OKS-lab fragt … stayathome.photography

Während in der Covid-19-Pandemie große Teile des Alltags einschränkt sind, Menschen von Zuhause arbeiten oder ihren Beruf nur zum Teil ausüben können und wieder andere in Quarantäne zuhause isoliert sind, entstehen neue Bedürfnisse, aber auch Ideen der Zusammenarbeit. Yana Wernicke und Jonas Feige riefen zu Beginn der Pandemie in Deutschland ihr Projekt stayathome.photography ins Leben. In einem Interview erzählen sie über ihre Beweggründe und was mit dem Projekt nach der Corona-Krise geschehen soll.

Marit Lena Herrmann (MH): Yana und Jonas, ihr habt geschrieben, dass ihr gerade viel um die Ohren habt. Liegt das an eurem neuen Projekt stayathome.photography?

Yana Wernicke und Jonas Feige (YW und JF) : Unter anderem, ja. Die Seite läuft inzwischen so gut wie fehlerfrei und die Zahlen der Bewerbungen haben (zum Glück) etwas nachgelassen. Trotzdem nehmen das Projekt und die Pflege der Webseite immer noch einige Zeit in Anspruch. Neben ein paar privaten Dingen, sind wir ansonsten vor allem mit der Arbeit an einem Fotobuch unseres gemeinsamen Projektes über die deutsche Kolonialvergangenheit (und -gegenwart) in Kamerun beschäftigt, das eigentlich dieses, nun aber wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres erscheinen wird.

MH: Wenn ich auf die Webseite von stayathome.photography gehe, sehe ich zunächst eine Liste von Namen, hinter denen sich sogenannte fotografische conversations, Konversationen befinden. Jeweils zu zweit kommunizieren Fotograf/-innen durch ihre Bilder miteinander, die auf der Webseite im Wechsel angeordnet sind. Wie kamt ihr auf die Idee und wann habt ihr mit dem Projekt begonnen?

YW und JF: Als es mit dem social distancing so richtig losging, waren wir gerade in Portugal und mussten unsere Reise vorzeitig abbrechen. An den letzten Tagen vor unserem Rückflug wurde uns dann immer mehr bewusst, was diese Quarantäne wirklich bedeuten würde. Wir würden zwar zurück nach Deutschland fliegen, könnten dann aber nicht wie gehofft unsere Freunde sehen und als Fotograf/-innen nicht mehr so einfach unserer Arbeit und Leidenschaft nachgehen. Die Idee der fotografischen Konversation ist an sich natürlich nicht neu. Wir hatten aber das Gefühl, dass sie in diesem Moment besonders wertvoll sein könnte, wenn man sie mit dem richtigen Werkzeug verbindet. Was, wenn wir eine Plattform bauen könnten, die Fotograf/-innen ohne großen technischen Aufwand erlaubt, miteinander in Kontakt zu treten, anhand ihrer Fotografien miteinander zu sprechen und so ein bisschen der Isolation und dem Nicht-Fotografieren-Können entgegenzuwirken?

MH: Ihr habt bereits von den Bewerbungen gesprochen. Wie läuft dieser Prozess der Auswahl der Fotograf/-innen ab und wie entscheidet ihr, wer miteinander durch seine/ihre Fotografien kommuniziert?

YW und JF: Fotograf/-innen können sich entweder mit einem Partner bewerben oder sich von uns einen Partner zuweisen lassen. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach, klappt mal besser und mal schlechter und ist für uns auch ein andauernder Lernprozess.

Wir möchten eine gute Balance finden. Auf der einen Seite versuchen wir anhand der bisherigen Arbeiten der Fotograf/-innen herauszufinden, ob es Gemeinsamkeiten gibt und ob wir das Gefühl haben, dass sie überhaupt miteinander ins Gespräch kommen könnten. Auf der anderen Seite achten wir darauf, dass sich die Fotograf/-innen bzw. ihre Arbeiten nicht zu ähnlich sind, in der Hoffnung so eine wirkliche Auseinandersetzung und ein paar Überraschungen zu provozieren. Wer mit wem gepartnert wird, ist aber auch immer ein bisschen Glückssache und hängt davon ab, welche Bewerbungen gerade noch ausstehen. Leider können wir gerade nur noch sehr wenige neue Fotograf/-innen aufnehmen, da wir und die Seite nicht unendlich belastbar sind und wir das Gefühl haben, dass das Projekt bei zu vielen Konversationen irgendwann übersättigt sein und ein stückweit seine Identität verlieren würde.

