärt. Dann ist es ein gutes Bild, finde ich – also eines, das dich neugierig macht.

Warum wünschen wir Leser_innen uns Bilder zu den Texten?
Ich glaube, dass Bilder die ganz profane Funktion haben, einen Text aufzulockern. Bilder erleichtern es uns, sich einen Text zu erschließen. Tageszeitungen neigen oft zu Bleiwüsten, weil es immer wichtige Sachen zu berichten gibt. Und eine ganze Seite Text, ohne Bild – da würde man sofort resignieren.

Also das Bild als eine Art Entspannungsmoment?
Genau. Ja, ein Entspannungsmoment.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Hier die gesamte Osterbeilage als PDF.

Frank Schirrmeister ist Bildredakteur bei der Tageszeitung „neues deutschland“.
Er studierte Fotografie bei Ute Mahler an der Ostkreuzschule. 2007 machte er seinen Abschluss. Bevor er zur Bildredaktion fand, arbeitete er als freier Fotograf.

Hier geht’s zu seiner Website.

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