OKS-lab fragt… Jakob Weber

In der Serie „OKS-lab fragt…“ beantworten Dozent*innen, Fotograf*innen, Macher*innen und Absolvent*innen der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie und Lebensart.

Foto: Marcel Heise

Inka Recke und Pia Telebuh aus der aktuellen Bildredaktionsklasse haben sich mit Jakob Weber aus der letztjährigen Bildredaktionsklasse über seine Arbeit bei ZEIT Online und sein bald erscheinendes A-Z Magazin unterhalten.

OKS: Was hat dich dazu inspiriert, ein eigenes Magazin herauszubringen?

Jakob Weber: Die ursprüngliche Idee war in einer lustigen, abendlichen Runde entstanden. Ich saß mit einigen Freunden zusammen und hatte gerade ein Praktikum beim ZEIT Magazin gemacht. Wir hatten an diesem Abend die etwas größenwahnsinnige Idee, einfach selber ein Magazin herauszubringen.

OKS: Was beinhaltet das Konzept des A-Z Magazins und wie seid ihr auf das Konzept gekommen?

JW: Das Konzept und der Name für das A-Z Magazin sind am ersten Abend entstanden. Das Konzept beinhaltet, dass der Leser auf eine Reise durch das Land Deutschland mitgenommen wird und jede Ausgabe einem Buchstaben gewidmet ist. Anhand dieses Buchstabens wird dem Leser eine neue Sichtweise auf das Land ermöglicht: Es geht um den Gewinn neuer Perspektiven, Stimmen und Positionen. Was außerdem noch dahinter steckt ist der Untertitel „Das Deutschlandmagazin“, der offenbar hin und wieder etwas für Verwirrung sorgt. Vermeintlich „deutsche“ oder auch „undeutsche“ Themen sollen in ihrer Vielschichtigkeit untersucht werden – möglichst subjektiv. Und wir versuchen, diese Reise spannend und visuell anregend zu gestalten. Dass sich die Themen jeder Ausgabe an nur einem Buchstaben orientieren, ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Man möchte eine Themenvielfalt hinbekommen und lange und kurze Geschichten im Wechsel erzählen. Auch im Heft zieht sich die alphabetische Reihenfolge durch.

Top View Magazine Mockup by Anthony Boyd Graphics

OKS: Bevor wir weiter über das Magazin sprechen: Was hat dein Interesse für das Bildredaktions-Studium geweckt? Wie bist du darauf aufmerksam geworden?

JW: Ich hatte die Ausbildungsmöglichkeit schon einmal gesehen, als ich begann mich für den Beruf des*der Bildredakteur*in zu interessieren. Das geriet aber wieder in Vergessenheit, nachdem ich mich beim ZEIT Magazin für ein Praktikum beworben und dieses auch bekommen hatte. Direkt im Anschluss an das Praktikum habe ich begonnen, bei ZEIT Online in der Redaktion zu arbeiten. Meine Kollegin (Caroline Scharff Anm.der Redaktion) hatte dann wieder von der Ausbildung an der OKS geschwärmt und mich dazu gebracht, mich an der OKS zu bewerben.

OKS: Du hast bereits vor deinem Bildredaktions-Studium an der OKS bei ZEIT Online gearbeitet. Warst du da auch schon als Bildredakteur tätig oder hat sich dein Aufgabenbereich während des Studiums verändert? Inwieweit hat sich die Arbeit für dich beim Online-Magazin nach der Ausbildung an der OKS verändert?

JW: Während meines Studiums an der OKS war ich in der Redaktion deutlich weniger präsent, was dazu führte, dass ich keine langfristigen Themen als Bildredakteur betreuen konnte. Das hat sich nach Abschluss des Studiums verändert. Vor meinem Studium an der OKS habe ich viel schnelle Nachrichtenbebilderung gemacht, jetzt arbeite ich eher an Hintergrundthemen, recherchiere Fotostrecken oder betreue Schwerpunktthemen.

OKS: Meinst du, dass deine Ausbildung an der OKS darauf Einfluss gehabt hat, dass du jetzt langfristigere Themen in der Redaktion machst?

JW: Ich selbst weiß durch die Ausbildung klarer, was ich eigentlich machen will und kann das auch deutlich formulieren. Das Jahr an der OKS hat mich darin trainiert, besser über Bilder zu sprechen und zu argumentieren. Das hat mich sicherlich selbstsicherer gemacht. Die meisten Grundlagen der Arbeit von Bildredakteur*innen kannte ich schon.

OKS: Gibt es ein Projekt bei ZEIT Online, welches dir sehr am Herzen gelegen hat?

