OKS-lab fragt…

In der Serie »OKS-lab…« beantworten Dozenten, Fotografen/-innen, Macher/-innen und Absolventen/-innen im Rahmen der Ostkreuzschule für Fotografie Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie und Lebensart.

Ein Gespräch mit: Uli Kaufmann, Fotograf und Absolvent der Ostkreuzschule

Uli Kaufmann beendete gerade sein Studium an der Ostkreuzschule mit der Fotoserie »Einszweidrei, im Sauseschritt läuft die Zeit; wir laufen mit«, welche auf der Abschlussausstellung »Jahrgang ZWÖLF« zu sehen war. Die weitaus größere Ausstellungsfläche für eine seiner Auftragsarbeiten bietet gerade Berlin selbst. An Litfaßsäulen, Wänden und Bushaltestellen hängen Plakate der neuen Hertha BSC Kampagne mit seinen Fotos. Wir sprechen mit Uli darüber, wie es zu diesem Auftrag kam und wie er das Motto der Kampagne: »IN BERLIN KANNST DU ALLES SEIN. AUCH HERTHANER.« erlebt und lebt.

OKS-lab: Wann und wie hat dich die Fotografie gepackt? Bis 2015 warst du ja noch als Krankenpfleger in Jena tätig.

Im März 2015 bin ich aus der Krankenpflege raus und nach London gezogen. Ich hatte mir dort Geld in Form von Zeit oder andersrum, Zeit in Form von Geld eingeplant, um mal kurz zu mir zu kommen. Dort habe ich dann angefangen die Stadt mit einer Kamera zu entdecken – eigentlich eine ganz profane Geschichte. Ich habe die Straße fotografiert, da London ja ehrlich gesagt auch eine gute Plattform ist, um genau das zu tun. Ich habe dort schnell angefangen für Immobilienagenturen Innenraumfotos zu machen. Am Tag habe ich da zwischen fünf und neun Wohnungen fotografiert in den unterschiedlichsten Ecken und hatte bei der Gelegenheit natürlich die Chance die Stadt zu sehen und im wahrsten Sinne drauf los zu fotografieren. Dabei dann peu à peu zu verstehen, was könnte ein gutes Bild sein, warum ist das ein gutes Bild, wie kann ich das ausdrücken. So kam das. Ist noch nicht lange her, 2015.

OKS-lab: Wie bist du dann an die Ostkreuzschule und somit auch nach Berlin gekommen?

Ich war ja in der Straßenfotografie drin, da kam der Wunsch auf die Dokumentar-, aber auch die Straßenfotografie nicht mehr alleine stehen zu lassen, sondern durchaus auch in Serien zu arbeiten. Ich wollte Fotografie studieren, habe angefangen zu recherchieren und bin dann unter anderem über die ARTE Reportage über die Agentur Ostkreuz zur Schule gekommen. Und je mehr ich mich da eingelesen habe, desto mehr war mir klar, dass das für mich die einzige Option ist, wie ich ein Fotografiestudium wahrnehmen möchte. Ich bin dann mal eben von London zurück über Jena nach Berlin gekommen, um zu studieren. Auf Anraten von Ute Mahler habe ich die Basisklasse übersprungen und bin gleich in die Fachklasse gerutscht.

OKS-lab: Wie würdest du deine Fotografie beschreiben – was ist dir bei deiner Fotografie wichtig, was möchtest du mit ihr ausdrücken?

Eine Momenthaftigkeit. Ich hatte das große Ziel, dass man das meiner Abschlussarbeit auch hoffentlich ansieht. Im Wesentlichen mag ich den Kontakt zu Menschen, vor allem zu sehr echten Menschen oder überhaupt zur Echtheit des Lebens. Ich versuche so Momente zu finden die viele spüren und erleben, aber vielleicht nicht festhalten können und diese dann auf eine ganz spezielle Art von Skurrilität, Humor und Momenthaftigkeit irgendwie zusammen zu bringen. Das ist das was mich interessiert, zumindest in der freien Fotografie.

