Nahaufnahme

In der Rubrik Nahaufnahme sprechen Fotografen/-innen und Dozenten/ -innen der Ostkreuzschule über Bilder, die ihnen besonders am Herzen liegen. Diesmal haben wir den Fotografen und OKS-Studenten Hieronymus Ahrens darum gebeten, uns einen Einblick in die Entstehung seines Fotos zu geben.

An den Moment, als ich das Foto aufnahm, kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Das kann an der vorgerückten Abendstunde liegen, aber auch daran, dass es eines dieser Bilder ist, die wie von selbst entstehen. Der Kopf ist ausgeschaltet und der Fotograf funktioniert intuitiv und ohne Zweifel, quasi als Fernauslöser eines lauten Moments, in welchem verschiedene Achsen aufeinander treffen. Die Antennen für solche Momente machen das Talent vieler Fotografen aus, vor allem aus dem Bereich der Straßen- oder Lifestylefotografie.

Foto: Hieronymus Ahrens

Würde man dieses Bild einordnen, läge allein schon aufgrund des Kameramodells eine Assoziation mit dem unter manch Fotografen der alten Schule nicht unumstrittenen, aber allgemein viel zitierten Terry Richardson nahe. Aufgeblitzte Partybilder mit einer vollautomatischen Yashica T4, T5 oder Olympus Mju funktionieren erstaunlich einfach und oft. Sie sind daher auch unter ambitionierten Fotoamateuren beliebt, die künstlerisch oder zumindest lifestyle-technisch etwas auf sich halten. Aber vielleicht sollte man sich mit Kritik an dieser schnellen Fotografie zurückhalten. Ich habe schon eindrucksvolle Arbeiten gesehen, die mit Einwegkameras geschossen wurden und zwar von Fotografen, welche auch eine vergleichsweise langsame und komplexe Großbildkamera bedienen können. Denn obwohl man keine Blende oder Verschlusszeit einstellen muss, so muss man doch immerhin das Gespür für einen dieser dichten Momente besitzen. Sie bahnen sich blitzschnell an und man sollte seine Kamera griffbereit haben, sonst sind sie ebenso schnell wieder verflogen. Wenn man genau hinhört, geben sie einem kurz vorher ein Zeichen. Vielleicht löst dann die Kamera nicht aus oder ein fremder Arm ragt bereits unangemeldet ins Bild, vielleicht stimmt auch alles, aber der Autofokus hat sich mal wieder den Hintergrund ausgesucht, weil dieser ein Raster aufweist, an das sich die Technik besser klammern kann als an das Gesicht in der Bildmitte.

2012 erwarb Hieronymus Ahrens einen Magister Abschluss in Slavistik und Geschichte Osteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2014 studiert er an der Ostkreuzschule für Fotografie und ist freischaffender Fotograf in Berlin.