Rückblende Podiumsdiskussion: Das schöne Bild – Automatisierte Bildwelten und die Fotografie

Globale Foto-Plattformen haben sich längst als Bildquelle für jede Art von Medien etabliert. Inhaltlich liegen diese Bildarchive irgendwo zwischen Stock- und Autorenfotografie. Qualität, Ästhetik und Preis scheinen stimmig – der Vertrieb hat sich professionalisiert und die Nachfrage steigt.

Was bedeutet das für unsere Sehgewohnheiten? Was passiert, wenn die prägende Kraft der Fotografie zunehmend automatisiert wird und Faktoren wie Aufmerksamkeit, Technikfaszination und Nebenverdienst wichtiger werden, als ein fotografisch-gesellschaftlicher Auftrag?

Podium Das Schöne Bild, Roter Salon, Volksbühne, Berlin, 25.4.2017 (v.l. Andreas Herzau, Michael Pfister, Karen Fromm, Gen Sadakane, Miriam Zlobinski), Foto: Sibylle Fendt

Die Gäste der Podiumsdiskussion, die im Roten Salon der Volksbühne im ausverkauften Saal stattfand, beschäftigten sich zunächst mit der Frage nach einer guten journalistischen Bebilderung und was diese ausmache. Dabei kristallisierten sich schnell die Punkte Budget und Zeit als maßgebliche Faktoren im Tagesgeschäft heraus. Gut kuratiertes Bildmaterial, dem Anspruch an das Thema folgend, unter Beachtung vorhandener Mittel, ist dabei eine Herausforderung, der sich gerade der Pressemarkt mit seinen Onlineangeboten stellen muss. Der Konsens, dass sich die Wirkkräfte dahingehend entwickelt haben, dass das Bild mehr und mehr als Beiwerk eingesetzt wird, brachte auch hervor, dass sich der Bildermarkt untergliedert hat und diese spezifischen Märkte auch von Fotografen unterschiedlich bedient werden müssen. Der Bedarf an Auftrags- und Autorenfotografie hat sich verändert, ebenso wie die nicht mehr vorhandene dauerhafte Bindung von Fotografen an Magazine oder Verlage. Starke visuelle Positionen von Fotografen scheinen fast entgegen den Konsumenteninteressen zu stehen. Ist die Lösung also ein Folgen und Anknüpfen an Sehgewohnheiten u.a. aus sozialen Medien?

So bedient EyeEm (https://de.wikipedia.org/wiki/EyeEm ) die Nachfrage nach „schnellem“ Bildmaterial der Social Media Kanäle oder anderer Medien und Unternehmen. Die Nachricht benötigt ein Bild, dieses ist jedoch immer öfter bedeutungsoffen und atmosphärisch. Ein Zugeständnis an den schnellen Konsum auf mobilen Geräten, auf denen die Bebilderung eher einem Rauschen gleichkommt als einer Bildnachricht oder Bildinformation. Die Bilder der EyeEm Plattform sind keine Autorenfotografie wie sie für den Fotojournalismus verstanden wird, sondern bebildern selbstreferentiell, wie Karen Fromm festhielt. Auch Zeit Online hat in der Vergangenheit schon mit EyeEm oder Unsplash kooperiert, um „softere“ Themen zu bebildern, Michael Pfister (Zeit Online) hielt fest, dass dies jedoch nicht für alle Ressorts zutreffe und für ihn in der politischen Berichterstattung nicht praktizierbar sei. Somit wird hier je nach Rubrik mit unterschiedlicher Gangart gefahren. Diese Freiräume nicht mit Auftragsarbeiten zu bebildern, sind allgemein begrenzt, aber wünschenswert.

So wurde auch klargestellt, dass ein gegeneinander stellen der Bilder trotzdem nicht passieren sollte, da verschiedene Bildarten benötigt werden. Eine vielschichtige Bilderflut ist es also, die uns überrollt.

Schon Henri Cartier-Bresson beklagte die „Kakophonie der schnelllebigen Bilder“ zitierte Andreas Herzau. Karen Fromm fügte hinzu, dass ebenso Siegfried Kracauer Anfang des 20. Jahrhunderts von einer Bilderflut sprach und die Paradigmen schon immer vorhanden waren.

Das Phänomen ist damit nicht neu, wohl aber die Konsumwege.

Screenshot: Suchanfrage „suicide“ bei EyeEm

Es stellt sich die Frage wie schnelllebige Online-Bilder funktionieren und was dies über unsere Sehgewohnheiten aussagt. Wie diese sich und auch unser Bildgedächtnis verändern. Social Media Bilder funktionieren nur in bestimmten Kontexten, sie sind zum einen Mittel des Austausches – es ist wichtig zum Geburtstag zu gratulieren, anstelle das perfekte Geburtagsbild herzustellen. Damit sind diese Bilder mehr ein sensorisches Ereignis und stehen im Gegensatz zu einer konkreten subjektiven Sichtweise gefiltert durch einen Fotografen. So wird die Position des professionellen Fotografen umso wichtiger in einer Zeit, in der Bilder und deren Konsum mehr und mehr unseren Alltag bestimmen, betonte Karen Fromm und brachte den Begriff des Metafotografen mit in die Runde ein (https://en.wikipedia.org/wiki/Fred_Ritchin). Mit angewandter Bildkompetenz ist dieser in der Lage mit umfangreichem Hintergrundwissen Bilder bewusst zu reflektieren und zu begreifen, um dies in seine Arbeit einfließen zu lassen und eine eigene, der Bilderflut entgegengestellte Position einnehmen zu können.

