Inside Photo Editing

Absolventen/-innen der Ostkreuzschule für Fotografie, die als Bildredakteur/-in bei einer Zeitung, einem Magazin, einer Bildagentur etc. arbeiten, geben einen Einblick in den Prozess von der Idee bis zur Veröffentlichung.

Ein Gespräch mit Michaela Stout, Bildredakteurin von F Mag.

Foto: Imke Jurok

„Heul nicht, mach doch! Unsere Generation kann richtig was verändern. Worauf warten wir?“ – Das schreit die Titelzeile der am 8. März (übrigens dem internationalen Frauentag) erstmalig erschienenen Zeitschrift F Mag. Ein Frauen-Magazin ohne Tabuthemen, ohne „must haves“, zielsicher und feministisch. Das spiegelt sich natürlich im Inhalt, aber auch in der Bildsprache des Magazins wieder. Das ganze Magazin haben – von der Idee bis zum Druck – vier junge Autorinnen, eine Art-Direktorin und die Bildredakteurin Michaela Stout, die 2016 ihre Ausbildung an der Ostkreuzschule abgeschlossen hat, entwickelt. Michaela Stout hat jede Produktion begleitet und für das visuelle Konzept des Heftes die komplette Verantwortung übernommen. Das ist ein richtig guter Anfang für ihre Karriere als Bildredakteurin. „Was danach kommt wird bestenfalls genauso gut sein. Besser kann es nicht werden!“, sagt sie.

Oks-Blog: Ihr hattet Freiheit in der Gestaltung des Heftes und ihr seid ein junges engagiertes Team. Wie bist du zu der Gelegenheit gekommen, als Bildredakteurin an diesem Pilotprojekt vom Gruner & Jahr Verlag teilzunehmen?

Michaela Stout: Nadja Masri war Gast-Dozentin für Fotojournalismus an der Henri-Nannen-Schule. Der Schulleiter, Florian Hanig, hat ihr von den Magazinprojekten erzählt, zu denen sich die Journalismus-Schüler Konzepte überlegen und ein Magazin-Dummy machen. Er dachte es wäre schön, wenn einige Bildredakteure mit dabei wären. Dann durften einige aus unserer Klasse eine Woche in Hamburg verbringen und ihre Ideen beisteuern. Es gab insgesamt vier Gruppen und ich habe mich relativ schnell für die Frauen-Magazin Gruppe entschieden. Ich hatte das Gefühl, mich dabei am ehesten einbringen zu können, weil mich solche Themen auch persönlich interessieren und mir gefallen. Von Anfang an dachte ich an eine junge, moderne und authentische Bildsprache.

In die Bildredaktion kommt man selten ohne Umwege. Wie hast du diesen Werdegang eingeschlagen?

Ich komme eigentlich aus der Geisteswissenschaft und habe Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert. Ich habe mich schon während meiner Schulzeit für Fotografie interessiert. Damals habe ich selbst fotografiert, immer analog, und habe erstmal eine praktische Leidenschaft entwickelt. Mir war aber klar, dass ich selbst keine Fotografin werden möchte. Während meines Studiums habe ich meinen Schwerpunkt, sowohl in der Theorie als auch bei den Wahlfächern, auf Fotografie gelegt. Meine Diplomarbeit habe ich dann über die Serie Twilight von Gregorie Crewdson geschrieben. Im Zuge meiner Recherche bin ich auf die Ostkreuzschule für Fotografie gestoßen. Die Agentur kannte ich bereits vorher, die Schule jedoch nicht. Bis ich die Bildredaktionsklasse entdeckt hatte, dachte ich, dass Grafiker oder die Art-Direktion die Fotos auswählen würden.

Bei der Zeitschrift Brigitte hattest du Erfahrungen in einer Bildredaktion sammeln können. Für das F Mag musstest du ganz alleine Entscheidungen treffen. Wie ging es dir dabei?

