„Shooting Day Weißensee“ 2017 – Teil II

Ende September fand zum sechsten Mal der alljährliche Shootingday Weissensee statt. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Bild dieses facettenreichen Bezirks ermöglichten auch diesmal das Entstehen neuer und spannender Auseinandersetzungen. Rund um den Stadtteil wurden insgesamt 20 ganz unterschiedliche Fotoarbeiten realisiert. Das Kooperationsprojekt zwischen Fotografiestudenten/-innen der Fachklasse und Studenten/-innen der Bildredaktionsklasse nimmt mittlerweile einen festen Platz im Ausbildungsprogramm an der Ostkreuzschule für Fotografie ein und bildet für beide Seiten einen professionellen Rahmen für spätere berufliche Alltagssituationen.

Im Vorfeld recherchierten die Bildredakteure/-innen jeweils Themen, suchten Locations, setzten sich mit Ansprechpartnern in Verbindung und holten Genehmigungen ein. Am Ende wird aus all diesen Informationen ein Briefing für den Fotografen erstellt. Das Briefing ist Grundlage für die praktische und persönliche Umsetzung und wird erst kurz vor dem Fototermin übermittelt. Inhaltliche und technische Vorgaben sowie die Einhaltung einer Deadline werden vorausgesetzt und stellen die Fotografiestudenten/-innen vor eine Herausforderung, der sie auch im Berufsleben täglich begegnen werden. Improvisation und Konzentration sind gefragt. Die Fotografen/-innen sind angehalten trotz Zeitdrucks immer wieder das Beste aus der Situation zu machen.

Dieses Jahr nahmen die Fotografie-Fachklassen von Maria Sewcz und Sybille Fendt am Shootingday teil. Alle entstandenen Foto-Essays wurden nach dem Einreichen des Bildmaterials von den Bildredakteuren/-innen editiert. Als Resultat wurde in großer gemeinsamer Runde eine vielseitige Slideshow präsentiert. Ein wichtiger Punkt dabei war auch das persönliche Feedback.

Letzte Woche haben wir euch, Second Face, die Arbeit von Valeria Mayer gezeigt. Diese Woche möchten wir die Arbeit von Oscar Wellenstein präsentieren.

Oscar hat Weissensee in Lynch-Manier fotografiert. Bei diesem Shooting ging es darum, in den Aufnahmen, eine besondere Atmosphäre zu schaffen, die auf die Filme von David Lynch verweist.

Durch seine Bilder begleitet uns Oscar auf einer Traumreise: in kürzester Zeit gelang es ihm beeindruckende Aufnahmen zu machen, die die surrealste und unerwartetste Seite eines scheinbar ruhigen Stadtviertels beschreiben.

Oscar Wellenstein zu seinen Erfahrungen während des Shooting Day Weissensee:

OKS-lab: Wie war es für dich diesen Auftrag unter Zeitdruck auszuführen?

Oscar Wellenstein: Ich fand es anfangs etwas beunruhigend mit einem solch begrenzten Zeitfenster zur Verfügung, nur von dem abhängig zu sein, was sich mir zufällig offenbaren würde. Deshalb packte ich mir einige Elemente wie den Cowboyhut (inspiriert durch die Cowboyfigur aus ’Mulholland Drive’ ) und einen guten Freund ein, der unter anderem als Model und Assistent fungieren sollte. Zu zweit einen Tag lang durch Weissensee zu flanieren, zu beobachten und wenn sich die Gelegenheit anbietet, etwas die Aufmerksamkeit erregt oder sich eine Idee einfindet, ein Bild zu machen, stellte sich als wesentlich angenehmere Arbeitsweise heraus als ich zu Beginn erwartet habe.

Was hat dich am Lynch Thema interessiert?

Ich wollte mich schon seit geraumer Zeit mit Lynchs Werk auseinandersetzen und hatte nun endlich einen guten Grund dafür. Ich mag die Ästhetik seiner Filme, die schöne Ausstattung, die verschachtelten Bildwelten. Aber auch die Überlappungen von Innerem und Äußerem, das Traumhafte, das Schräge. Sie wirkten auf mich sehr anregend.

