Inside Photo Editing: Anna Merten

Absolventen/-innen der Ostkreuzschule für Fotografie, die als Bildredakteur/-innen bei einer Zeitung, einem Magazin, einer Bildagentur etc. arbeiten, geben einen Einblick in den Prozess von der Idee bis zur Veröffentlichung.

Ein Gespräch mit Anna Merten, Bildredakteurin für die Magazine GALORE, MINT und VISIONS.

Foto: Tabea Hahn

Anna Merten ist verantwortliche Bildredakteurin für gleich drei Magazine: die Musikzeitschrift Visions, das Interviewmagazin Galore; und Mint, das „Magazin für Vinyl-Kultur“. Nach ihrem Fotodesign-Studium an der Fachhochschule Dortmund war sie unter anderem als freie Bildredakteurin für das Handelsblatt und die Wirtschaftswoche in Düsseldorf tätig, bevor sie 2017 in die Redaktionen der drei Kultur-Titel wechselte. Parallel zu ihrer dortigen Arbeit begann sie zudem an der Ostkreuzschule für Fotografie das Studium Bildredaktion, das sie im Frühjahr 2018 abschloss.

OKS-lab: Wie unterscheiden sich die einzelnen Magazine? Gibt es verschiedene Herausforderungen oder Herangehensweisen?

Anna Merten: In Visions werden zu 70 Prozent Pressebilder abgedruckt. Meine Arbeit besteht darin, diese sogenannten „Promos“ bei den Agenturen anzufordern, zu sichten und eine Auswahl zu treffen. Natürlich gibt es auch Shootings, die finden aber vergleichsweise selten statt. Dann sind da noch die Konzertberichte, für deren Bebilderung ich Live-Fotografen/-innen beauftrage. Für den Heftauftakt mit seiner News-Sektion recherchiere ich außerdem aktuelle Fotos bei Bildagenturen.

Bei Galore versuchen wir, die Interviews möglichst selbst fotografisch zu begleiten. Das Konzept des Magazins sieht lange Gespräche in Frage-Antwort-Form mit populären Persönlichkeiten vor, oft sprechen wir aber auch mit relativ unbekannten, aber interessanten Menschen, Wissenschaftler/-innen zum Beispiel. Hinzu kommt in jedem Heft eine Reportage zu einem gemeinnützigen Verein. Meine Hauptaufgabe ist die Organisation dieser Shootings. Ein großer Kulturteil im letzten Heftdrittel berichtet über Musik-Neuveröffentlichungen, Kinofilme und DVDs, der besteht wieder meist aus Pressebildern.

Mint schließlich beinhaltet eine solche Themenvielfalt, dass man gar nicht von einer einzigen Herangehensweise sprechen kann. Von Geschichte zu Geschichte unterscheiden sich meine Schwerpunkte. Es gibt Features, für die ich freie Fotografen/-innen beauftrage, es gibt aber auch welche, für die ich selbst fotografiere oder für die ich mit Illustratoren/-innen zusammenarbeite. Sicherlich hat auch Mint wiederkehrende Rubriken, aber es gibt immer wieder Storys zu ziemlich speziellen Themen, sodass ich überlegen muss, wo und wie ich Bilder beziehen kann. Einmal hatten wir eine Geschichte über neuartige Schallplatten, die mit Hilfe eines Geräts zwischen Plattenspieler und TV-Bildschirm in der Lage sind, zur Musik Bewegtbilder abzuspielen. Das ist ein so einzigartiges Sujet, dass es dazu kein Bildmaterial gibt, man muss es also auf jeden Fall fotografieren lassen. Und zwar so, dass es die Leser/-innen auch auf Anhieb verstehen.

VISIONS Abonnenten-Ausgabe 302, Mai 2018, Titelfoto: Marina Weigl
GALORE Ausgabe 28, 04/2018, Titelfoto: Jonas Holthaus
MINT Ausgabe 19, 04/18, Titelfoto: Reed Young

Du greifst also manchmal auch selbst zu Kamera?

Ja, aber nur wenn die Reportagen-Standpunkte in oder um Dortmund herum liegen. Es ist immer eine schöne Abwechslung, weil ich mal aus dem Büro rauskomme und interessante Menschen kennenlerne.

Sowohl in deiner Arbeit als Fotografin als auch in deiner Arbeit als Bildredakteurin scheint dein Steckenpferd die Porträtfotografie zu sein. Wie wichtig ist es deiner Meinung nach als Bildredakteur/-in seinen fotografischen Vorlieben zu folgen?

