Nahaufnahme: Zoe Zizola

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotograf*innen und Dozent*innen der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Die Fotografin Zoe Zizola erzählt uns, warum die Aufnahme des Spiegelbildes ihrer Schwester für sie von besonderer Bedeutung ist.

Aus der Serie Voy a Volver, Foto: Zoe Zizola

VOY A VOLVER
(ich werde wiederkommen)

Mompiche (Ecuador), im Nirgends, viele Kilometer Strand und der Atlantik vor uns, dahinter der dichte Wald. Die Flut steigt und sinkt wieder. Bevor das Meer sich hebt, müssen wir sicher sein, dass wir Lebensmittel zu Hause haben. Ansonsten können wir erst am Tag darauf – wenn der Ozean nicht mehr vor unserer Türe ist – 30 Minuten den Strand entlang zur Stadt laufen, um etwas zu holen.

Es war fast Abend. Nach dem letzten Sprung des Tages in den Ozean wartete ich auf den richtigen Zeitpunkt für die Dusche. Joana schrie: „Bin fertig!” und ich betrat das Badezimmer.

Ein Gemälde, eine Statue, oder nur meine Schwester Joana im Spiegel. Sie kommt ganz nass aus der Dusche und ich sehe sie dort, so steif wie Marmor; die Zeit ist stehen geblieben und ihr Blick auch. Die orangefarbenen Vorhänge im Badezimmer wärmen die Atmosphäre auf, draußen bläst der Wind und ich verstehe: ich war nur die Spiegelung ihrer Seele. Ich verliere mich in ihr und wir sind plötzlich eins.

Diese Fotografie ist Teil des Projekts Voy a volver, welches das Verhältnis zwischen mir und meiner Schwester während einer Reise in Ecuador beleuchtet. In meiner Jugend in Rom haben wir zusammen gewohnt, doch sie reiste schon damals viel. Sie mag es, neue Welten zu entdecken. Unsere gemeinsamen Reisen waren jedoch immer nur mit dem Rest der Familie: mit unserer anderen Schwester Yara und mit unserer Mutter. In der letzten Zeit, seitdem ich auch etwas älter bin, verspürten wir zum ersten Mal das Bedürfnis, Zeit nur unter Schwestern zu verbringen, um unser schon sehr enges Verhältnis weiter zu vertiefen. Das war schon immer schwierig, weil wir so ähnlich wie auch unterschiedlich sind. Ich bin die jüngste, Yara ist die mittlere, Joana ist die älteste und wir alle haben so unterschiedliche Lebensrhythmen, dass es immer damit endet, unsere gemeinsame Zeit dafür aufzugeben. Diese Reise nach Ecuador bot mir somit zum ersten Mal die Möglichkeit, Zeit für uns zu finden. Leider hat Yara es nicht geschafft zu kommen, aber es war schon zu zweit ein guter Anfang.

Als ich ankam, war Joana aufgrund ihrer Arbeit schon seit einem Monat in Ecuador. Früher haben wir oft davon geträumt, eine gemeinsame Reise nach Brasilien zu planen – das Land unserer zweiten Staatsangehörigkeit – um dieses zusammen zu entdecken. Wir fahren oft nach Brasilien, um Großmutter und den Rest der Familie zu besuchen, die dort lebt, aber wir entdecken dann oftmals nicht so viel, und besuchen eher die Familie in denselben Städten. So gibt es dann leider keine neuen Abenteuer. Unser Ziel ist immer Brasilien gewesen und dieser Traum hat sich leider noch nicht erfüllt. Somit hat die Tatsache, dass Joana in Ecuador war, etwas in mir bewegt, und ich habe gespürt, dass ich diese Gelegenheit nicht verpassen kann. Wir waren 10 Tage zusammen, erst sie und ich, dann kamen ihre neuen Freunde dazu. Das erste Mal in einem neutralen Land; nicht Italien, nicht Brasilien: Ecuador. Keiner von uns war schon dort gewesen, es war eine neue Entdeckung für beide.

Voy a volver ist Teil eines Langzeitprojekts, in dem ich das Verhältnis zu Geschwistern hinterfrage.

Zoe Zizola wurde 1995 in Rom geboren und ist halb Brasilianerin. Sie ist in Rom aufgewachsen und zog mit 19 Jahren nach Deutschland. Sie hat für das Online-Magazin TPI (The Post Internazionale) als Fotoreporterin gearbeitet und war Assistentin für Veranstaltungen in den Galerien 10B und ILEX in Rom. Sie hat an verschiedenen Workshops teilgenommen, wie z.B. der TPW (Tuscany Photography Workshop) mit Laura Pannack und Christopher Morris und während der COTM (Cortona On The Move) unterstützte sie den Fotografen Paolo Verzone und die Bildredakteurin Renata Ferri. Sie betätigte sich mehrmals bei der Vorbereitung der Ausstellungen des WPP (World Press Photo) in Italien und machte ebenfalls ein Praktikum im WPP in Amsterdam.
„Voy a volver” wurde schon in der kollektiven Fotografie-Ausstellung „Humana” in Cisternino (Apulien) gezeigt. Zoe Zizola besucht derzeit die Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin in der Abschlussklasse von Ludwig Rauch.

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