OKS-lab fragt …

In der Serie «OKS-lab fragt … » beantworten Dozenten, Fotografen, Macher und Absolventen der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie, zur Lebensart.

Ein Gespräch mit:

Bernd Dinkel, Bildredakteur

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Bernd Dinkel, Foto: Ralf Gellert

 

OKS: Kommen wir gleich zu unserer meistgehassten Lieblingsfrage: Was macht, deiner Meinung nach, ein gutes Bild aus?
Bernd Dinkel: (Denkt kurz nach) Ich find‘s spannend, dass bei der Wahrnehmung von Bildern zunächst unser bewusstes Denken umgangen wird. Visuelle Reize wirken direkt über Emotionalisierung und so entscheidet sich im Bruchteil einer Sekunde, ob ein Bild funktioniert oder nicht. Ein gutes Bild erregt also die Aufmerksamkeit des Betrachters und berührt. Des Weiteren steht ein gutes Bild für mich im Kontext einer Geschichte und lässt mich somit unmittelbar an ihr teilhaben. Das Abgebildete stellt Fragen, die mein Interesse vertiefen, mehr über die Zusammenhänge der Situation zu erfahren.

Der Betrachter tritt quasi mit dem Bild in einen Prozess?
Genau. Dieser Prozess funktioniert am besten über Motive, auf denen Menschen zu sehen sind, denn als Mensch besitzen wir die Fähigkeit der Empathie, eine elementare Grundlage unseres sozialen Zusammenlebens – deshalb reagieren wir auch stärker auf Motive, auf denen Menschen abgebildet sind. Wir versetzen uns automatisch in die Situation unserer Mitmenschen und können deren Gefühle teilen und verstehen. Natürlich sollte das Bild auch auf ästhetischer Ebene sowie durch Bildaufbau, Perspektive etc. funktionieren. Allerdings finde ich es etwas schade, dass Bilder heute immer häufiger ästhetisch überdreht werden, um so, trotz schwachen Inhalts, Aufmerksamkeit zu generieren.

Du beschäftigst dich seit vielen Jahren mit Fotografie. Wie ist dein Werdegang?
Nach meinem Abschluss als Fotograf wollte ich ursprünglich als Fotojournalist arbeiten. Deshalb habe ich ein Praktikum bei GEO angeschlossen, denn ich wollte herausfinden, wie eine Redaktion funktioniert und wie erfolgreiche Fotografen arbeiten. In den folgenden Jahren habe ich dann das digitale Bildarchiv, den Bereich Bildtechnik und den digitalen Bild-Workflow bei GEO aufgebaut und als technischer Berater für die Bildredakteure und die GEO-Fotografen gearbeitet. Darüber bin ich dann zur Bildredaktion gekommen und habe die letzten fünf Jahre für GEO und GEO-Special als Bildredakteur gearbeitet. Es hat zwar ausgesprochenen Spaß gemacht, Reportagen, Portraits und auch konzeptionelle Fotostrecken aus einem umfangreichen Themenbereich für eines der wenigen, wie ich finde, verbliebenen Qualitätsmedien zu produzieren – was mich dabei allerdings immer etwas quälte, waren die meist guten, aber viel zu langen Texte (lacht). Vor circa eineinhalb Jahren habe ich dann beschlossen, mich noch einmal zu verändern. Seitdem arbeite ich als freiberuflicher Bildredakteur, Dozent und als technischer Berater für Redaktionen und Agenturen.

Hast du dich bewusst anfangs für das Handwerk entschieden?
Ja. Im Vergleich zum Studium bietet die Ausbildung zum Fotografen zwar weniger Freiraum zur eigenen Entfaltung, andererseits lernt man handwerkliche und technische Grundlagen, die im Studium weniger vermittelt werden. Im Rückblick bin ich sehr froh, mich gerade in der Transformationszeit von analoger zu digitaler Fotografie für das Handwerk entschieden zu haben. So baut mein Verständnis für digitale Fotografie und Bildtechnik auf den analogen Grundlagen auf. Für dieses Wissen bin ich wirklich sehr dankbar. Im Bereich der digitalen Medienproduktion zu arbeiten und redaktionelle Prozesse aufzubauen war für mich eine weitere wichtige Erfahrung. Allerdings war mir auch ziemlich bald klar, dass ich wieder in den redaktionellen Bereich wechseln wollte. Mein Interesse galt immer den Inhalten, den Geschichten.