Ich habe gemerkt, dass es mir leichter fällt, einen Fotografen oder eine Fotografin im Gedächtnis zu behalten, wenn ich ihn schon mal persönlich kennengelernt habe und ich schon mal von ihm eine Mappe in der Hand hatte, also sozusagen einen physischen Bezug zu den Fotos hatte. Für den Artikel „Wo die Alten walten“ wollten wir keine typischen Politiker-Porträts machen. Dafür bat sich eine angeblitzte Optik an. Da fiel mir Nils Stelte ein, den ich einmal beim Stammtisch in Berlin kennengelernt hatte. Wenn man die Fotografen/-innen persönlich kennt, kann man besser einschätzen, wie zuverlässig sie sind, ob sie selbstständig mitdenken und vielleicht sogar Locationscouting machen. Das finde ich sehr wichtig. Viele Bildredakteure/-innen greifen immer auf die gleichen Fotografen/-innen zurück. Einerseits ist das schade, weil dadurch wenig neue Talente die Chance bekommen, sich zu beweisen. Wenn man erst mal redaktionell arbeitet, keine Fehler passieren dürfen und Deadlines einzuhalten sind, erleichtert es den Job aber ungemein.

F Mag No. 1 2017, Fotos: Nils Stelte

F Mag No. 1 2017, Fotos: Nils Stelte

Im Heft sind einige dokumentarische Strecken dabei, aber auch Mode- und Studioaufnahmen haben im F Mag einen wichtigen Auftritt. Welche Art von Fotografie hat dich mehr inspiriert?

Ich finde dokumentarische Fotografie, die aus dem Leben gegriffen ist, insgesamt spannender. Mittlerweile finde ich Mode-Fotografie auch sehr reizvoll, weil ich gemerkt habe, was es da alles für Möglichkeiten gibt. Mit einer Inszenierung kannst du auch eine gute Geschichte erzählen, ohne dass es platt oder peinlich ist.

Welche Fotoproduktion aus diesem Heft entspricht deiner Meinung nach dieser Aussage?

Die Serie Von Königinnen lernen ist ein gutes Beispiel. Die Bilder wurden im Studio inszeniert, erzählen aber eine Geschichte – obwohl es eigentlich ein Make-up Tutorial ist. Wir zeigen die Persönlichkeit der fotografierten Drag Queens und schaffen dadurch eine Metaebene. Wir versuchen die Frage zu beantworten, was sie ausmacht. Wir erzählen etwas über sie und lassen sie sprechen, indem wir sie zitieren. Alexa Vachon hatte ich bei der Ostkreuzschule beim Portfolio Review kennengelernt und sie kam dann bei mir in der F Mag Redaktion vorbei, um sich mit ihrer Mappe vorzustellen. Für mich ist bei einem Auftrag auch wichtig, ob der Fotograf oder die Fotografin vom Typ zur Geschichte passt. Bei Alexa wusste ich, dass sie auf jeden Fall mit Drag Queens, die ja oft einen divenhaften Ruf genießen, zurecht kommen würde. Sie hatte außerdem schon viel Erfahrung in Studios gesammelt und war extrem motiviert beim Shooting.

F Mag No. 1 2017, Fotos: Alexa Vachon

Was ist deiner Meinung nach in dieser Ausgabe besonders gut gelungen?

Meine Lieblingsfotos im Heft sind sehr abstrakt und überraschenderweise gar nicht dokumentarisch. Im Artikel „Warum macht mich das an?“ geht es um Sexphantasien. Da hätte eine Eins-zu-eins-Bebilderung nicht funktioniert und Illustrationen hätten auch schnell lächerlich wirken können. Art-Director Imke Jurok und ich haben uns für eine abstrakte Lösung entschieden.

Woher wusstest du, dass Anastasia Muna die richtige Fotografin für diese Strecke war?

Das ist wieder ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, sich als Fotograf/-in oder Bildredakteur/-in zu vernetzen. Ich kenne Anastasia Muna privat und als wir uns einmal zufällig in Berlin getroffen haben, erzählte ich ihr von dem Heft. Sie erwähnte, dass sie gerne Dinge im Studio baut und inszeniert. Da wusste ich dann, dass sie unser Konzept perfekt umsetzen würde.

