Nahaufnahme: Marcus Wend

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotograf*innen und Dozent*innen der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Eva Neukirchner aus der Bildredaktionsklasse 2021/22 bat den Fotografen und OKS-Studenten Marcus Wend darum, uns einen Einblick in die Entstehung seines Fotos zu geben:

Aus der Serie „Großmarkt Beusselstraße“, Foto: Marcus Wend

Das Foto ist entstanden als Teil einer Serie über den Berliner Großmarkt an der Beusselstraße. Ein Großteil des Obsts, Gemüses und Fleisches für den Berliner Einzelhandel und die Gastronomie wird hier gehandelt.

Ich finde es faszinierend, Themen der Infrastruktur und Grundversorgung zu hinterfragen und hinter die Kulissen zu schauen. Häufig machen wir uns einfach keine Gedanken darüber, wie Dinge zu uns kommen. Außerdem habe ich großen Respekt vor Menschen, die so hart und in der Nachtschicht arbeiten und möchte sie etwas in den Fokus rücken. Und natürlich ist so ein Markt auch ein toller Spielplatz für Fotografen.

Damit die Lebensmittel morgens im Supermarkt liegen, findet hier der Großteil des Handels nachts statt. Die typische Schicht für einen Staplerfahrer (gendern ist an dieser Stelle tatsächlich nicht nötig) beginnt um Mitternacht und endet um 9 Uhr.
Für diese Serie bin ich an verschiedenen Tagen früh aufgestanden, habe mich auf dem Großmarkt treiben lassen und mit den Arbeitern Simit gegessen und Çay getrunken. Es gibt so viele Nischen auf dem Großmarkt wie den Pflanzenhandel, den Fleischereibetrieb und die LKW-Waschanlage, die eigentlich ihre eigenen Serien verdient haben. In dieser Serie soll es aber um den Großmarkt als Gesamtkonstrukt gehen. Es sind einerseits Porträts entstanden, auf der anderen Seite habe ich mich dem Ort über Räume wie Hallen, Laderampen oder das Bistro genähert. Ich spanne in meinen Fotos gerne Kulissen auf und beobachte wie sie von den Menschen bespielt werden.

An diesem Bild mag ich den Moment der Ruhe. Gewöhnlich herrscht dort ein ziemliches Gewusel. Die Betriebsamkeit im Inneren der Halle ist allenfalls zu erahnen. Mir gefallen aber diese Zwischenmomente, die nicht so überladen sind. Es finden sich typische Elemente des Großmarkts wieder: die frühen Morgenstunden, das Rolltor, die Europaletten.
Der individuelle Mensch spielt hier keine große Rolle, er geht fast unter in der recht großen Szene. Er ist sozusagen ein kleines Element in einem großen Betrieb.
Ästhetisch reizt mich das Bild durch seine reduzierte komplementäre Farbpalette sowie die Balance aus Kunstlicht und der ersten Färbung des Himmels.

Marcus Wend ist 1985 geboren, in Hamburg aufgewachsen und hat Energietechnik an der TU Berlin studiert. Nach dem Studium hat er sich ganz der Fotografie gewidmet und arbeitet seit 2017 als freier Fotograf. Seine Fotografie ist dokumentarisch geprägt und beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Architektur und menschlicher Siedlung.