JW: Da war das Thema E-Bikes, das ich betreut habe. Inhaltlich war ich daran persönlich nicht interessiert, es handelte sich aber zum ersten Mal um einen relativ umfassenden Schwerpunkt, für den ich von der Bildseite her allein verantwortlich war. Ich fand es spannend, einen Themenschwerpunkt zu betreuen und hatte ziemlich freie Hand bei den Entscheidungen. Spannend war die Zusammenarbeit mit einem Illustrator. Das machen wir sonst bei ZEIT Online sehr selten, aber mir war das eine Herzensangelegenheit, weil ich mich der Illustration sehr verbunden fühle.

OKS: Glaubst du, dass die Arbeit von Bildredakteur*innen ausreichend wertgeschätzt wird?

JW: Im ZEIT Verlag wird die Arbeit von Bildredakteur*innen sehr wertgeschätzt und die Arbeit hat einen sehr guten Ruf. Aber ich weiß auch, dass das nicht überall der Fall ist.

OKS: Wer legt bei euch die Themen fest, beziehungsweise habt ihr einen langfristigen Redaktionsplan oder zumindest vorab die Themen ausgearbeitet? Oder seid ihr da spontan, um eventuell auf aktuelle Themen reagieren zu können?

JW: Der Grundgedanke des Magazins ist, dass man es auch in fünf Jahren noch aus dem Schrank nehmen kann und es auch dann noch Spaß machen soll, es zu lesen. Wir reagieren nicht auf die aktuelle News-Lage. Für die erste Ausgabe hat die Konzeptphase sehr viel Zeit in Anspruch genommen, gleichzeitig konnten wir das Konzept in dieser Phase noch weiterentwickeln. Es gibt schon Listen mit Ideen und Vorschlägen für Ausgabe B, aber das steht noch nicht fest.

OKS: Für uns wäre sehr interessant, wie ihr die Bildauswahl oder Fotograf*innen-Auswahl gestaltet habt. Wie war dieser Prozess?

JW: Einige Bilder haben wir selber gemacht. Uns war klar, dass wir erstmal keine Honorare würden zahlen können und den Vertrauensvorschuss von Fotograf*innen zu bekommen für ein Magazin, was es noch gar nicht gibt, war auch nicht einfach. Wir haben von den Themen her recherchiert, ob wir auf anderen Wegen an Bilder kommen können. Wir wollten in der Ausgabe A einen Beitrag über Autos, beziehungsweise Autobahn machen und haben überlegt, ob es dazu spannende Bildstrecken gibt. Am Ende ist es eine Bildstrecke von meinem verstorbenen Professor aus Hildesheim geworden, der heimlich mit einer Spionagekamera die Transitautobahnen zu DDR Zeiten fotografiert hat. In der Ausgabe sind lauter Themen, die wir im Laufe unseres Lebens aufgeschnappt haben und irgendwie spannend oder interessant fanden. Enthalten ist auch eine durchlaufende Portrait-Strecke. Für diese haben wir Fotograf*innen gezielt gefragt, ob sie für uns Portraits machen würden. Uns ist es wichtig, ungewöhnlichere Wege bei der Bildlösung zu gehen. Bei einer Geschichte über eine Vater-Sohn Beziehung hat beispielsweise das Kind die Zeichnungen für das Magazin gemacht. Solche Lösungen finde ich spannend. Wenn das auch noch inhaltlich mit der Geschichte verknüpft ist, kann man unter Umständen ungewohnte Bildlösungen finden statt der üblichen zu erwartenden Bebilderung.

OKS: Und wer macht am Ende die Bildauswahl? Habt ihr eine/n verantwortlichen Bildredakteur*in?

JW: Da wir so ein kleines Team sind, habe ich zwar eine Vorauswahl gemacht oder Favoriten rausgesucht, am Ende haben wir das aber immer zusammen entschieden. Unsere Artdirektorin Anna, mit der ich in Bremen studiert habe, hat selbst auch ein sehr gutes Gespür für Fotografie und auch Marcel denkt sehr visuell, von daher empfinde ich das als einen sehr befruchtenden Prozess und die finale Auswahl ergibt sich oft im Gespräch.

OKS: Das A-Z Magazin soll aber nicht nur digital, sondern auch als Printausgabe erscheinen?

