Nahaufnahme: Heidi Krautwald

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotograf*innen und Dozent*innen der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Die Fotografin Heidi Krautwald beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit dem Thema Selbstportraits. Hier erzählt sie über die Entstehung ihrer Bilder und wie sie auf ihre Ideen kommt.
Aus der Serie In der Zwischenzeit, Foto: Heidi Krautwald

„Ist sie jetzt frech geworden?“ „Kannst du bügeln?“ „Erinnert mich an Magritte.“

Viele unterschiedliche Kommentare hat das Selbstportrait mit Bügeleisen schon hervorgerufen.

Die Idee zu diesem Bild entstand, wie sollte es anders sein, beim Bügeln. So wie mir oft Bilder beim Zähneputzen, unter der Dusche, im Halbschlaf oder eben bei der Hausarbeit in den Sinn kommen.

Bei der praktischen Umsetzung konnte ich auf langjährige Erfahrung mit dem Thema Selbstportrait zurückgreifen – seit 1982 experimentiere ich mit Stativ und Selbst- beziehungsweise Fernauslöser. Seit damals hat sich einiges geändert. Nicht nur, dass ich mich inzwischen in einer anderen Lebensphase befinde, auch das Medium Fotografie hat sich weiterentwickelt.
Nach wie vor ist es eine besondere Art des Fotografierens, wenn man das aufzunehmende Motiv nicht sehen, sondern nur erspüren kann. Bei der analogen Fotografie war die Sensibilität für das richtige Setting und den stimmigen Augenblick beim Auslösen der Kamera entscheidend, nach dem Entwickeln der Bilder stellte sich dann Bestätigung, positive Überraschung oder auch Enttäuschung ein. Die digitale Fotografie erlaubt es dagegen, die Bildergebnisse unmittelbar zu überprüfen und gegebenenfalls nachzubessern.
Gleich geblieben ist die Experimentierfreude, mit der ich mich selbst als Modell benutze, egal ob ich optische Phänomene ins Bild setze oder Rollenmuster visualisiere – als Hausfrau und Mutter, als berufstätige Frau und Künstlerin, mit meiner Sexualität, meiner Stärke und Verletzlichkeit, als Mädchen und als älter werdende Frau, definiert durch Kleidung, Gegenstände und Umgebung und durch Gesichtsausdruck und Körperhaltung – Störungen und Irritationen inbegriffen.

Ursprünglich diente die erneute Beschäftigung mit Selbstportraits nur zu Übungszwecken. Durch die Gegenüberstellung von Aufnahmen aus den 80er und 90er Jahren mit einer Serie von aktuellen Fotografien, zu der das Bügeleisenbild gehört, ergab sich ein eigenständiges Projekt. Es entwickelte sich zu einem Dialog zwischen zwei Generationen mit dem Gedankenspiel: Wie wäre es gewesen, hätte ich als junge Frau eine Mutter wie mich gehabt; wie würde ich mit der jungen Frau reden, wenn sie meine Tochter wäre?

25 Jahre waren zwischen den letzten analogen und den neuen digitalen Selbstportraits vergangen. So lag es nahe, die Serie In der Zwischenzeit zu nennen. Ich habe sie im Februar in der Abschlussausstellung der Meisterklasse der Ostkreuzschule im Kunstquartier Bethanien mit einer Wandinstallation von 15 digitalen Farbfotografien und 6 analogen Schwarzweiß-Fotografien und in einem Buch mit 116 Abbildungen präsentiert.

Heidi Krautwald wurde 1960 in Stuttgart geboren. Sie studierte Fotodesign an der Muthesius-Hochschule in Kiel und erlangte 1988 ihr Diplom. Zwischen 1984 und 1993 wurden ihre vier Kinder geboren. Seit 1989 arbeitet sie freiberuflich als Fotografin, ihr Interessenschwerpunkt liegt im kulturellen und sozialen Bereich. Sie ist Mitglied im BBK Schleswig-Holstein und seit 1987 bei zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten.
2017-2019 absolvierte sie die Meisterklasse der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin bei Ute Mahler und Ingo Taubhorn, in deren Rahmen die Arbeit „In der Zwischenzeit“ entstand.

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