Manche seiner Songs finde ich auch ganz interessant, seine Malerei eher weniger. Mich fasziniert seine schöpferische Kraft, die er wohl zu entfalten wusste. Allerdings stößt mich seine Tätigkeit in der TM-Organisation, die mit Meditationskursen Millionen verdient und irgendwelchen schwitzigen Typen, die willig sind, einen gewissen siebenstelligen Betrag zu entrichten, ihnen goldene Alu-Krönchen aufsetzt und sie zu spirituellen Oberhäuptern erklärt, ziemlich ab.

Wie hast Du das Bild mit der schwebenden Wolke erstellt?

Mein Freund diente neben Erwähntem auch als menschliche Nebelmaschine. Er hat ein Faible für stark motorisierte E-Zigaretten und beschäftigt sich viel mit dem Blasen und Formen solcher Wolken.

Was sind deine Hauptinteressen als Fotograf?

Etwas für mich Besonderes aus dem Alltag und dem Gewöhnlichen aufzugreifen und ihm somit einen eigenen Platz zu geben. Das partielle Festhalten des unfassbar großen Spektrums an Ausdrucks- und Erlebensformen menschlichen Daseins. Es ist auch die stetige Auseinandersetzung mit mir selbst und meinem Verhältnis zur Außenwelt. Außerdem fasziniert mich die Technik, wie man es zustande brachte das Licht in seinen unterschiedlichen Beschaffenheiten als ein Abbild einer Sache auf einen Träger zu binden, reflektiertes Licht eines wahrgenommenen Augenblicks, isoliert, für eine relative Ewigkeit zu konservieren. Auch fand ich den Gedanken immer schön mal irgendwann einen Betrachter eines meiner Bilder eine Nostalgie spüren zu lassen, die an eine Zeit oder eine Sache geknüpft ist, welche er oder sie vielleicht selbst nie erfahren hat.

Dein Stil fühlt sich sehr persönlich und einzigartig an. Abgesehen von Lynch – wer hat dieses Shooting außerdem inspiriert? Was inspiriert dich im Alltag (Kino, Literatur, Fotografie)?

Für dieses Shooting lässt sich das schwer sagen. Ich habe so gut es geht versucht die Schnittmenge aus meinen Lynch-“Studien” und dem was sich mir eröffnet hat zu finden. Ich würde deshalb sagen, dass die entstandene Serie nicht unbedingt repräsentativ für meine bisherige Arbeitsweise ist. Ich denke ich schöpfe da aus der Gesamtheit meiner Erfahrungen, aus Begegnungen, Gesprächen, Ausstellungen, täglichen Beobachtungen, den Medien. Gerade lese ich gerne Tom Robbins. Ich schaue sehr gerne Filme. Für meine eigene Arbeit interessieren mich jedoch oft nur einzelne Szenen und Bilder, welchen ich mir technisch oder gestalterisch etwas abschauen möchte. Fotografisch gibt es vieles, das ich mir gerne anschaue, allerdings gibt es nur wenige Fotografen, die ich durch die Bank weg großartig finde. Es sind auch hier häufig einzelne Arbeiten, die mich anregen. Bruce Davidsons ‘Subway’, vieles von Diane Arbus und William Eggleston, Tillmanns ‘Abstract Pictures’, ein New Yorker Taxifahrer, der 20 Jahre seine Fahrgäste portraitierte, um ein paar zu nennen.

Wie war für dich die Zusammenarbeit mit einem Bildredakteur?

Die Kommunikation war unkompliziert, reibungslos und sehr offen, so wie ich es mir wünsche. Es hat mir super viel Spaß gemacht, war spannend und unglaublich lehrreich!

 

Alle Fotografen/-innen des „Shootingday“: Eric Birnbaum, Eneas Bohatsch, Clemens Fischer, Valentin Fischer, Baris Guerkan, Nicola Ihde, Palli Jonsson, Jasper Kettner, Johannes Kleinert, Lena Loose, Valeria Mayer, Lara Ohl, Nils Romahn, Laura Schleder, Stefanie Schnuerch, Hannah Schönwald, Nikolaus Stein, Maximilian Teucher, Mika Völker, Oscar Wellenstein.

Betreuende Bildredakteure/-innen:Barbara Bauer, Winifred ChiocchiaMiriam Klingl, Zarko Matovic,  Anna Merten, Magnus Pölcher, Ariane Rosenberg, Lena Sikorski, Caroline Scharff, Sebastian Stamatopoulos, Nina Straßgütl, Jana Voigt.

Vielen Dank an Alle für die gelungene Zusammenarbeit!