JW: Ja auf jeden Fall. Es soll am Ende ein abgeschlossenes Projekt sein, wo man sich die Ausgaben alle ins Regal stellen kann. Wir wollen für die Zukunft noch ein Online-Konzept entwickeln oder zumindest haben wir den Wunsch danach, denn als wir die Website neu gemacht haben, wurde klar, dass es da nochmal ganz andere Möglichkeiten gibt, um Geschichten, die wir jetzt für das gedruckte Magazin haben, online zu erzählen. Wenn man zukünftige Ausgaben auch für eine Online-Umsetzung direkt mit planen würde, könnte man ganz anderes Material einsetzen und Themen interaktiver erzählen.

OKS: Könnte dann so ein Magazin online nicht tatsächlich ein anderes Konzept haben, um Themen visuell anders erlebbar zu machen, ohne, dass das etwas komplett neues, sondern eher eine Ergänzung oder Erweiterung wird?

JW: Genau das war die Herausforderung beim Relaunch der Website. Allein von den Bildformaten, weil das schon anders funktioniert. Im gedruckten Magazin arbeitet man viel öfter mit hochformatigen Aufmacherbildern und das war ziemlich häufig im A-Z Magazin der Fall. Auf der Website braucht man aber viel mehr Querformate. Das muss man noch herausfinden: was funktioniert eigentlich, wie lang kann ein Text online eigentlich sein, was funktioniert weniger gut.

OKS: Glaubst du, dass es neue Formate für den (Online-) Journalismus geben wird?

JW: Ich glaube, dass es neue Formate braucht und auch geben wird. Das ist auch ein Grund, warum ich ein eigenes Magazin mache, da ich mich dort Aufgaben widmen kann, zu denen ich bei großen Verlagen nicht komme. Ich finde, dass wir bei ZEIT Online auch einen guten Job machen und für den deutschen Markt sehr innovativ sind. Dennoch haben Medienhäuser in den USA, wie die New York Times, eine absolute Vorreiterrolle. Da frage ich mich manchmal, woran das eigentlich liegt. Mir ist es auf jeden Fall wichtig, dass man neugierig bleibt und dass es eine große Lust darauf gibt sich zusammen zu setzen und versucht Themen visuell neu und spannend zu erzählen. Da sind wir aber, glaube ich, mit dem A-Z Magazin und ZEIT Online auf einem guten Weg. Es wird neue, bessere und spannendere Formate geben.

OKS: Wir sind gespannt, wie ihr in den 25 weiteren Ausgaben darauf reagieren werdet.

JW: Ich bin mal gespannt, ob es wirklich 25 Ausgaben werden, weil ich nicht weiß, ob wir X, Y und Z nicht in einer Ausgabe zusammen bringen. Mal gucken. Und wegen der Umlaute haben wir uns auch noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht werden es Sonderausgaben zwischendurch. Ich bin mir sicher, dass sich das Projekt mit der Zeit noch weiterentwickeln wird. Wer weiß, wie lange es überhaupt noch Papier zum Bedrucken gibt. Da müssen wir uns beeilen.

OKS: Um die Printversion umsetzen zu können, habt ihr eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Diese geht am 17. August los. Was passiert danach?

JW: Direkt im Anschluss an die hoffentlich erfolgreiche Kampagne wird die erste Ausgabe in den Druck gehen. Weitere Ausgaben sollen dann in alphabetischer Reihenfolge etwa dreimal jährlich erscheinen.

OKS: Letzte Frage: Welche Tipps würdest du angehenden Bildredakteur*innen mitgeben?

JW: Ganz praktisch gesehen finde ich Instagram, auch wenn es viele Kritikpunkte gibt, als Bildrecherche-Instrument spannend und habe selber eine große Sammlung an Fotograf*innen oder anderen Kunstthemen. Und ich würde empfehlen, mehr außerhalb der Fotografie zu denken und sich inspirieren zu lassen. Und viele Praktika! Auch wenn man nur mal für einen kürzeren Zeitraum in eine Bildredaktion reinschnuppert. Es ist außerdem spannend, sich unterschiedliche Formate anzuschauen.

OKS: Jakob, Vielen Dank für dieses Interview!

Hier geht es zur Crowdfunding-Kampagne des A-Z Magazins.

Jakob Weber hat zunächst Grafik-Design mit Schwerpunkt Fotografie bei Hans Pieler in Hildesheim studiert. An der HfK Bremen studierte er dann von 2012 bis 2015 im Masterstudio „Kultur und Identität“ bei Andrea Rauschenbusch und Peter Bialobrzeski. Seit 2017 arbeitet er als Bildredakteur bei ZEIT ONLINE. Neben dem freien Magazinprojekt „A-Z Das Deutschlandmagazin“ arbeitet er an freien Fotografieprojekten. 

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