Aus der Serie: How is Life?,  Foto: Hannes Jung

Aus der Serie: How is Life?, Foto: Hannes Jung

Aus der Serie: How is Life?, Foto: Hannes Jung

Aus der Serie: How is Life?, Foto: Hannes Jung

Aus der Serie: How is Life?, Foto: Hannes Jung

Wie ist dagegen das digitale Augenfutter einzuordnen, wieviel Verantwortung liegt im Einsatz dieser Bilder bei den Medienhäusern? Die Schwierigkeit liegt in der journalistischen Verantwortung. Sensibles Abwägen ist trotz redaktionellen Drucks gefragt. Wenn „softere“, aber zugleich schwierige Themen wie z.B. „Freizeitstress“ mit Stock-Material von EyeEm bestückt werden, die eine Projektionsfläche schaffen, die nicht dem eigentlich Inhalt entspricht.

Anstelle dem Anspruch dem Inhalt des Textes/Artikels zu entsprechen, gibt es in der Stockfotografie andere Bildkriterien. Nach ähnlichen Kriterien ordnet EyeEm seine Bilder auch zu; nicht nach Inhalt erfolgt hier das Ranking der Sichtbarkeit in den Millionen Communitybildern, die zum Verkauf angeboten werden, sondern nach Form und Zweck, abgestimmt auf die Wünsche des Kunden. Beispielsweise gibt es Parameter wie viele Follower der Fotograf hat, mit welchem Device das Bild aufgenommen wurde, aber auch technische Voraussetzungen wie Schärfe/Helligkeit, etc. helfen „der Maschine“, dem Algorithmus von EyeEm, dem Kunden die Bilder vorzuschlagen, die seinen Wünschen am besten entsprechen – meist mit dem Ziel möglichst viele Menschen mit ähnlichen Sehgewohnheiten anzusprechen. Der ästhetische Wert des Bildes ist somit eher der Verkaufswert im Stock-Market.

Andreas Herzau warf daraufhin die Frage in den Raum, ob alle Bilder, die etwas abbilden, irgendwann alle gemacht sind – dies wurde verworfen. Es bleibt jedoch unbeantwortet inwieweit und von wem ausgehend, die visuelle Kultur sich entwickelt. Können Fotografen noch bemerkbare, sichtbare Vorreiter sein, oder wird es die Community und deren Plattformen mit entsprechenden Funktionen und Filtern sein, die den Zeitgeist beständig prägen?

Aber was ist Zeitgeist und wie positioniert man sich als Fotograf, um „den anderen Blick“ zu haben?

Zunächst muss man sich fragen, welche Geschichte erzählt werden soll, für welchen Gebrauch und im welchen Kontext. Wie möchte ich das fotografische Medium benutzen? Oftmals entzieht sich vieles der offensichtlichen Sichtbarkeit und bebildert nicht; auch das Visual Storytelling mit seiner erweiterten Verwendung von Bild und Text ist zukunftsweisend. Dann gilt es auch herauszufinden, ob man seine eigene Geschichte erzählen und dafür einen Markt finden möchte, oder schlichtweg Auftraggeber braucht, um als Fotograf zu arbeiten. Dies sind unterschiedliche Märkte und Kontexte. Allgemein gilt der Rat sich breit aufzustellen, d.h. redaktionelles Arbeiten, Brand, Stock, freie Strecken, Fotobuch, Instagram – die Eigeninitiative wird die Langlebigkeit des Berufes ausmachen und das erarbeiten von Kompetenzen, die einen interessant machen. Sich hier nicht zu verlieren ist eine Herausforderung, die im Gegensatz zu den „guten“ alten Cartier-Bresson-Zeiten gewachsen ist.

Spannend sind dabei auch weiterführende Fragen, die auf dem Panel diskutiert wurden, denn auch der Kunstmarkt und Preisausschreibungen nehmen diese Strömungen auf. Haben sich banalisierte Sehgewohnheiten schon in die Autorenfotografie eingeschlichen? Welche Bilder gewinnen bei Fotowettbewerben, Stipendien, etc.? Schon immer spiegelten sich Sehgewohnheiten auch in Preisen wieder, aber das ließe keinen Rückschluss auf eine allgemeine Banalisierung zu, so die Einschätzung der Teilnehmer. Nach wie vor besteht die Krise im Fotojournalismus des Nachahmens geadelter Muster und der Neudefinition der so wichtigen Wahrheit im Bild. Für Fotografen gilt es es hier vor allem darum durch kritisches Durchdringen und Wissen, um das funktionieren von Bildern immer wieder die eigene Arbeit und sich zu hinterfragen, ob es neue Formen geben kann.

Dass das generieren von Bildern und Texten, inzwischen von Maschinen übernommen wird,  ist Teil unseres technischen Fortschritts, den wir mitdenken müssen. Die darüber herrschende Unsicherheit wurde auch in den Publikumsfragen deutlich. Es wurde deutlich, dass Online-Community-Angebote keinen direkten Kampf gegen die journalistische oder gegen die Autorenfotografie austragen, wohl aber das Feld der Sichtbarkeit weiter einengen. Der Bildbegriff weitet sich parallel mit der Bilderflut immer weiter aus. Können wir über Fotografie noch im historisch gedachten Rahmen denken? Es scheint letztlich eine Verantwortung auf beiden Seiten zu sein, den Medien und den Fotografen das Angebot vielschichtig und sichtbar zu halten.

Beitrag von Caroline Scharff und Miriam Zlobinski.