Gute Bildredakteure/-innen passen sich an ihr Magazin an. Klar ist es hilfreich, wenn man bei einem Magazin arbeitet, das genau für die Bildsprache steht, die einem selbst gefällt, aber das ist natürlich nicht immer der Fall. Nehmen wir das Handelsblatt. Das ist eine Tageszeitung, was heißt, dass oft Nachrichtenbilder Gegenstand meiner Arbeit waren, und die entsprechen nicht immer der eigenen ästhetischen Vorstellung von einem guten Bild. Wenn man etwa eine/-n Politiker/-in abbildet, muss es manchmal ein Foto der Person sein, das genau an dem Tag und auf der Veranstaltung aufgenommen wurde, von dem und von der die Meldung berichtet. Bei diesen Voraussetzungen sind die gestalterischen Möglichkeiten von Bildredakteuren/-innen begrenzt. Trotzdem sollten gute Bildredakteure/-innen auch in solchen Fällen nach Bildern suchen, die durch ihre besondere Bildsprache überzeugen.

Denkst du, dass man als Bildredakteur/-in eine eigene Handschrift haben kann, die man dem Magazin ansieht?

Das kommt auf den Titel an. Ich finde es schwierig, bei Visions eine eigene Handschrift einzubringen, denn aufgrund des vielen Pressematerials kann ich nichts weiter tun, als aus den mir geschickten Bildern das beste auszusuchen. Ich habe gar nicht die Option, Fotografen/-innen auszusuchen, die für bestimmte Stile stehen, weil ich mit dem arbeiten muss, was ich erhalte. Bei Galore und Mint dagegen habe ich weitaus mehr Spielraum.

Was hat sich dort verändert, seit du Bildredakteurin bist?

Ich habe den Fotografen/-innen-Pool erweitert. Ich arbeite weiterhin mit Fotografen/-innen zusammen, die auch vorher für das Magazin tätig gewesen sind, aber ich habe auch viele neue beauftragt, um ein andere Bildsprache auszutesten. Junge oder mir bisher unbekannte Fotografen/-innen bewerben sich konstant, außerdem suche ich selbst viel und gerne nach neuen Gesichtern und frage dann die an, deren Arbeiten mir gefallen. Ich finde, dass man Fotografen/-innen, die noch nicht für ein Magazin fotografiert haben, eine Chance geben muss, Erfahrungen zu sammeln. Solchen Fotografen/-innen versuche ich einen Auftrag zu geben, bei dem sie mehr Zeit zur Verfügung haben als es normalerweise üblich ist. Wenn das nicht gegeben ist, wende ich mich eher an erfahrene Kräfte.

Du hattest bereits einige Zeit als Bildredakteurin gearbeitet, als du das Studium Bildredaktion an der Ostkreuzschule anfingst. Was hat dich zu der zusätzlichen Ausbildung bewogen?

Ich bin davon überzeugt, dass man sein Leben lang lernt. Zwar wusste ich, wie die Arbeit in einer Redaktion abläuft und hatte schon einen Erfahrungsgrundschatz. Was mir aber oft zu kurz kommt, auch wenn man dann wirklich im Beruf arbeitet oder ein Praktikum absolviert, ist das Erzählen von Geschichten mit und das Editieren von Bildern. Beides wollte ich vertiefen.

MINT Mai 2017, Foto: Andreas Hornoff
GALORE Juli 2017, Foto: Nikita Teryoshin

Was sind die größten Veränderungen, auf die sich angehende Bildredakteur/-innen zukünftig einstellen müssen?

Ich glaube, dass unsere Arbeit immer digitaler wird. Das sieht man an Magazinen wie Neon oder Intro, die lange auf dem Markt waren, aber jetzt leider nicht mehr existieren. Ich glaube, in den kommenden Jahren werden immer mehr Magazine eingestampft. Ich glaube, Flexibilität ist generell wichtig, auch als Fotograf/-in. Sicherlich wollen eine Menge junge Fotografen/-innen gerne in den Printbereich, aber sollten in zehn Jahren nur noch Online-Magazine relevant sein und gedruckte gar nicht mehr, sollte man auch nicht daran festhalten, dass man schon immer für ein Printmagazin fotografieren wollte.

Ich kann mir vorstellen, dass multimediale Formate noch wichtiger werden, aber ich glaube auch, dass es immer Nischen für Bildredakteure/-innen geben wird. Ich denke, dass man offen bleiben muss und sich umschauen sollte, was der Markt zu bieten hat. Als Bildredakteur/-in hat man unheimlich viele unterschiedliche Kompetenzen, die man anbieten kann. Also sollte man sich nicht auf eine Sache versteifen, sondern seine Fähigkeiten und deren Einsatzmöglichkeiten richtig einschätzen. Vielleicht arbeitet man später nicht in einer Redaktion, sondern findet eine gute Tätigkeit in einem Bereich, in dem man seine Kompetenzen als Bildredakteur/-in sinnvoll abrufen kann.

Anna Merten wurde 1985 in Köln geboren. Sie studierte Foto-Design an der Fachhochschule Dortmund und absolvierte die Bildredaktionsklasse unter der Leitung von Nadja Masri an der Ostkreuzschule für Fotografie. Seit 2017 arbeitet sie als Bildredakteurin für die drei Magazine Galore, Mint und Visions.


Beitragsbild: VISIONS Abonnenten-Ausgabe 290, Mai 2017, Titelfoto von Nico Wöhrle