OKS-lab fragt…

In der Serie «OKS-lab fragt…» beantworten Dozenten, Fotografen, Macher und Absolventen der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie und Lebensart.

Seit 2014 gibt es den Fototreff Berlin. Es ist ein Treffpunkt – ein Raum für den Austausch zwischen Fotografen und Bildredakteuren. Das Design-Studio Jacob & Reischel in Kreuzberg wandelt sich sechs Mal im Jahr zum Ort des Entdeckens fotografischer Arbeiten, Magazine und freier Projekte.

Der Fototreff  ist initiiert von Anna Charlotte Schmid, Annika Nagel und Tobias Laukemper und findet am Samstag, den 22.10. zum 16. Mal statt.

OKS-lab spricht mit den beiden Gründungsmitgliedern Charlotte und Tobias.

Foto: Fototreff

Tobias Laukemper, Anna Charlotte Schmid und Annika Nagel, Foto: Fototreff

OKS-lab: Was hat euch in Berlin gefehlt, um zu einem Treffen dieser Art anzuregen?

Charlotte: Als ich nach Berlin gezogen bin, traf ich viele meiner ehemaligen Kommilitonen aus der Bremer Kunsthochschule wieder. Keiner hatte eine wirkliche Ahnung davon, was der andere tut und an was der andere gerade arbeitet. Die Kommunikation untereinander und die Kritik an den eigenen Projekten, die nach dem Studium folgten, fehlte. Aber jeder bemängelte das. Ich habe mich gefragt, warum nicht schon längst so ein Treffen existiert. Berlin ist eine Metropole mit einer großen Kunstszene. Aber hier fehlt einfach der Austausch. Wir treffen viele Künstler, wir sehen viele Ausstellungen, aber letztendlich schließen wir uns doch in unserem Kämmerchen ein und basteln an unseren Projekten. Warum es dann so wenige Veranstaltungen wie z. B. den Fototreff gibt, hat mich erstaunt.

Tobias: Ich finde auch, dass wir uns untereinander vernetzen sollten. Man erhält über diese Vernetzung vor allem auch Inspiration und Kontakt zu anderen, die dasselbe wollen oder die sich für ähnliche Themen interessieren. Das hat in meinem Leben gefehlt. Ich wollte mich der Fotografie wieder neu und auf eine andere Art annähern. Das Treffen selbst haben wir uns zusammen während einer Autofahrt ausgedacht.

Charlotte: Wir haben uns gestritten darüber! Weil wir schon sofort das Ding hätten gern starten wollen.

Tobias: Ja, das stimmt! (Beide lachen).

OKS-lab: Wie sah das erste Treffen aus?

Tobias: Es war schon an dem Ort, an dem wir auch noch heute sind, und beim ersten Mal waren nur Freunde da. Oder? Da waren wir vielleicht so zehn Leute.

Charlotte: Aufregend war das!

OKS-lab: Das war also eine sehr private Atmosphäre am Anfang. Warum wurde das Treffen dann öffentlich?

Charlotte: Öffentlich war es eigentlich schon die ganze Zeit. Die Motivation war nicht, sich nur mit Freunden zu treffen, sondern dass wirklich jeder kommen kann. Dass eine Plattform des Austauschs im fotografischen Kontext geschaffen wird. So ganz offiziell wurde es erst dann, als wir Einladungen verschickt haben und einen Blog, einen Newsletter und eine Facebook-Seite erstellt haben.

Tobias: Das war der Moment, an dem wir gesagt haben: „Das machen wir auch für Leute, die wir nicht kennen.“

OKS-lab: Wie war dieser Wechsel?

Tobias: Ich finde, das hat zwei Aspekte: Einerseits war es total interessant, weil man endlich ein bisschen über den Tellerrand guckt. Auf der anderen Seite muss man schauen, dass man trotzdem in die Richtung steuert, in die man möchte. Dass das Niveau hoch bleibt, war uns zum Beispiel schon immer wichtig.

OKS-lab: Und wie schafft man das?

Tobias: Was sich aus den vielen Gedanken ergeben hat, ist, dass wir unser Programm erweitern wollen. Der Abend sollte nicht mehr nur ein „Kommt vorbei und zeigt eure Arbeiten“ sein. Wir haben angefangen, Gäste einzuladen. Das Treffen hat inzwischen thematische Blöcke: Wir führen Künstlergespräche, stellen Magazine vor und fördern den Diskurs rund um die Fotografie. Dann bitten wir Fotografen, ihre laufenden Projekte vorzustellen, und sehr wichtig ist uns auch weiterhin das Mitbringen und Vorstellen von eigenen Arbeiten der Anwesenden.

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Die Fotografin Maria Sturm auf dem Fototreff #15, Foto: Tobias Laukemper

OKS-lab: Es kommen also Institutionen oder etablierte Fotografen, aber ihr könnt jedes Mal nicht einschätzen, wer kommt?

Tobias: No risk, no fun! Das ist ein Teil, den wir nicht kontrollieren können – es ist eben sehr demokratisch.

OKS-lab: Es ist ein Treffen nicht nur für Fotografen, sondern auch für Bildredakteure?