Hattest du eine konkrete Vorstellung, wie ihre Bilder aussehen sollten? Wie war das Briefing?

Wir haben ihr „Moods“ zugeschickt. Vor allem um zu zeigen, welche Art von Farben wir gut fänden. In diesem Fall sollte es schon etwas „dirty“ sein, aber trotzdem weiblich und sinnlich, nicht eklig. Es war uns außerdem klar, dass wir etwas mit Texturen und Flüssigkeiten machen wollten. Vor allem wenn die Leute selbst im Studio produziert haben und ich nicht dabei sein konnte, fiel das Briefing ziemlich detailliert aus, um Missverständnisse zu vermeiden und ein Ergebnis zu bekommen, mit dem alle zufrieden sind.

F Mag No. 1 2017, Fotos: Anastasia Muna

F Mag No. 1 2017, Fotos: Anastasia Muna

Ganz nah an den Protagonisten/-innen sind auch die Bilder, die für die zehn Geschichten über Narben entstanden sind. Worauf musstest du bei der Fotostrecke Lebenslinien besonders achten, als du sie in Auftrag gegeben hast?

Narbenfotos sind nichts Neues. Wir wollten aber ganz gern die Geschichte zu den Bildern erzählen. Das Aufmacherbild ist eine Momentaufnahme und wirkt wie aus dem Leben gegriffen, ist aber im Studio entstanden. Mir war in diesem Fall sehr wichtig, eine Frau zu beauftragen, weil die meisten der Fotografierten auch Frauen waren. Man sollte nicht per se denken, dass es einer Frau unangenehm ist, sich von einem Mann so fotografieren zu lassen. Weil wir aber Statisten hatten, die teilweise zum ersten Mal professionell fotografiert wurden, war mir wichtig, dass sie sich sofort wohl fühlen. Die Fotografin Hayley Austin hatte in ihrer Serie Narratives of Desire Paare ganz intim fotografiert. Daher wusste ich, dass sie mit Menschen gut umgehen kann und weiß, wie man intime Situationen zeigen kann. Ich kannte sie bis dahin nicht persönlich, hatte ihren Namen aber während meines Praktikums bei Brigitte aufgeschnappt.

F Mag No. 1 2017, Fotos: Hayley Austin

Junges Team, junge Zielgruppe und auch junge Fotografen/-innen. Ist das eine bewusste Entscheidung gewesen?

Das war der Auftrag den ich mir selbst gestellt habe. Ich denke, dass junge Fotografen/-innen besser begreifen, was unsere Zielgruppe bewegt – auch visuell. Ich möchte  außerdem nicht die Fotografen/-innen buchen, die schon von anderen Heften oft gebucht werden. Nur weil jemand am Anfang seiner Karriere steht und noch keine tausend Jobs abgegriffen hat, heißt es nicht, dass er/sie den Job nicht machen kann. Mit einer Auflage von 100.000 hat man eine ganz gute Gelegenheit, Nachwuchsfotografen/-innen zu engagieren und auch zu unterstützen!

Das Cover vom F Mag No. 1 2017 und das Team Wiebke Harms, Sara Schurmann, Astrid Hansen, Imke Jurok, Michaela Stout und Gina Nicolini, Fotos: Sarah Kühl, Selbstauslöser

Bevor Michaela Stout 2015/16 die Klasse Bildredaktion an der Ostkreuzschule für Fotografie besuchte, studierte sie Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien. Im Anschluss an die OKS-Ausbildung war sie Bildredakteurin von F Mag, einem Entwicklungsprojekt der Henri-Nannen-Schule für Gruner+Jahr. Derzeit unterstützt sie die Bildredaktionen von Neon und Nido. Ab Juni wird Michaela an einer Werbe-Produktion mitwirken und dort für Fotografenrecherche & -briefing sowie Talent Scouting verantwortlich sein. Sie lebt derzeit in Hamburg.

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