MH: Es gibt auf der Webseite auch eine Seite, in der ihr aufschlüsselt, wo die Fotograf/-innen herkommen, oder zurzeit die Isolation verbringen. Auf dieser Liste sind zurzeit über 50 Länder aufgeführt. Was macht die Gespräche zwischen Fotograf/-innen aus verschiedenen Regionen so interessant für euch, gerade in der jetzigen Situation?

YW und JF: Wir finden sehr spannend und rührend zu beobachten, wie uns die Fotograf/-innen auf unserer Webseite intime Einblicke in ihr Leben und ihr Zuhause gewähren. Das wird umso interessanter, wenn man bedenkt, dass diese Pandemie weltweit Menschen in die Isolation zwingt und viele Fotograf/-innen sich in derselben Situation wiederfinden. Die Konversationen müssen nicht zwingend zwischen Fotograf/-innen aus unterschiedlichen Ländern stattfinden, das kann aber natürlich zu spannenden Kontrasten oder Gemeinsamkeiten führen. Wir würden uns sehr freuen, wenn unser Projekt, nachdem die Pandemie überstanden ist, als eine Art Archiv einiger weltweit verstreuter Fotograf/-innen zum Umgang mit und dem Leben während dieser Isolation dienen kann.

MH: Neben dem Namen der/des Fotograf/-in und dem jeweiligen Datum des Bildes gibt es unter den Fotografien keinen weiteren Text. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

YW und JF: Uns geht es um fotografische, visuelle Kommunikation, die natürlich auch ihre Limitierungen, gegenüber der sprachlichen Kommunikation aber auch einige Freiheiten hat. Unter anderem, dass man gerade nicht dieselbe Sprache sprechen muss und sich über die Fotografie trotzdem miteinander verständigen kann. Das erlaubt, um noch einmal auf die vorherige Frage zurück zu kommen, einen (teilweise auch internationalen) Austausch, der vielleicht auch ein bisschen poetischer, sanfter und überraschender ist, als der mit Worten.

MH: Gibt es innerhalb der bisher veröffentlichten Projekte eines, das euch besonders beeindruckt hat?

stayathome: Unter den derzeit 270 Konversationen auf der Seite sind viele, die uns auf ganz unterschiedliche Art und Weise berührt, überrascht und beeindruckt haben, deswegen fällt es uns sehr schwer, da eine einzelne herauszupicken. Um die Frage trotzdem zu beantworten, würden wir gerne die Konversation zwischen Mika Sperling (aus Hamburg) und Vasudhaa Narayanan (aus Bangalore) erwähnen, die sich ziemlich früh gemeinsam bei uns beworben haben. Wir schätzen sehr, wie sich Mika und Vasudhaa in ihrer Konversation aufeinander einlassen und dass jedes Bild eine ehrliche Reaktion auf das vorhergegangene zu sein scheint. Die Fotografien sind nicht nur wunderschön, sondern auch sehr intim, einfühlsam und auf eine angenehme Weise unaufgeregt.

Yana Wernicke studierte an der OKS bis 2014 und arbeitet seitdem als freie Fotografin.

Jonas Feige war bis 2015 Student der OKS und arbeitet seitdem als freier Fotograf und Webdesigner.

Zurzeit arbeiten Yana Wernicke und Jonas Feige gemeinsam an ihrem gemeinsamen Projekt Zenkeri über die deutsche Kolonialvergangenheit und -gegenwart in Kamerun.

Alle Bilder von Mika Sperling und Vasudhaa Narayanan und sind auf stayathome.photography veröffentlicht.