OKS-lab fragt… Max Zerrahn

Dieser Tage erscheint das neue Buch Mit Delfinen schwimmen von Max ZerrahnEr ist als freiberuflicher Fotograf in Berlin tätig und ehemaliger Student der Klasse Bildredaktion 2019/20. Jens Schittenhelm aus der aktuellen Bildredaktionsklasse 2021/22 spricht mit ihm über seine zweite Publikation.

Lieber Max, dein erstes Buch Snake Legs beschäftigte sich fotografisch mit Tokio – dem fernen Osten. Nun ist dein zweites Buch Mit Delfinen schwimmen erschienen. Darin wirfst du deinen Blick durch die Kamera hauptsächlich auf Brandenburg – unseren Osten. Wie kam es dazu?

Ich sehe Mit Delfinen schwimmen in keinster Weise als Corona-Buch – Fakt ist aber, dass natürlich die allgemeine Bewegungs- bzw. Reisefreiheit in den vergangenen 1,5 Jahren extrem eingeschränkt war, weshalb zwangsläufig ein großer Teil der von mir in dieser Zeit gemachten Bilder in dieser Region entstanden ist.

Der Ort selbst steht bei meiner Arbeit aber generell gar nicht so sehr im Fokus, wenngleich er den jeweiligen Projekten natürlich eine gewisse Färbung verleiht. Trotzdem sehe ich Mit Delfinen schwimmen so wenig als ein Buch über Brandenburg oder Berlin, wie ich Snake Legs als ein Buch über Japan begreife.

Du unterteilst dein Buch in 8 Kapitel, wie z.B. „Polarlichter sehen“ oder „Mit Delfinen schwimmen“ – das sind Träume vieler Menschen bzw. Punkte auf der bucket list von vielen. Mit diesen Wünschen im Hinterkopf verändert sich die Betrachtung deiner Bilder…

Was ich an Fotobüchern sehr schätze, ist die Tatsache, dass Fotos die vorher erstmal nur als Einzelbilder existieren, in einen größeren Zusammenhang überführt werden. Das Bild bekommt als Teil einer Serie im Buch, oder im Dialog mit weiteren Bildern auf einer Doppelseite, im besten Fall eine andere Bedeutung bzw. eine andere Gewichtung. Selbiges lässt sich auch über die Paarung mit Text sagen – ungeachtet der Frage, ob wir dabei über länge Textpassagen reden, über eine Caption oder eben über so etwas wie den Buchtitel. Was mich an der Unterteilung in einzelne Kapitel, die jeweils mit einer Überschrift bzw. mit einem „Lebenstraum“ betitelt sind, interessiert hat, war das spielerische Potential, das sich daraus ergibt, wenn man die sich ergebenen Erwartungen unterwandert und die Bilder dadurch in gewisser Weise neu auflädt.

Es gibt ein sehr schönes Büchlein von dem Künstler Matthias Huber in dem auf ca. 25 Seiten verschiedene leere Barock-Stühle und Sessel abgebildet sind. So weit, so langweilig. Toll wird das ganze erst durch den Titel „Ghosts“. Durch die einfache Kopplung mit dem Titel wird es unmöglich nicht auf jedem Sitzmöbel ein entsprechendes Schlossgespenst „zu sehen“. Michael Schmidt hat das in einem Gespräch mal als „das dritte Bild“ bezeichnet. Das dritte Bild das eben nur im Kopf entsteht. Im Fall meines Buches wollte ich den Bildern, denen teils etwas sehr melancholisches anhaftet, einen anderen Möglichkeits- bzw. Unmöglichkeitsraum gegenüberstellen und so, durch den sich ergebenen Kontrast, andere Lesarten und einen gewissen Humor mit einfließen lassen.

Ich würde deine Fotografien gerne mit „die Beobachtung des Unbeobachteten“ bezeichnen…

Es geht mir in meinen freien Projekten nicht darum ein bestimmtes Thema „zu beleuchten“. Die Motive an denen ich beim Umherlaufen meist hängen bleibe, zeichnen sich eher durch eine latente Uneindeutigkeit aus, oft sind es unscheinbare „Seltsamheiten“ und Brüche im Alltäglichen, die für sich genommen als Bilder im klassischen Sinne wenig „Wert“ haben. Das was ich beim Fotografieren bzw. bei der Motiv-Suche meist als überraschend und somit als fotografierenswert empfinde, sind in der Regel die abseitigen Dinge, an denen man sonst eher vorbeilaufen würde. Ein „Sinn“ ergibt sich (wenn überhaupt) erst durch die Einordnung und Platzierung der Bilder in den Gesamtzusammenhang der Serie bzw. des Buches.

In deinen freien fotografischen Arbeiten spielt der Mensch meist eine Nebenrolle. Wenn du Personen zeigst, sind diese nicht zu erkennen.

Ich würde behaupten, dass Menschen in meinen Bildern durchaus „präsent“ sind, auch wenn sie selber nicht in Erscheinung treten, spielen sie dennoch eine zentrale Rolle. Es geht mir nie um eine bestimmte Person XY, genauso wenig wie es mir um konkret zu benennende Orte geht. Es ist mir wichtig, dass sich die Bilder eine gewisse Ambivalenz erhalten, bei Portraits baut sich schnell ein Narrativ und eine Bestimmtheit auf, die ich eher zu vermeiden versuche.

2019/20 warst du Teil der Klasse Bildredaktion an der OKS. In wieweit hat diese Ausbildung deinen fotografische Arbeitet beeinflusst bzw. geholfen beim Editieren von Mit Delfinen schwimmen?

Ich habe die Zeit an der Ostkreuz Schule als sehr inspirierend empfunden – ich weiß z.B. nicht, ob meine erstes Buch Snake Legs ohne diese Erfahrung überhaupt entstanden wäre. Außerdem hat es mir geholfen meine „Probleme“ mit anderen zu teilen und einen fruchtbaren Austausch aufzubauen und zu pflegen. Eine Ausbildung von hohem therapeutischen Wert also.

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Mit Delfinen schwimmen / Swim with Dolphins – Booklaunch und Ausstellung

Max Zerrahns zweites Fotobuch Mit Delfinen schwimmen ist ein Foto-Essay in acht Kapiteln, das auf spielerische Art und Weise der Diskrepanz zwischen Lebensrealitäten und Lebensträumen nachspürt.
Die Bilder sind zu großen Teilen in Brandenburg und der Peripherie Berlins entstanden, sie verstehen sich aber nicht als eine Arbeit über die Region – vielmehr geht es um einen ortsunabhängigen Blick auf die Brüche im Alltäglichen und die Reibung die entsteht, wenn man diesen Beobachtungen, auf textlicher Ebene, einen anderen Möglichkeits- bzw. Unmöglichkeitsraum gegenüberstellt.

Mit Delfinen schwimmen / Swim with Dolphins
128 Seiten, 67 Abb., Format: 176 x 248 mm, Leinenband mit Schriftprägung

Booklaunch
Freitag, 24.9.2021 ab 19:00 Uhr

Ausstellung
Die Ausstellung wird auch noch am 25. und 26.9. in der Galerie zu sehen sein, dann jeweils in der Zeit von 15:00 – 18:00 Uhr. Der Einlass erfolgt gegen Nachweis der 3G-Regel (geimpft, getestet oder genesen).

AFF Galerie
Kochhannstraße 14
10249 Berlin