OKS-lab: Aktuell kann man deine Fotos in der ganzen Stadt sehen. Du hast die neue Kampagne des Hertha BSC fotografiert. Wie bist du an diesen Job gekommen, wie kam die Zusammenarbeit mit Jung van Matt/ Sports zusammen?

Ich glaube die Geschichte fängt dort an, dass die Kampagne des BSC des letzten Jahres  nicht so gut lief. Man hatte das dringende Gefühl, man muss da was verändern. Mein Dozent Ludwig Rauch wurde von seinem Sohn David Mallon dem Art Director, der dem BSC beratend zur Seite steht, gebeten, ob er nicht einen jungen frischen Fotografen kennt, der die Dinge ein bisschen anders angeht und möglicherweise auch den Bezug zur Straße hat, da das Konzept der Kampagne ja ganz klar straßenorientiert war. Da hat er mich ins Spiel gebracht, da er fand, nachdem er das Briefing gelesen hatte, dass das gut auf mich passen würde. Hinter meinem Rücken bin ich schon als Vorschlag gelaufen und habe dann erst den Anruf bekommen, ob ich mir das vorstellen könnte. Die Tatsache, dass da Jung van Matt dabei ist, habe ich dann auch erst später rausgefunden – in meinem ersten Briefing dieser Art, als ich dann im Meeting saß mit den Hertha Verantwortlichen, die sich um die Marke BSC kümmern, und dem Art Director. So kam das zustande.

OKS-lab: Wie bist du mit den Erwartungen klar gekommen?

Ich habe gefühlt alle Höhen und Tiefen eines Fotografenlebens im Schnelldurchlauf durchlebt. Je mehr ich mir eingeredet habe, dass ich total cool bleibe, desto aufgeregter war ich natürlich. Gerade vor dem ersten Shooting sind mir viele Sachen durch den Kopf gegangen. Das erste Shooting lief so, dass wir die ersten 26 Motive an einem Tag geshootet haben, wir sind mit einem Team von zehn Leuten quer durch Berlin gelaufen. Verschiedene Sachen waren geplant, andere aber auch total ungeplant. Es kam vieles auf mich zu, was neu für mich war, wie die Zusammenarbeit mit so vielen Leuten oder auch Bilder für einen Druck dieser Göße in der finalen Post Produktion vorzubereiten. Im Guten wie im Schlechten mal wirklich nur der Fotograf sein und eben nicht der, der bis zum Schluss alles ausproduziert, nicht mal der, der die Bildauswahl macht, sondern nur der kommuniziert und den Auslöser drückt und seine Kamera im Griff haben muss.

OKS-lab: Einige Fans wurden auch direkt von euch auf der Straße angesprochen.

Ja genau, das ist dann sozusagen oder möglicherweise auch einer der Gründe, der mich ins Spiel gebracht hat, da ich relativ unkompliziert Leute auf der Straße anquatsche. Ich würde sagen, zu 80 Prozent sind die im Vorfeld gecastet, es gibt eine Webseite, die heisst auch-herthaner.de, wo sich eben waschechte Herthafans registrieren können und die Kampagne dann vorsieht nach Verwaltungsbezirken Bestimmte davon einzuladen, um dann von mir fotografiert zu werden. Je nach Zeit während der Shootings quatschen wir auch direkt Leute an, »Bist du nicht Hertha Fan?« oder auch seitdem ich darauf achte, sehe ich, dass Leute mit Hertha Fan Artikeln eh rumlaufen und die sind natürlich dankbar anzusprechen, ob sie sich nicht vorstellen könnten mit zu machen. Das klappt echt ganz gut.

OKS-lab: Die Ostkreuzschule ist nicht gerade die Schule, die auf Werbefotografie ausgerichtet ist. Wie hat sie dich dennoch auf diese Art von Aufgabe vorbereitet?

