OKS-lab fragt…

In der Serie «OKS-lab fragt…» beantworten Dozenten, Fotografen, Macher und Absolventen im Rahmen der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie und Lebensart.

Ein Gespräch mit:

Claire Laude, Isabel Kiesewetter und Elena Capra, Mitglieder von EXP12

exp12 / exposure twelve ist ein Zusammenschluss mehrerer Fotografen mit dem Ziel, dem Diskurs und Austausch zeitgenössischer Fotografie und deren Autoren ein Forum und einen Ort zu schaffen. Das Kollektiv hat sich nach siebenjähriger Tätigkeit aufgrund der Schließung des Projektraums aufgelöst. Am 29. April 2017 wurde der Abschied gefeiert.

Foto: Ina Schoenenburg

OKS-lab: Wie ist die Idee zu exp12 entstanden?

expo12: Viele von den Mitbegründern waren Schüler oder Meisterschüler der Ostkreuzschule. Grischa Meyer hatte eine Rundmail durch den Verteiler der Ostkreuzschule geschickt. Er kannte jemanden, der einen schönen Ausstellungsraum vermieten wollte. Mark de Longueville hat dann die entscheidende Email geschrieben. Er hatte Lust, etwas zu machen, ein Kollektiv zu gründen, Ausstellungen zu organisieren. Damals war noch gar nicht klar, wie das Ganze konkret aussehen sollte. Ungefähr zwanzig Leute haben positiv auf diese Email geantwortet, zwölf sind zu dem ersten Treffen gekommen. Am Anfang waren wir eine Produzentengalerie. Anfang Januar 2010 war unsere erste Ausstellung. Zwei Jahre lang hatten wir einen Raum in der Senefelder Straße. 2012 mussten wir die Räume verlassen und sind in die Greifswalder Straße umgezogen. 2013 haben wir einen Verein und denProjektraum gegründet.

Nach welchen Kriterien habt ihr Fotografen für Vorträge, Ausstellungen oder Workshops ausgewählt?

Wir waren ein Zusammenschluss mehrerer Fotografen mit dem Ziel, dem Diskurs und Austausch zeitgenössischer Fotografie eine Plattform zu bieten. Dabei waren wir unterschiedlichen Themen, Stilrichtungen und Bildsprachen gegenüber offen. Fotografie wurde für uns dann bedeutsam, wenn darin eine langfristige Auseinandersetzung mit einem Thema und Engagement für die persönliche Arbeit und Sichtweise erkennbar wurde. Das war unser Statement und nach diesen Kriterien haben wir Künstler ausgewählt, die zu uns passten. Wir haben immer intensiv über die Auswahl der Künstler diskutiert. Jeder von uns hatte die Möglichkeit, sein eigenes aktuelles Projekt auszustellen. Allerdings sollte immer mindestens die Hälfte der Ausstellungen im Jahr externen Künstlern gewidmet sein. Uns war immer wichtig, in unserem Programm eine Balance zwischen eigenen Projekten und externen Positionen zu finden. Während der letzten sieben Jahre hat sich die Ausrichtung der Fotografie, die wir ausgestellt haben, schon ziemlich verändert. Wir haben uns mit neuen Fragestellungen wie Räumlichkeit, Autorenschaft und Interdisziplinarität auseinandergesetzt. Die Präsentation neuer und bereits vollendeter Fotobuch-Projekte bildete einen besonderen Schwerpunkt. Außerdem waren wir immer ein internationales Kollektiv. Es gab viele gemeinsame Projekte mit Künstlern aus verschiedenen Ländern.

Gruppenausstellung Twelve Exposures, 2010

Wie war der Aufnahmeprozess für Neumitglieder?

Wir haben erstmal unter uns diskutiert, ob jemand jemanden kennt, der zu uns passen könnte. Wir hatten zwar auch viele Bewerbungen, aber fast alle neuen Mitglieder sind durch Empfehlungen anderer reingekommen. Wir haben die möglichen neuen Mitglieder zu einem Gespräch eingeladen, jeder hat sich und seine fotografische Arbeit vorgestellt und wir haben den Projektraum und die Arbeit, die damit verbunden ist, erklärt. Es ist schon so, dass wir einen Großteil der Zeit für exposure twelve mit Organisatorischem verbracht haben. Oft hatten die möglichen neuen Mitglieder Lust auf inhaltlichen Austausch oder den Wunsch im Kollektiv eigene Arbeiten zu besprechen, leider gab es dazu im Rahmen unserer Orga-Treffen viel zu selten Gelegenheit. Wir haben uns dann dafür alternative Termine überlegt, Workshops und Gruppenausstellungen organisiert, so dass wir auch inhaltlich miteinander im Gespräch waren. Aber der Schwerpunkt lag schon auf der Organisation der Ausstellungen. Das haben wir dann erklärt und geschaut, ob wir mit unseren Vorstellungen zusammenkommen. Und eigentlich hat es mit den neuen Leuten immer sehr gut geklappt. Die Gruppe hat sich verändert, aber das hat uns gut getan und viel neues Engagement mit sich gebracht.

Was war euer Highlight in der Zeit von exp12?

