analogueNOW! – Festival für analoge Fotografie

Das analogueNOW! – Festival für analoge Fotografie fand vom 6. Mai bis 14. Mai 2016 in Berlin Lichtenberg statt. Berliner Kulturschaffende gestalteten ehrenamtlich einen Ort des kreativen Austausches für analoge Fotografie.

In diesem Jahr widmete sich das Festival dem Thema Manipulation und zeigt in einer zentralen Gruppenausstellung sowohl zeitgenössische internationale Positionen zu gegenwärtigen Verfahren der analogen Fotografie als auch eine Auswahl an innovativen Fotobüchern. Neben der Ausstellung gab es Workshops, Führungen, Vorträge und Podiumsdiskussionen sowie ein vielseitiges Rahmenprogramm mit Filmabend, Musik und Netzwerkbrunch.

Caro Bräuer, Absolventin der Bildredaktionsklasse 2015 der Ostkreuzschuleist eine der 15 Organisatoren/-innen und wir hatten die Gelegenheit, einige Fragen zum Festival zu stellen.

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Mitorganisatorin Caro Bräuer / Magazinschau, Fotos: Alba Morassutti

Caro, mal ganz von Anfang an! Wie und wann ist das Festival entstanden?
Die Idee, ein solches Festival zu veranstalten, kam bereits 2013 von Sabine Alex. Zu der Zeit hatte Sabine das Vorhaben, einen Kleintransporter zu einer mobilen Dunkelkammer auszubauen. Sabine wusste, dass ich Fotografin bin und hat mich gefragt, ob ich nicht gern  bei der Organisation eines Festivals mitmachen möchte. Ich fand die Idee großartig. Mit der Zeit hatten sich immer mehr Leute zusammengefunden, um das Projekt zu realisieren. Nach anderthalb Jahren hatten wir tatsächlich ein Festival auf die Beine gestellt, mit einem satten Programm und neun Ausstellern/-innen.

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Das Organisationsteam, Foto: Alba Morassutti

Das klingt alles so einfach, was waren die größten Herausforderungen?
Ganz so einfach war es natürlich nicht. Zunächst mussten wir uns im Team auf ein Konzept einigen. Eine weitere Herausforderung war die Tatsache, dass wir ein Nonprofit-Projekt sind und die Arbeit dafür in unserer Freizeit abläuft. Unser Team setzte sich aus Enthuasiasten zusammen, die sich mit Pressearbeit auskennen, Techniker/-innen die, die Location vorbereiten konnten und Experten/-innen, die die Workshops leiteten.

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Festivalausstellung, Foto: Alba Morassutti

Diese Jahr war es etwas leichter, weil wir mittlerweile ein gutgefestigtes Team sind und aus den Erfahrungen des Vorjahres schöpfen konnten. Dennoch war es auch dieses Jahr eine große Herausforderung, schließlich wollten wir etwas wachsen und das Niveau nicht nur halten, sondern anheben. Ebenfalls ist die Koordination von 15 Leuten mit einer Struktur von flachen Hierarchien auch immer eine Herausforderung. Eine der größten Schwierigkeiten, vor der wir standen, sowohl dieses als auch letztes Jahr, war die Locationfindung. Ohne eine Förderung ist es fast unmöglich einen passenden Ort für ein solches Festival zu finden. Wir hatten dieses Jahr richtig Glück, denn die Zusage für diese Halle haben wir erst 12 Wochen vor Beginn des Festivals bekommen. Wir mussten sie komplett frei räumen, säubern und die nötige Atmosphäre reinbringen, indem wir beispielsweise eine Bar oder Bühnen gebaut haben. Außerdem gab es teilweise weder Strom noch fließendes Wasser, das mussten wir alles selbst verlegen.

Die Location ist nicht gerade zentral gelegen. Man musste sich schon etwas Zeit nehmen, um nach Berlin Lichtenberg in ein Industriegebiet raus zu fahren. Hattet ihr nicht die Befürchtung, dass keiner kommt?
Ganz und gar nicht. Natürlich haben wir hier kein Laufpublikum, aber dafür kommen Besucher, die sich wirklich für analoge Fotografie interessieren und länger verweilen. Da wir 2015 bereits 2500 Besucher verbuchen konnten, fiel es uns auch diesmal leicht, uns für Lichtenberg zu entscheiden. Wir wollen mit unserem Festival gerne neue Räume erschließen und nutzbar machen. Außerdem wäre es unmöglich gewesen, ohne das nötige Kleingeld eine vergleichbare Location irgendwo zentraler zu finden. Wir sind schon sehr zufrieden hier, auch wenn es etwas außerhalb ist.