Charlotte: Im Prinzip ist es ein Treffen für alle, die sich mit Fotografie auseinander setzen, ob sie jetzt hinter einer Kamera sind oder nicht. Ich sehe das so, dass es sehr interessant für viele Leute sein kann: auch für Galeristen oder Journalisten die beispielweise über Kunst oder Fotografie schreiben, da sie die Möglichkeit haben, neue Arbeiten zu sichten bzw. den Entwicklungsprozess neuer Arbeiten zu verfolgen. Jeder kann sich in die Bild-Besprechung mit einbinden und den persönlichen Kontakt mit den Künstlern suchen. Sie sind vor Ort und zeigen ihre Arbeitsschritte. Das ist etwas sehr Persönliches! Wie viele Momente gibt es, in denen man die Möglichkeit bekommt, Einblicke in diese Prozesse zu haben?

Fotos: Annika Nagel

OKS-lab: Mittlerweile findet der 16. Fototreff statt. Habt ihr ein Erlebnis im Rahmen dieses Treffens, das euch besonders in Erinnerung bleibt?

Charlotte: Für mich war es eine Überraschung, als die Fotokünstlerin und Dozentin der Weissensee Kunsthochschule, Loredana Nemes, gekommen ist. Sie wurde mitgebracht von jemandem der schon mal da war, und sie meinte, sie stehe ja immer auf der anderen Seite bzw. sehe die Arbeiten der Studenten, aber habe nie die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu besprechen. Das war die Arbeit Nadelstreifen, die man jetzt in der Galerie Podbielski Contemporary und auch in der September-Ausgabe der Photonews gezeigt wurde. Es waren die Anfänge dieser Arbeit, als Nemes das erste Mal nach Frankfurt gefahren ist und mit unterschiedlichen Bildern zurückkam, um diese dann mit uns zu besprechen. In der Ausstellung kann man nun einige von den Fotos wiedererkennen und sehen, wie sie an diesen weitergearbeitet hat und andere Fotos herausgenommen hat.

Tobias: Das ist für mich auch immer eine Überraschung, wenn Arbeiten bei uns gezeigt worden sind, die dann in einem anderen Kontext wieder auftauchen. Zum Beispiel die Arbeiten von Tom Licht, Sonja Hamad oder Alexa Vachon, Bildserien, die wir in einem anderen Stadium gesehen haben und nicht als fertig editierte Arbeit. Da finde ich, wird es ganz aufregend, und wir haben Teil am Prozess der Entstehung.

OKS-lab: Wie entwickelt sich jetzt der Fototreff? Wie geht es weiter?

Tobias: Wir wollen weiter mit den Formaten experimentieren. Ich kann mir vorstellen, dass wir eine Podiumsdiskussion oder ein Panel organisieren, dass wir weiter Künstlergespräche machen werden, um vielleicht auch spezielle Themengebiete anzusprechen. Wir wollen jedenfalls versuchen, den Diskurs rund um Fotografie noch genauer abzubilden und voranzutreiben.

Charlotte: Wir überlegen, wie wir das so lenken können, dass sich ein gewisses Niveau erhält. Zusätzlich neben dem Fototreff möchten wir ein Fototreff Spezial etablieren. Vielleicht auch Workshops oder Portfolio Reviews organisieren. Wir möchten auch weiterhin mit wachsamen Augen auf die Veranstaltung gucken und nachher reflektieren, was funktioniert hat und was nicht. Wir sollten nicht vergessen, welche die ursprüngliche Ziele waren. Für mich ganz wichtig: Es soll eine Plattform sein, die von Fotografen und Bildredakteuren für Fotografen und Bildredakteure existiert, ohne dabei einen kommerziellen Hintergrund zu haben.

Der Fototreff #16 findet am Samstag, den 22. Oktober um 19 Uhr statt. Zu Gast: Emerge – Magazin für jungen Fotojournalismus, die Fotografin Anna Eckold und der Fotograf Nikita Teriyoshi.

Hier geht es zur Facebook-Veranstaltung.

STUDIO JACOB & REISCHEL
Prinzessinnenstrasse 16
Hinterhof, Aufgang links, 1. Etage
10969 Berlin

Anna Charlotte Schmid (*1984 in Essen) lebt und arbeitet als freischaffende Fotografin in Berlin. Sie studierte Fotografie an der »Hochschule für Künste« in Bremen und an der MOME / University of Art in Budapest. Sie besuchte die Fotografie-Postgraduierten Klasse an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin.

www.anna-charlotte-schmid.de

Tobias Laukemper (*1970 in Düsseldorf) lebt in Berlin und studierte an der »Hochschule für Grafik und Buchkunst«, Leipzig und dem »Piet Zwart Institute«, Rotterdam, Bildenden Kunst mit den Schwerpunkten Fotografie und Konzeptkunst. Er arbeitet als freier Projektleiter für Künstler und Kulturschaffende und besucht derzeit eine Weiterbildung zum Bildredakteur an der Ostkreuzschule für Fotografie.

www.tobiaslaukemper.de

Annika Nagel (*1986 in Hamburg) lebt und arbeitet als freischaffende Fotografin in Berlin. Sie unterrichtet auch als Dozentin für Fotografie u.a. an der LMA, Lavtijas Makslas Akademija, Riga Lettland und der Sommerakademie in Bremen. Sie studierte an der »Hochschule für Künste« in Bremen Fotografie und an der »UNIACC«, Universidad de Artes, Ciencias y Comunicaciones in Santiago de Chile.

www.annikanagel.com

 

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