Nahaufnahme

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotografen/-innen und Dozenten/-innen der Ostkreuzschule über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Diesmal haben wir die Fotografin und OKS-Studentin Julia Fenske darum gebeten, uns einen Einblick in die Entstehung ihres Fotos zu geben.

Ohne Titel, Foto: Julia Fenkse

Ein sogenannter Schicksalsschlag trifft uns im Leben immer unvorbereitet. Deswegen heißt er wohl auch so. Man kann sich nicht auf ihn einstellen oder sein Leben danach planen. Er wirft einen aus der Bahn und alles, was vorher normal war verschimmt geradezu in einem Meer von Hilflosigkeit und Schmerz. Planen oder der Alltag werden zweitrangig. Das oberste Ziel ist es ab dem Zeitpunkt des Geschehens nicht in diesem Meer unterzugehen und sich mit allen Kräften über Wasser zu halten. Und egal wie viel Hilfe man von Freunden und Familie beanspruchen kann, der Schmerz bleibt trotzdem ständiger Begleiter, Tag und Nacht.

Der Schmerz eines Schicksalsschlages, sei es Verlassen geworden zu sein, der Tod eines geliebten Menschen oder ein anderes Lebensereignis, dass uns komplett aus der Bahn wirft, er ist uns ins Gesicht geschrieben. Unübersehbar und mit einer erschreckenden Tiefe. Gleichzeitig hat es fast auch etwas Schönes, da das Gesicht ohne jede »Alltagsmaske« die Tiefe der Eruption einer menschlichen Seele verriet und nichts ehrlicheres habe ich jemals an Menschen beobachten können.

Ein Gesicht zeichnet wahnsinnig viele unterschiedliche Facetten in dieser Zeit des Seelenzustandes eines Menschen ab. Die Arbeit ist ein Versuch, diese ehrlichen und natürlichsten Facetten eines Menschen abzubilden. Niemals sonst sind wir nackter und verletzlicher und trotz dessen gleichzeitig zu unfassbarer Stärke aufgerufen. Es ist ein Zusammenspiel von Leere und gleichzeitiger konzentrierter Tiefe in den Augen, sowie einem weichen Gesicht trotz verhärtetem Gesichtsausdruck, der beschriebt, dass es um das Ertragen und Abwarten geht, bis der Schmerz nachlässt. »Die Zeit heilt alle Wunden« sagt man, weil es eine Wunde ist, die heilen muss. Ein tiefer Blick in die Seele eines Menschen.

Ich habe während des Entstehens des Bildes vor allem darauf geachtet dem Portraitierten auf jeden Fall »zu nah« zu kommen. Dafür hat es eine große Vertrauensbasis gebraucht. Es war mir bei der Entstehung des Bildes sehr wichtig, dass ich meine Beobachtungen auch ins Bild übertrage. Ich habe das Licht also so gesetzt, dass der Fokus wirklich auf seinem Gesicht lag und ich so versuchen konnte die vielen Facetten auf das eine Bild zu bekommen.

Julia Fenske wurde 1985 in Wilhelmshaven geboren. Sie ist freischaffende Fotografin und hat zuvor Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaften in Halle studiert. Derzeit absolviert sie die Basisklasse bei Werner Mahler an der Ostkreuzschule für Fotografie. Sie lebt und arbeitet in Halle und in Berlin.

 

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