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Industriegebiet Berlin–Lichtenberg, Foto: Alba Morassutti

Welches Publikum wolltet bzw. konntet ihr mit dem Festival erreichen?
Das ist wirklich sehr unterschiedlich. Durch unser vielschichtiges Programm ist das Festival für ein breites Publikum attraktiv. Die umfangreiche Ausstellung präsentiert Positionen von Fotograf/-innen und Künstler/- innen, die in ihrem Medium der analogen Fotografie eigene Wege zu Manipulationen und Veränderungen der Darstellung erproben. Das Spektrum der Werke umfasst fotografische Experimente, Wechselwirkungen mit digitalen Arbeitsprozessen, konzeptuelle Installationen und Darstellungen alternativer und deformierter Realität. In zahlreichen Workshops konnten dargestellte Verfahren praktisch angewendet werden, wie der Umgang mit Lochkameras oder die Arbeit mit nachhaltigen Entwicklern wie Kaffee oder rote Beete. An den Workshops nahmen zum einen erfahrene Fotograf/-innen teil, die teilweise über 60 sind und mit unterschiedlichen analogen Verfahren experimentieren wollten, aber es gab auch Teenager, die auf einem Flohmarkt eine analoge Kamera gekauft haben und wissen wollten, wie ihre Kamera überhaupt funktioniert.

Wir haben es geschafft, das unterschiedliche Generationen zusammen treffen und in Dialog treten. Darauf sind wir wirklich stolz.

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Workshop, Fotos: Alba Morassutti

Die Podiumsdiskussionen und Vorträge behandelten unterschiedliche bildwissenschaftliche Phänomene in der Fotografie. Kunstwissenschaftler/-innen, Branchenvertreter/-innen und Künstler/-innen diskutierten aktuelle Fragen zum authentischen Charakter der analogen Fotografie in Abgrenzung und Wechselwirkung zur digitalen Welt oder zur Bedeutung des Fotobuches in der Kunst.

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Podiumsdiskussion / Brainstorming zu Manipulation, Fotos: Alba Morassutti

Ebenfalls kamen Akteure von anderen Festivals aus ganz Europa zusammen, um Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit zu diskutieren. Begleitet wurde letzteres von einem Netzwerk-Brunch, der Branchenvertreter/-innen, Hochschulen und professionelle Fotograf/-innen einlud und Anknüpfungspunkte für mögliche Kooperationen bot. Darüber hinaus gab es spezialisierte Angebote für Kinder, Schulklassen und Menschen mit kognitiver Einschränkung.

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Dichotomie der Nester von Georgia Krawiec / Magazinschau, Fotos: Alba Morassutti

Das ist wirklich ein umfangreiches Angebot und es wäre ja eigentlich nur fair, Eintritt zu verlangen, dennoch musste man bis auf die Materialkosten bei den Workshops nichts bezahlen. Warum macht ihr so etwas?
Unser Angebot ist kostenlos, weil wir finden, dass Kultur allen zugänglich sein sollte und wir so einen lebendigen Austausch über analoge Fotografie aufrecht erhalten können, der nicht nur zwischen Experten statt findet, sondern viele Enthusiasten und Neueinsteiger einbezieht. Die Leute sind ganz überrascht, dass ein solches Programm dem Publikum kostenlos zur Verfügung gestellt wurde und wir bekommen aus allen Richtungen Anerkennung dafür. Dennoch hoffen wir, dass wir das nächste Mal eine Förderung bekommen. Wir haben Aussteller, die ihre Kunstwerke zur Verfügung stellen, Musiker, die das Abendprogramm gestallten und Redner, die zum Teil von weit her anreisen. An allen Ecken entstehen für die Teilnehmenden Kosten, für die sie selbst aufkommen müssen. Dies würden wir gern ändern.  Ein Förderung würde sicherlich einiges erleichtern.

Das analogueNOW! ist ein sehr junges Festival,  dennoch ist eure Ausstellung sowie die Panels hochkarätig besetzt. Wie seid ihr an die Leute rangekommen?
Silvia Gaetti, die unsere künstlerische Leitung ist, hat sehr intensiv nach Künstler/-innen recherchiert und dabei festgestellt, dass unglaublich viele von ihnen sich mit dem Thema Manipulation im Analogen beschäftigen. Als Kuratorin hat sie bereits ein sehr gutes Netzwerk in der Szene. Wir mussten gar nicht soweit in die Ferne schweifen, weil es eine Menge gute Arbeiten auf diesem Gebiet gibt. Die Künstler/-innen haben uns sehr bereitwillig ihre Werke zur Verfügung gestellt. Ich glaube, das ist nur möglich, weil das Thema wieder so spannend ist.