Du sprichst von einer „Transformationszeit“; wie siehst du diese Zeit heute?
Wie bei vielen technischen Neuerungen herrschte auch in der Anfangszeit der digitalen Fotografie allgemein eine große Unsicherheit. Natürlich konnte es sich ein Magazin wie GEO nicht leisten, den hohen Qualitätsstandard der Fotografie durch eine mangelhafte Digitaltechnik aufs Spiel zu setzen. Es war also eine sehr spannende, aber teils auch recht mühsame Zeit, da sich fast alle Arbeitsschritte in der Heft-Produktion grundlegend veränderten und dies nicht immer auf Begeisterung bei den Kollegen stieß.
Ich bin der Meinung, dass Technik immer nur ein Mittel zum Zweck sein sollte, nur leider hat sich der Stellenwert der Technik im Journalismus oftmals zum Nachteil des Inhalts entwickelt. Die Anforderungen an einen Multimedia-Journalisten werden immer komplexer. Diese beinhalten oft Ideenentwicklung, Recherche, Produktion von Text, Foto, Video und Ton und werden beispielsweise weitaus geringer vergütet, als etwa die Arbeit eines IT-Spezialisten, der Webseiten betreut. Diese Entwicklung ist wahrscheinlich unumkehrbar und trägt, neben kostenlosen journalistischen Inhalten im Internet, weiter zur Entwertung des Journalismus bei.

Welchen Rat aus der Praxis kannst du jungen Bildredakteuren und Fotografen mit auf den Weg geben?
Angesichts der aktuellen Lage in der Medienbranche fällt es mir immer schwerer, guten Rat weiter zu geben, denn, ehrlich gesagt, hat die Stimmung in der Branche nach meiner Wahrnehmung einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Wer sich heute trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds dafür entscheidet, Fotograf oder Bildredakteur zu werden, sollte unbedingt vorab ausreichend Erfahrung durch Praktika und Volontariate sammeln. Es ist ungemein hilfreich, sich sein eigenes Bild von den Rahmenbedingungen zu machen und eine eigene Vorstellung der Branchenrealität zu entwickeln. Auf dieser Basis lässt es sich dann leichter entscheiden, ob man seine Zukunft im Journalismus sieht oder eher anderswo. Wer sich bereits dafür entschieden hat, der sollte also wissen, was auf ihn zukommt und was sie/er nicht erwarten kann. Ich denke, dass sich die Arbeitsbedingungen für Fotografen und Bildredakteure in Zukunft noch weiter verschärfen werden. Fotografen und Bildredakteure werden sicher nicht aussterben, aber alle werden eines gemeinsam haben: Sie werden unter zunehmendem Druck arbeiten müssen, denn die Verlage werden immer weiter an der Kostenschraube drehen. Durch eine zielgerichtete Karriereplanung, ein gutes Netzwerk und etwas Glück lässt sich aber sicher eine Nische außerhalb dieser Spirale finden. Wer freiberuflich arbeitet, wird seinen Lebensunterhalt durch Tätigkeiten in verschieden Bereichen sichern müssen. Dies hat aber auch den Vorteil, dass man flexibel bleibt und durch Abwechslung und den Spaß an der Fotografie belohnt wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Bernd Dinkel ist ausgebildeter Fotograf, seit über zwölf Jahren im Verlagswesen und in der Medienproduktion sowie als Gastdozent in der Bildredaktionsklasse an der Ostkreuzschule tätig. Von 2002 bis 2012 war er Berater und Bildredakteur für das GEO-Magazin und für GEO-Special; heute arbeitet er in freiberuflicher Tätigkeit als Bildredakteur und Berater in den Bereichen „Redaktioneller Workflow“ und „Digital-Asset-Management“. Bernd Dinkel lebt in Hamburg.

Kontaktaufnahme gerne über: www.visualexperts.de

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