Also ich denke, dass die Ostkreuzschule mir viele Sachen mit an die Hand gegeben hat, die man so oder außerhalb einer solchen Einrichtung einfach nicht lernen kann. Gepaart mit der Tatsache, dass was man an vielen Stellen peu à peu, wenn man sich für Werbung  interessiert, glaube ich sieht ist, dass der Wunsch zur Authentizität hin kippt und der authentische Dokumentarlook einfach mehr und mehr gefragt ist. Was natürlich der Ausbildung an der Ostkreuzschule, also für mich als neuen, jungen Fotografen total in die Karten spielt. Zunehmend sind große Firmen daran interessiert Werbekampagnen so authentisch wie möglich zu machen und diese mit verringertem Produktionsaufwand bestreiten zu können. So nach dem Motto »Kamera um und los«.

OKS-lab: Der Fokus der Kampagne liegt auf das mit Einbinden der Fans, das bunte vielfältige Berlin soll gezeigt werden. Der Slogan lautet »IN BERLIN KANNST DU ALLES SEIN. AUCH HERTHANER.« Du bist seit 2016 in Berlin, wie siehst du die Stadt, was gefällt dir hier, ist Berlin der Ort für deine Fotografie?

Ich sehe letztendlich die Stadt ungefähr so wie die Kampagne es zeigt, sehr sehr vielfältig und das mein ich wirklich nicht nur positiv. Berlin kann vieles sehr gut, aber es ist irgendwie trotzdem ganz anders als andere Städte. Also in erster Linie ist Berlin schon mal keine Metropole. Das hat oft Vorteile, aber manchmal auch Nachteile, weil es dann doch manchmal in vielen Punkten zu behäbig ist. Was zum fotografieren dann wirklich sehr schwierig ist, weil es ein seltsamer Mix aus Berliner Rauheit und hier und da auch deutscher Mentalität ist. Ich fand Berlin immer unfotografierbar, nichts desto trotz ist Berlin eine sehr gut, gerade in der Fotografie und Kunstszene, vernetzte Stadt.  Die absolut alternativlos für mich aktuell der Mittelpunkt meines Lebens ist und in Zukunft auch bleiben wird. Vorausgesetzt der Tatsache, dass ich mich mit meiner Arbeit innerhalb Deutschlands bewege. Ich fühle mich total wohl hier. Man muss nur so ein bisschen seinen »Groove« finden. Und ich glaube Berlin kann so sein wie du willst, du musst nur rausfinden was du willst, irgendwie so, das ist glaube ich der Clou an der Stadt.

OKS-lab: Das Studium an der Ostkreuzschule ist jetzt vorbei. Die Abschlussausstellung fand am 5. Oktober statt. Rückblickend. Was hast du mitgenommen, was hat dir am meisten an der Schule gefallen? War es so, wie du es dir vorgestellt hattest, als du angefangen hast?

Ich weiß gar nicht ob ich mir überhaupt irgendwas vorher vorgestellt hatte, da ich ja insgesamt fast zehn Jahre lang Krankenpfleger war. Ich hatte a) keine Ahnung wie studieren eigentlich ist und b) mir war schon klar, dass die Ostkreuzschule bestimmt auch gar nicht dieses normale Studieren ist von dem immer alle reden, sondern ein alternatives Konzept. Letztendlich habe ich es mir im Hinterstübchen bestimmt schon so vorgestellt wie es ist.

Ich glaube Fotografie ist zum großen Teil ein Selbstauftrag, man muss sich sehr, sehr viel selber beibringen, selber bemühen, selber machen. An den Stellen, wo man mit all diesen Bemühungen an seine Grenzen stößt, da genau kommt eine Ostkreuzschule in Form einer, jetzt in dem Beispiel, Ute Mahler, die einen dann über diese Grenzen hinaus bringt. Die einem eben genau die Sachen beibringt, die man nicht im Internet lernen kann, das Verstehen warum ist das gute Bild ein gutes Bild oder was kann ein Thema sein und was nicht.

