OKS-lab fragt…

In der Serie «OKS-lab fragt …» beantworten Dozenten, Fotografen und Macher der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie, zur Lebensart.

Ein Gespräch mit:

Corinna Koch, Bildredakteurin

Corinna Koch

Foto: Pablo Ortiz Monasterio

 

 

OKS: Corinna, du hast bei unterschiedlichen Publikationen Erfahrung als Bildredakteurin gesammelt und dann zunächst 2008 die Bildredaktion der Wochenzeitung „Der Freitag“ aufgebaut.
Corinna: „Der Freitag“ war seit seiner Gründung in den neunziger Jahren eine Zeitung, die von Idealisten gemacht wurde; von Leuten, die aus der Friedensbewegung kamen, politisch aktiv waren und eine Zeitung schufen, die ihnen unter die Haut ging. Als ich auf die Redaktion traf, war ich tief beeindruckt von diesem ernsthaften Engagement, als ich auf die alte Redaktion traf, und wollte der Zeitung zu einer Bildsprache verhelfen, die dieser tief sitzenden Aufrichtigkeit gerecht wird, ohne sich in Nostalgie oder Dogmatismus zu verlieren.

Wie ist dir das gelungen? Wie würdest du die Bildsprache rückblickend bezeichnen?
Ich denke, dass es eine Mischung aus Poesie und Humor war – nicht mehr und nicht weniger als das, was das Rezept der Freitag’schen Bildsprache ausmachte.

Was sollte es deiner Meinung nach in einer neu entstehenden Bildredaktion unbedingt geben – und was auf keinen Fall?
Es sollte auf jeden Fall eine Kommunikation stattfinden, die klarstellt, was die Wünsche und Ziele der Einzelnen in ihrem eigenen Arbeitsbereich sind sowie die jeweiligen Vorstellungen die Zeitung allgemein betreffend. Meiner Erfahrung nach passiert es selten, dass Bildredakteure und Textredakteure dieselben Ziele verfolgen – meistens findet hier eine Reibung statt, die aber auch gesund sein kann, und den Bildredakteur dazu erzieht, seine Bilder mit Worten verfechten zu lernen. Das setzt natürlich voraus, dass man inhaltlich mitreden kann, man alle Texte und Diskurse der Zeitung oder des Magazins kennt, und auch die Projekte und Persönlichkeiten seiner Fotografen zu kommunizieren weiß.

Was rätst du aufgrund deiner Erfahrung Berufsanfängern in einer Bildredaktion? Welche Eigenschaften sollte ein Bildredakteur mitbringen? Was rätst du Fotografen, wie sie an eine Redaktion herantreten sollen?
Ich denke, als junger Bildredakteur in einer Redaktion, oder als der oder die Neue generell, sollte man sich seiner selbst und der anderen bewusst werden – wen hat man vor sich? Was sind das für Texte, die dort veröffentlicht werden? Wer schreibt diese, wer redigiert sie und wer ist der Leser? Letzteres ist eine Frage, die allerdings meist unbeantwortet bleibt. Welches Gefüge die Bilder, die man beginnt zu suchen mit den Texten eingehen werden, ist hingegen steuerbar. Die Präsenz der Bilder, in einer visuell geprägten Welt, ist die Macht der Bildredakteure – dessen sollte man sich bewusst sein.
Als junger Fotograf hingegen sollte man sich klar machen, dass Fotojournalismus so gut wie nicht mehr existent ist, und sich deshalb gleich überlegen, wie man seine Fotografie in der Kunst verankern kann, was wiederum bedeutet, dass man unverwechselbar sein muss: in den Bildern, im Diskurs, ja, auch in seiner Identität. Wenn das gelingt, kann man seine Fotografie, so wie sie ist, auch ohne auftraggeber-bedingte Abstriche machen zu müssen, in jeder Disziplin anwenden.

Die Budgets werden im Print immer knapper, Bilder andererseits immer wichtiger. Wage bitte eine Prognose zum Berufsbild des Bildredakteurs.
Erfindungsreichtum und Netzwerke sind immer dann besonders gefragt, wenn es nicht viel Geld gibt. Außerdem erleben wir gerade eine Renaissance der Amateurfotografie, deren dilettantisch gemachten Bilder, die auf Seiten wie Flickr erscheinen, in ihrer Unmittelbarkeit Wahrhaftigkeit versprechen. Von einem Bildredakteur, der sich an diese Begebenheiten anpassen kann und die richtige Mischung herstellt zwischen Amateur und Profi, wird jede Redaktion nur profitieren können.

Du unterrichtest an Fotoschulen in Berlin und Mexico City; unterscheiden sich die Herangehensweisen der jeweiligen Studenten vor Ort?
In Mexiko wird die Fotografie gerade von der jungen Generation entdeckt und es gibt viele Kids, die Bildern hinterher jagen, die ihre Lust auf Revolte zum Ausdruck bringen. Es ist dort also viel Druck auf dem Kessel der Fotografie, und man muss sehen, was in ein paar Jahren davon übrig bleibt. In Deutschland hingegen sehe ich, wie junge Fotografen und auch Bildredakteure das Wissen um die bereits geleistete Arbeit der letzten Jahre in einem Päckchen mit sich herumtragen, von dem sie sich nie ganz scheinen losmachen zu können. Hier ist es eher das überwältigende Gefühl, dass jeder erdenkliche Pfad bereits beschritten wurde und es kein Neuland mehr zu ergründen gibt.

Glaubst du, dass das so ist?
Nein, es gibt immer einen neuen Dreh, einen neuen Blick auf die Dinge – es wird nur immer schwerer, diese Lücke in der Intelligenz des Schwarmes zu finden, die Lücke, die zu einem neuen Gedanken führt – einem, den noch keiner hatte.

Du hast den Bildredaktionen zunächst mal den Rücken gekehrt und angefangen, über Fotografie zu schreiben – verfolgst du noch weitere Projekte?
Ich werde ab August gemeinsam mit dem Fotografen Pablo Ortíz Monasterio an seinem neuen Buch-projekt arbeiten. Es geht um eine sehr persönliche, fotografische Erzählung, die von seiner Begegnung mit einem Stamm der Huicholes handelt. Es wird das erste Mal für mich sein, an der Entstehung eines Buches mitzuwirken und ich freue mich sehr darauf.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Corinna Ada Koch, 36, Kunststudium an der Hochschule für Künste, Bremen (Fotoklasse Peter Bialobrzeski). Ab 2008 Bildredakteurin bei „Der Freitag“, ab 2009 dort auch als Autorin tätig, seit 2011 in der Bildredaktion bei „Electronic Beats“. Seit Ende 2012 freischaffend. Dozentin für Fotografie und Bildredaktion am „Gimnasio de Arte“ und im „Estudio Espacio Creativo 357“ in Mexico City sowie für Bildredaktion an der „Ostkreuzschule für Fotografie“ in Berlin. Corinna Koch lebt in Mexico City.

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