Shooting Day Weißensee „Ureinwohner“

Ende September 2019 fand zum achten Mal der alljährliche Shooting Day Weißensee statt. OKS.lab zeigt in ausgewählten Arbeiten unterschiedliche Sichtweisen auf den facettenreichen Bezirk. Dieses Mal präsentieren wir die Arbeit „Ureinwohner Weißensee“ von Fotografin Anika Spereiter, die Max Zerrahn als Bildredakteur betreut hat. Das Kooperationsprojekt zwischen Fotografiestudent/-innen des zweiten Jahres und der Bildredaktionsklasse nimmt mittlerweile einen festen Platz im Ausbildungsprogramm an der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) ein und bildet für beide Seiten einen professionellen Rahmen für spätere berufliche Alltagssituationen.

Andreas Bückmann ist 54 und wohnt noch immer auf dem Grundstück in der Charlottenburger Straße, auf dem er groß geworden ist. Seine Frau Alexandra, die im Prenzlauer Berg aufgewachsen und 2012 zu ihrem Mann nach Weißensee gezogen ist, sagt: “Andreas kennt hier wirklich jeden, er ist ein echtes Urgestein.”

Für den Shooting Day Weißensee hat Anika Spereiter folgendes Briefing bekommen:

Weißensee ist ein Stadtteil im stetigen Wandel – es wird neu gebaut, umgebaut und zugezogen. Ein Bezirk ändert sein Gesicht.

Doch wer war schon immer hier?

Ureinwohner Weißensee soll der Versuch sein, die Alt- Eingesessenen zu portraitieren und damit einen Teil des „alten Weißensee“ fest zu halten. Schön wäre es, dabei Personen im fortgeschrittenen Alter zu priorisieren, die Porträtierten zu fragen, seit wann sie in Weißensee wohnen und sie noch nach einem Statement zu ihrem Stadtteil zu fragen, das wir als kurzes Zitat in der Caption zum jeweiligen Bild verwenden könnten.

OKS-lab: Wie war es für dich den Auftrag unter Zeitdruck zu erarbeiten? Gab es sonstige Herausforderungen für dich?

Anika Spereiter: Mit dem Zeitdruck kam ich überraschend gut zurecht, ich habe alle Fotos innerhalb weniger Stunden gemacht. Ich hatte allerdings auch ein bisschen Glück, denn ich habe gleich zu Beginn ein Weißenseer Pärchen kennengelernt, das mich freundlicherweise an weitere Urweißenseer/-innen aus der Nachbarschaft vermittelt hat. Eine große Herausforderung war die zum Zeitpunkt herrschende Wetterlage. Es hatte tagelang nur geregnet und ich hatte schon befürchtet, dass ich so kaum jemanden auf der Straße vor die Kamera bekomme. Glücklicherweise hörte es dann für ein paar Stunden auf zu regnen, als ich mich zum Fotografieren aufmachte.


Nachdem Brigitte Schaffmanns Eltern aus Landsberg an der Warthe (heute Gorzów Wielkopolski in Polen) vor der Roten Armee geflohen waren, arbeitete ihr Vater als Platzwart auf einem Sportplatz in Berlin-Weißensee. Auf jenem Sportplatz brachte ihre Mutter sie im Januar 1948 zur Welt. Seitdem lebte Frau Schaffmann immer in Weißensee, unter anderem in der Falkenberger Straße, in der Albertinenstraße, in der Behaimstraße und in der Charlottenburger Straße.

OKS-lab: Wie hast du dich auf den Shooting Day vorbereitet?

AS: Wie schon erwähnt, war das Wetter eine Katastrophe und ich wusste, dass ich fremde Menschen ansprechen muss. Um einer mauen Auswahl vorzubeugen, habe ich mich also im Vorfeld in Weißensee-bezogenen Facebook-Gruppen angemeldet und einfach einen Aufruf gestartet. So bin ich an eine sehr nette Frau geraten, deren Partner schon seit seiner Geburt im selben Haus in Weißensee wohnt. Das war dann ein Selbstläufer. Nachdem ich bei ihnen zuhause war, haben sie die halbe Nachbarschaft für mich abtelefoniert, da sie das Projekt unbedingt unterstützen wollten. So habe ich noch einige andere Bewohner/-innen in Weißensee kennengelernt. Außerdem wollte ich die Bilder in 6×6 aufnehmen und habe deshalb nur eine Mittelformatkamera und ein paar Filme eingepackt. Trotz des dunklen Herbstwetters habe ich keinen Blitz mitgenommen. Ich wollte die Leute so natürlich wie möglich fotografieren, um sie nicht so sehr aus ihrer Umgebung herauszustellen, denn letztlich ging es ja auch um Weißensee.


Auf der Fensterscheibe des Eiscafé Surprise in der Langhansstraße prangt “40 Jahre Eiscafé Surprise”. Die Eisdiele selbst ist also ein Weißenseer Urgestein. Herr Grupner ist gebürtiger Weißenseer und war aufgrund des Feiertags zu Gast im Café.
Frau Grupner kommt zwar aus Pankow und lebt auch dort, arbeitet aber schon seit 1992 im Eiscafé Surprise.

OKS-lab: Was ist dir wichtig bei der Zusammenarbeit mit Bildredakteur*innen, wenn du Aufträge bekommst, wie solche des Shooting Days?

AS: Neben einem klaren Briefing ist mir wichtig, dass ich bei Rückfragen eine/-n Ansprechpartner/-in habe. Nach Erledigung eines Auftrags finde ich es auch nett, auf dem Laufenden gehalten zu werden, zum Beispiel mit einer Rückmeldung, dass der/die Redakteur/-in die Daten erhalten hat und eine ungefähre Angabe, was wann damit geschieht. Mit Max hat das alles gut geklappt.


Livio Lipp (geb. 1962) lebte, wie auch schon sein Vatervor ihm, immer nur in Weißensee.

Jördis Miethe ist 42 und auch sie wohnt schon ihr ganzes Leben lang in Weißensee. Als Kind hat sie in der Indira-Gandhi-Straße gelebt, wo sie inzwischen wieder wohnt. Als Anika Spereiter sie fragte, warum so viele WeißenseerInnen offenbar immer nur innerhalb von Weißensee umziehen, hat sie gelacht und gesagt “Einmal Weißenseer, immer Weißenseer!”

Anika Spereiter hat ein Studium in Medieninformatik absolviert und erstellt beruflich Motion Graphics. Seit 2018 studiert sie an der Ostkreuzschule Fotografie. 

Betreuender Bildredakteur: Max Zerrahn

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