Oft sind es auch die Sachen neben der Fotografie selbst, die auch dazu gehören. Letztendlich die Sachen, die man sich einfach nicht selber beibringen kann, wie zum Beispiel die Erfahrung mit dem Umgang. Auch nur der regelmäßige Austausch, überhaupt in der Gruppe zu sitzen und sich sozusagen für seine Bilder rechtfertigen zu müssen und nicht nur mit sich selbst die ganze Zeit seine eigenen Bilder schlecht oder auch was viele machen, seine eigenen Arbeiten nur gut zu reden, ist ja schon nicht schlecht. Da immer mal ein sehr authentisches Feedback zu bekommen ist allein schon so viel wert und auch alles wert was diese Schule von einem fordert.

 OKS-lab: Was würdest du den neuen Studenten/-innen mitgeben?

Das Übliche, rausfinden, was sie da wirklich wollen. Vor allem aber die Ostkreuzschule als das wahr zu nehmen was sie ist und nicht einfach alle Viere von sich zu strecken und so nach dem Motto Ostkreuzschule mach mal, zaubere mal einen Fotografen aus mir. Das ist nicht der Fall, das wird die Ostkreuzschule auch nicht tun, sondern auch die Ostkreuzschule, ähnlich wie die Stadt Berlin, kann nur so viel rausgeben, wie du selber reinsteckst und das was ich erfahren habe ist, dass je mehr ich in die Schule reingesteckt habe, desto mehr kam da auch einfach zurück. Und hat mich als Fotograf, aber vor allem auch mich als Person weiter gebracht und das funktioniert nicht, wenn man die Erfordernisse – und das ist ja nun schon sehr alternativ – nicht erfüllt. Das ist nicht die normale Welt, die ich sonst kennen gelernt habe in den Jahren davor, sondern es ist schon eine relativ kleine Blase und zumindest in der muss man, wenn man wirklich Bock auf die Fotografie hat, wie gesagt, ganz schön reinhauen, dass man damit weiter kommt und dann sind alle Dozenten der Schule mit ihren Ideen für einen da. Und werden einen weitertragen, so zumindest ist es bei mir der Fall gewesen.

OKS-lab: Was kommt nach der Ostkreuzschule, an was für einem Projekt arbeitest du gerade?

Also gefühlt ist das ein fließender Übergang und ich bin schon mitten in diesem nach der Ostkreuzschule. Zum einen läuft natürlich dieses Hertha Projekt bis Ende der Saison, also bis Mai nächsten Jahres. Alle zwei Wochen werden neue Plakate in der Stadt hängen, bis hin zu, glaube ich, 300 finalen Plakatmotiven, das wird die vermutlich größte Mitmach-Plakatkampagne Deutschlands. Mal sehen, Jung van Matt wird sich da schon kümmern, dass das irgendwie noch Stellung findet. Zum anderen fotografiere ich ja nach wie vor kommerziell und werde gucken, dass die Werbung jetzt nicht mein großes Steckenpferd wird, aber ich interessiere mich sehr dafür. Ich werde weiter als Lichtassistent arbeiten und mache Filmjobs als freier Kameramann für verschiedene Firmen. Ich arbeite kommerziell und habe auch jetzt schon weitere Ideen für nicht kommerzielle, freie Projekte. Ich versuche den Spagat hin zu bekommen, dass ich mir mit möglichst gut bezahlten kommerziellen Projekten, möglichst viel freie Zeit erkaufen kann, die ich dann wiederum für freie Projekte investieren kann ohne wirtschaftliche Not im Hinterkopf zu haben. Das wäre mein optimaler Fall für die nächsten 2–5 Jahre.

OKS-lab: Vielen Dank für Deine Zeit, Uli!

 

Uli Kaufmann wurde 1986 in Jena geboren. Er lebt und arbeitet als freier Fotograf in Berlin. Sein Studium an der Ostkreuzschule für Fotografie har er 2018 abgeschlossen. Der Fokus seiner freien dokumentarischen Arbeiten liegt auf sozialen Themen in Europa.

www.ulikaufmann.de

Beitragsbild: Ute Mahler

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