Alle Ausstellungen waren für uns ein Highlight, gerade weil sie so unterschiedlich waren. Es war immer interessant internationale Künstler wie zum Beispiel, Michel Le Belhomme, David Favrod, Anne de Gelas, Delphine Burtin, etc. bei uns zu haben. So konnten wir verschiedene Arbeitsweisen kennenlernen und uns untereinander austauschen. Die Slideshows, wie z.B. „The Flood Wall“, die wir nach unserem Umzug in die Greifswalder Straße organisiert haben, waren für uns besonders wichtig. Der neue Raum hatte ein großes Fenster zur Straße, das wir häufig als Projektionsfläche genutzt haben. Zu unseren Projektionen hatten wir viele internationale Künstler eingeladen. Die Veranstaltungen waren sehr gut besucht. „The Flood Wall“ z.B. haben wir noch zweimal mit Arbeiten anderer Künstler wiederholt. Das Format war sehr erfolgreich und wurde in verschiedenen Ländern (Frankreich, Schweiz etc.) auf Festivals und in Galerien gezeigt. Die Bücher-Ausstellung „made in Berlin“ war auch eine Veranstaltung, die uns besonders in Erinnerung bleiben wird. Wir hatten eine Ausschreibung gemacht und Berliner Künstler eingeladen, ihre Bücher einzureichen. Wir haben dann ca. 40 Bücher ausgewählt und am Abend der Eröffnung gab es einen lebhaften Austausch zwischen den Gästen und den Autoren, die fast alle anwesend waren.

Anne De Gelas, Einzelausstellung Mère et Fils, 2015, Foto: Ina Schoenenburg

Was war der Grund für den Entschluss den Projektraum zu schließen?

Am Anfang dieses Jahres haben wir entschieden, das Ausstellungsprogramm erstmal auszusetzen. Ein Großteil unserer Kapazität war in den letzten Jahren in organisatorische Tätigkeiten investiert worden. Das hat uns viel gebracht, wir haben viele Projekte realisiert, interessante Austausche mit verschiedenen deutschen und internationalen Künstlern und Kollektiven haben stattgefunden. Es war uns wichtig, etwas Zeit zu investieren, um eine Art Bilanz zu ziehen: was haben wir gemacht, wo stehen wir und wo wollen wir hin? Es gab verschiedene Ideen hinsichtlich unserer zukünftigen Ausrichtung innerhalb des Kollektivs. Im April wurde uns dann kurzfristig der Raum gekündigt. Da wir alle für uns realisiert hatten, dass wir zukünftig in unserer Zusammenarbeit etwas verändern möchten – gerade auch um uns weiterzuentwickeln – und unsere bisherigen Projekte eng mit dem Raum verknüpft waren, haben wir uns entschieden, das Kollektiv aufzulösen.

Bestehen weiterhin fotografische Kooperationen und Allianzen aus eurem Kollektiv? Wird es einen ähnlichen Raum in Zukunft geben? Habt ihr andere Projekte geplant?

Im Moment hat es sich noch nicht in etwas Konkretes herauskristallisiert. Es fühlt sich noch ganz frisch an, dass wir den Raum verlassen haben und damit unsere regelmäßigen Treffen nicht mehr stattfinden. Gerade reflektieren wir noch über die vergangenen sieben Jahre. Was haben wir geschafft? Was war schwierig? Was ist uns wichtig?  In was wollen wir unsere Energie zukünftig investieren? Wir haben überlegt, ob wir weiterhin gemeinsam als Fotografen-Kollektiv existieren wollen und bestimmte Projekte/ Kooperationen zusammen realisieren. Vielleicht ohne eine regelmäßige Miete zahlen zu müssen und die eigenen Arbeiten mehr in den Mittelpunkt des Austauschs zu stellen. Ein neuer Projektraum in der Art, wie wir ihn hatten, ist also nicht geplant. Exp12 war aber von Anfang an stark an den Raum gebunden, also wird es auch das Kollektiv ohne den Raum so nicht mehr geben. Informell also freundschaftlich sind wir aber in sehr gutem Kontakt. Wir sehen uns weiterhin und realisieren gemeinsame Projekte. Wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann ein neues Kollektiv mit einer anderen Ausrichtung und einem neuen Namen, dass aus exp12 entstanden ist. Aber das wissen wir jetzt noch nicht.

Sasha Kurmaz, Einzelausstellung, I see the things 2016, Foto: Ina Schoenenburg,

Was nehmt ihr aus der Zeit mit, was habt ihr gelernt?

Wir haben einen Raum geschaffen, in dem Austausch über zeitgenössische Fotografie stattfinden konnte. Wir haben Erfahrungen in der Konzeption von Ausstellungen gesammelt. Wir haben gelernt, in einem Kollektiv zu arbeiten, dass basisdemokratisch funktioniert mit all den Vorteilen und Nachteilen, die so eine Struktur mit sich bringt. Gemeinsam mit vielen internationalen Künstlern haben wir Ausstellungen geplant, diskutiert und editiert. Der Kontakt mit den Künstlern und die Gespräche über Fotografie haben uns bewegt und gestärkt. Unsere Arbeit wurde international gesehen und anerkannt. Das wichtigste ist vielleicht, dass wir Leute getroffen haben, die unsere Leidenschaft und unsere Visionen geteilt haben und dass dadurch Freundschaften entstanden sind.

Diesen besonderen Projektraum gab es von Januar 2010 bis 29. April 2017, das Kollektiv bestand zu diesem Zeitpunkt aus folgenden Mitgliedern: Dido Baxevanidis / Elena Capra / Eva Gjaltema / Andrea Grützner / Isabel Kiesewetter / Claire Laude / George Papacharalambus / Ina Schoenenburg / Torsten Schumann / Diane Vincent.

Wir bedanken uns sehr herzlich für das aufschlussreiche Interview und bleiben neugierig, ob sich nach der derzeitigen reflexiven Phase wieder etwas tut in und um die Menschen, die exp12 dargestellt und mit Leben gefüllt haben.

Beitrag von Anna Merten und Sebastian Stamatopoulos.