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Ein Besucher vor Pentimenti (Löwenpalais)  von Ute Lindner, Foto: Alba Morassutti

Außerdem war die Ausbildung als Bildredakteurin an der Ostrkeuzschule sehr hilfreich. Durch die Kontakte, die in dieser Zeit entstanden sind, war es möglich, an hervorragende Fotobücher, die an der Ostkreuzschule entstanden sind, heran zu kommen. Auch konnten wir mit der Bildredaktionsklasse von 2015 ein Portfolioreview veranstalten und vielen Fotografen/-innen ein konstruktives Feedback auf ihre Arbeit geben. Die Resonanz darauf war durchweg positiv.

Nun muss man sich vorstellen, dass unser Team aus 15 fotografieaffinen Leuten besteht, jeder konnte seine Ideen einbringen und half dabei, das Festival auf ein ausgezeichnetes Niveau zu heben.

Wie konsequent bleibt ihr beim Analogen oder gibt es doch Schnittstellen mit dem Digitalen?
Beim letzten Festival lautet das Thema Super Contemporary. Die Festivalausstellung repräsentierte Werke von neun Künstlern/-rinnen, welche ein breites Spektrum an technischen und ästhetischen Aspekten der zeitgenössischen analogen Fotografie abbildeten. Unter Verwendung von Lochkameras bis hin zum Wet Plate Verfahren standen die Künstler/-innen exemplarisch für verschiedene historisch gewachsene Techniken. Dieses Jahr war das Thema Manipulation und setzte sich stärker konzeptionell mit der analogen Fotografie auseinander. Wir wollen das Digitale nicht ausschließen. Es ist auch ein Wechselspiel und es sind diesmal auch hybride Arbeiten dabei. Es gab zwar am Anfang eine Diskussion, wie wir die Sache angehen – ob wir ausschließlich analoge Arbeiten zeigen. Aber unsere Festival trägt den Titel analogueNOW! und es wäre falsch, das Wechselspiel mit dem digitalen auszuschließen. So sind die Fotobücher zum Beispiel haptisch – analog, wenn man so will, wurden jedoch zum Teil mit Digitaldruck hergestellt. Wir versuchen nicht die Zeit zurück zu drehen, sondern stellen uns den Fragen. Wie sieht die analoge Fotografie in der Gegenwart aus? Was kann sie im Wechselspiel mit dem Digitalen leisten und welchen Stellenwert wird sie in der zunehmend digitalisierten Welt haben? Da wollen wir uns dem Digitalen nicht verschließen, sondern in Dialog treten.

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Fotobuchaustellung, Foto: Alba Morassutti

Die ausgestellten Arbeiten hatten diesmal einen starken experimentellen Charakter, einige Exponate konnte man nur noch schwer als Fotografien identifizieren. Könntet ihr euch vorstellen, beim nächsten Mal eher klassische Themen wie z.B. Porträt oder Reportage einzubeziehen?
Das ist eine gute Frage. Es wäre durchaus denkbar, aber es ist noch zu früh. Allerdings haben wir durch das jetzige Festival viel neue Inspiration bekommen für die Konzeption des nächsten Festivals. Insofern kann man echt gespannt sein!

Caro Bräuer ist in Wien geboren und lebt seit 2008 in Berlin. Sie studierte Fotografie und Sozialwissenschaften in Wien und Berlin. Die Ausbildung an der Ostkreuzschule für Fotografie zur Bildredakteurin durchlief sie 2015/2016.  Seit 2008 ist sie freischaffend in diversen fotografischen und sozialwissenschaftlichen Projekten tätig,  u.a. Visual Anthropology, fotografische Archivarbeit, Workshops etc.  Ihr derzeitiges fotografisches Interesse liegt im Fotobuch.  Das analgueNOW!  Festival begleitet Caro von Anfang. Sie ist im Team der künstlerischen Vermittlung und zuständig für den Bereich Fotobuch-Ausstellung und künstlerisches Begleitprogramm.

Veranstaltungszeitraum: 6.-14. Mai 2016.

analogueNOW! – Festival für analoge Fotografie
Siegfriedstraße 60, Berlin-Lichtenberg

www.analoguenow.com / info@analoguenow.com

aktuelles analogueNOW! Team: Konrad Abramowski, Sabine Alex, Georg Baur, Caro Bräuer, Tobias Fasser, Enrique Freaza,  Silvia Gaetti, Jan Kraus, Firasi Sabbagh, Fabian Siekermann, Clara Stein, Anja Wagenblast, Julia Tautz, Ramtin Zanjani, Juli Zucker