OKS-lab fragt…

In der Serie «OKS-lab fragt … » beantworten Dozenten, Fotografen, Macher und Absolventen der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie und Lebensart.

Während die Vorbereitungen für die allmorgendlich stattfindende Redaktionskonferenz der taz auf Hochtouren laufen, nimmt sich Mathias Königschulte noch etwas Zeit, um uns Fragen zu seiner Arbeit sowie zur Fotografie zu beantworten.

Ein Gespräch zwischen Anje Kirsch, Anna Digovec und                                                                                  Mathias Königschulte, Fotoredakteur.

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Foto: Anje Kirsch

OKS-lab: Du hast vor deinem Fotografiestudium an der Ostkreuzschule Germanistik, Theologie und Philosophie bis zur Zwischenprüfung studiert und dich danach für die Fotografie entschieden. Wie kamst du dazu?

Mathias Königschulte: Fotografie und die Beschäftigung mit dem Medium Bild hatten schon immer mein starkes Interesse. Ich empfand mein Studium aber immer auch als eine ganz gute Basis für die Arbeit als Fotograf und Bildredakteur, gerade in einem journalistischen Zusammenhang. Schließlich geht es auch in unserer Arbeit mit Bildern darum, beispielsweise formulieren zu können, was hier gerade das Thema ist. Oder seine Entscheidungen und Herangehensweisen reflektieren und erklären zu können, auch sich selbst!

OKS-lab: Wie war dann dein Werdegang vom Studenten zum Fotografen und anschließend zum Fotoredakteur?

Mathias Königschulte: Ich hatte schon für kleinere Berliner Stadtzeitungen fotografiert und auch die Bildredaktion gemacht. Im ersten Jahrgang (2005) habe ich dann Fotografie an der Ostkreuzschule bei Ute Mahler studiert. Die Wüstenrot Stiftung hat mir später ermöglicht, freie fotografische Projekte, wie zum Beispiel eine Langzeitdokumentation des Berliner Stadtbezirks Wedding, zu machen. Ich habe die meiste Zeit parallel dazu auch bildredaktionell gearbeitet. Nach einigen Urlaubsvertretungen und freier Mitarbeit u.a. bei der Freitag, chrismon, Zeit online und die Süddeutsche Zeitung habe ich vor sieben Jahren  zunächst als freiberuflicher Bildredakteur angefangen, für die taz zu arbeiten und bin nun seit einiger Zeit festangestellt bei der Zeitung.

OKS-lab:  Hast du für die taz auch fotografiert? Und ist es nötig, als Fotograf ausgebildet zu sein, um als Fotoredakteur zu arbeiten?

Mathias Königschulte: Für die taz habe ich nie fotografiert. Es ist meiner Meinung nach kein zwangsläufiges Kriterium, Fotograf zu sein, aber es ist auf jeden Fall hilfreich, einen Hintergrund in der Fotografie zu haben, wenn man als Fotoredakteur arbeitet. Gerade auch im Umgang mit den Fotografen, ist es gut zu wissen, „wie die Fotografen ticken” und es hilft, wenn man sich in sie hineinversetzen kann. Ich begreife mich immer auch als Anwalt der Fotografen, wenn es darum geht, hier bestimmte Dinge zu präsentieren, zu bewerben und durchzusetzen.

OKS-lab: Wie ist das Verhältnis der einzelnen Redaktionen zueinander, wenn es Differenzen zwischen der Bildredaktion, der Textredaktion oder der Art Direktion gibt? Wer trifft die letzte Entscheidung?

Mathias Königschulte: Zunächst einmal sind wir in der Fotoredaktion eine eigenständige Redaktion, die eigenverantwortlich Entscheidungen treffen kann. Aber man muss sich auch einfach darüber im Klaren sein, dass man als Bildredakteur „Dienstleister“ ist. Damit meine ich, dass man in einer Konstellation arbeitet, die aus vielen verschiedenen Akteuren besteht. Also den Textredakteuren, den Autoren, den Layoutern, den Ressortleitern und den Chefredakteuren, und natürlich haben alle diese Akteure ihre Berechtigung. Denn sie alle wirken auf ihre Weise mit, um ein richtiges Bild zu finden oder letztendlich das Erscheinungsbild der Zeitung zu bestimmen. Im Zweifelsfall trifft die Chefredaktion, die den Blick aufs Ganze hat, die letzte Entscheidung, wenn es Differenzen zwischen dem Verhältnis von Text und Foto oder auch Foto und Layout gibt. Das kommt in einem hierarchieschwachen Gebilde wie der taz schon mal vor! Letztlich geht es um die Professionalität aller beteiligten Akteure, und dazu gehört vor allem erstmal, die Professionalität aller Kollegen anzuerkennen. Jeder ist Spezialist auf seinem Gebiet.

OKS-lab: Wieviel Einfluss hat der Fotograf auf die Auswahl der Fotos?

Mathias Königschulte: Der Fotograf muss von dem, was er erlebt und gesehen hat, zurücktreten können. Entscheidend für den Leser ist, was das Bild selbst erzählt. Wie schwer das manchmal ist, kenne ich aus der eigenen fotografischen Praxis.

OKS-lab: Wie sieht der Alltag in der Redaktion aus?

Mathias Königschulte: Unsere Bildredaktion besteht aus insgesamt fünf Fotoredakteuren und Fotoredakteurinnen, die in wechselnder Verantwortlichkeit für verschiedene Ressorts zuständig sind. Nach der Morgenkonferenz, bei der die Redaktionsmitglieder fast aller Ressorts zusammenkommen und ihre Themen vorstellen, können dann die einzelnen Themen von uns bearbeitet werden. Wir recherchieren, planen Termine, besprechen Aufträge mit Fotografen und Illustratoren und stehen den Tag über im engen Kontakt zu den Layoutern und den Textredakteuren. Gerade was den Titel, das Layout und die Bildunterschriften betrifft, ist die Kommunikation wichtig.

OKS-lab: Hast du eine bestimmte Art zu recherchieren?

Mathias Königschulte: Für die tagesaktuellen und überregionalen Themen recherchiere ich eher bei den Nachrichtenagenturen. Bei den kulturellen und gesellschaftlichen Themen ist die Suche etwas anders, weil man da auch in ganz unterschiedlichen Bildgenres unterwegs ist. Durch die tägliche Beschäftigung mit bestimmten Themenfeldern habe ich natürlich eine gewisse Erfahrung, wo man wann Bildmaterial zu welchem Thema am besten finden kann und schaue gezielt bei bestimmten Agenturen und Fotografen nach. Abgesehen davon, welche  Präferenzen man da so hat; wenn ein Bild eine eigene Sprache trägt, ist das ein Wert an sich.

OKS-lab: Gibt es bei euch Grenzen, was gezeigt wird und was nicht?

Mathias Königschulte: Ja, und die müssen immer wieder neu verhandelt werden. Oft ist der Kontext entscheidend. Bei besonders spektakulären Bildern werde ich vorsichtig: Geht es hier vielleicht mehr um den Effekt? So zu tun, als könnten wir das menschliche Drama im Tageszeitungsformat angemessen abbilden, ist schon eine ganz schöne Hybris. Außerdem müssen wir uns selbstkritisch fragen, was wir eigentlich erreichen, wenn wir zum Beispiel monatelang die immer gleichen Bilder von Flüchtenden zeigen. Das kann ganz schön schnell zu einer Übersättigung führen. Und das ist ja jetzt auch passiert. Ich habe erst vor kurzem in einem Interview mit der Fotografin Sibylle Fendt darüber gesprochen. In dem Zusammenhang, über den wir gerade sprechen, hat sie einen ganz interessanten Ansatz gefunden: Obwohl sie eine ausgezeichnete Portraitfotografin ist, verzichtet sie hier darauf, Menschen zu fotografieren.

Schreibtisch eines BAMF-Mitarbeiters in der Rückführungseinrichtung Bamberg, 2016, © Sibylle Fendt/ OSTKREUZ

Schreibtisch eines BAMF-Mitarbeiters in der Rückführungseinrichtung Bamberg, 2016, © Sibylle Fendt/ OSTKREUZ

 

Mathias Königschulte (41) absolvierte sein Fotografiestudium bei Ute Mahler an der Ostkreuzschule für Fotografie. Er arbeitete einige Zeit lang gleichzeitig als Fotograf und Fotoredakteur. Sein Interesse gilt immer noch und vor allem einer Fotografie, die auch eine Bildunterschrift nicht kaputt machen kann. (Immer noch beste Ausstellung, die er in den letzten fünf Jahren gesehen hat: Michael Schmidt: „Lebensmittel“, 2013 im Berliner Martin-Gropius-Bau.)

 

http://www.mathiaskoenigschulte.de

http://www.sibyllefendt.de

http://taz.de/Fotografie-und-Flucht/!5310886/

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