14/20

Im Rahmen von Seminaren, die neben dem regulären Studium an der Ostkreuzschule für Fotografie angeboten werden, haben die Teilnehmer/-innen die Möglichkeit, ihr fotografisches Wissen zu vertiefen und sich ein ganzes Jahr lang einem bestimmten Thema zu widmen. Am 11. März 2016 öffneten sich die Tore der Station Berlin zu der Ausstellung 14/20 und gaben den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern die Gelegenheit, einen Blick auf das Ergebnis des ersten Fotografie-Seminars unter der Leitung von Sven Marquardt zu werfen.

Vernissage, Foto: Anastasia Hermann

Vernissage, Foto: Anastasia Hermann

Vernissage, Foto: Anastasia Hermann

Vernissage, Fotos: Anastasia Hermann

Die denkmalgeschützte Architektur sowie die besondere Atmosphäre des außergewöhnlichen Ortes der Ausstellung ermöglichten den Teilnehmenden, ihre Serien ganz individuell, beyond the white cube, zu präsentieren.

Die elementare Auseinandersetzung mit den Begriffen der Schönheit und Vergänglichkeit bringt seit Jahrhunderten stets reflektierende Positionen hervor und wirft immer wieder existenzielle Fragestellungen auf.
So beschäftigen sich die Arbeiten der Fotograf/-innen, die im lebendigen Austausch entwickelt und weiter vertieft wurden, mit der „Wahrnehmung der Schönheit und der Thematik der Zeit in all seinen Facetten. Mit dem Versuch, den flüchtigen Moment mit fotografischen Mitteln einzufangen.“ Mit der Schönheit des Vergehenden als einen Prozess des Verfalls und der Zerstörung ­— „Vom ewigen Kreislauf der Natur fasziniert zur Suche nach Schönheit und Wandel.“ (zit. Ausstellungstext)

Das Zusammenspiel der Seminarteilnehmer/-innen ermöglichte schnell das Entstehen einer vertrauten Gemeinschaft, die dazu animierte, Experimente der Vertiefung und gar eines Richtungswechsels in der eigenen fotografischen Sprache einzugehen. Manche führte es sogar zu dem mutigen Schritt, sich mit sehr persönlichen Themen auseinanderzusetzen.

Drei Ergebnisse dieser fruchtbaren und spannenden Zusammenarbeit werden wir hier präsentieren.

Aus der Serie SPLIT ENDS, Foto: Agata Kowalska

Aus der Serie SPLIT ENDS, Foto: Agata Kowalska

Agata Kowalskas Serie Split Ends stellt den heutigen von Konsum geprägten Schönheitsbegriff in Frage, in dem sich alles ausschließlich auf die Äußerlichkeit zu reduzieren scheint. Sie veranschaulicht in ihren Porträts, die in Schönheitssalons entstanden sind, das ewige Streben des Menschen, einem eigenen oder einem vorgegeben Ideal zu entsprechen. Das Bedürfnis und den Versuch die Zeichen der Zeit zu beseitigen und gleichzeitig dem Trend dieser zu entsprechen.

Aus der Serie Feuerberg, Foto: Tom Gonsior

Aus der Serie Feuerberg, Foto: Tom Gonsior

Die Idee zur Arbeit Feuerberg von Tom Gonsior kam bereits vor etwas mehr als einem Jahr auf und konnte während des Seminars weiter an Substanz gewinnen, obgleich die Umsetzung nur ein knappes Zeitfenster ließ. Die Serie entstand auf der Insel Ilha do Fogo, die zu den Kapverdischen Inseln gehört und zu einer der aktivsten Vulkaninseln der Erde zählt. Während des letzten Ausbruchs am 23. November 2014 wurden durch die austretende Lava zwei Ortschaften und einige kleine Ansiedlungen im Kessel (Caldera) der Insel zerstört. Die Faszination dieses Aufeinandertreffens von Mensch und Natur in seiner extremen Form hat Tom Gonsior dazu bewegt, sich im Frühjahr auf Spurensuche dieses Ereignisses zu begeben. Er fand beinah unwirkliche, friedlich wirkende, verlassene Landschaften vor, die eine neu entstandene, auf den ersten Blick vom Menschen unberührte Schönheit in sich tragen. Auf den zweiten Blick eröffnen die Bilder dem Betrachter ein Zeugnis der Zerstörungskraft der Natur und verdeutlichen ganz subtil, dass der Mensch eine ihr gegenüber untergeordnete Rolle einnimmt.

Aus der Serie Im UnRuhestand, Foto: Arne Wesenberg

Aus der Serie Im UnRuhestand (Thomas Höpker), Foto: Arne Wesenberg

Der ausgestellte Auszug der Serie UnRuhestand – Arbeiten im Rentenalter von Arne Wesenberg beschäftigt sich mit einem aktuellen gesellschaftlichen Thema und trifft den Nerv der Zeit. Das bereits 2010 begonnene Projekt setzt sich mit den Fragen auseinander: Wie entwickelt sich eine Gesellschaft, in der die Menschen immer älter werden?  Was passiert nach einem langen Berufsleben ab dem 65. Lebensjahr? Wie geht man mit der neu gewonnen Zeit im Alter um? Die Antworten darauf fallen sehr spezifisch aus, so wie die Porträts der abgelichteten UnRuheständler, die jeweils einen eigenen oder notwendigen Antrieb für ihre Unruhe haben. Manche brauchen Geld, andere suchen die Erfüllung oder haben das Bedürfnis, der Gesellschaft einen Dienst zu erweisen. Die mit einer Großformatkamera aufgenommenen Porträts geben die einzelnen Geschichten der Menschen preis und bieten unaufgefordert die Möglichkeit, Assoziationen wie Würde und Schönheit zuzulassen.

Aus der Serie zum Thema "Schönheit & Vergänglichkeit" Foto: Sven Marquardt

Aus der Serie Schönheit & Vergänglichkeit, Foto: Sven Marquardt

 

Die Ausstellung war von Freitag, den 11. März bis Sonntag, den 13. März 2016 in den Räumlichkeiten der Station Berlin zu sehen.

Mit Arbeiten von: Astrid Beutel, Eva Brunner, Jürgen Dommitzsch, Hannes Gade, Tom Gonsior, Ariane Höhne, Melina Johannsen, Agata Kowalska, Sven Marquardt, Wilchelm Rinke, Julia Schmidt, Adele Schwabl, Thomas Tiltmann, Arne Wesenberg, David Wittenburg

Eine Fortsetzung folgt. Das zweite Seminar 2016/17 unter der Leitung von Sven Marquart läuft bald an und wird zu einem großen Teil aus den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ersten Jahres bestehen bleiben. Bewerbungen für Seminare ab März 2017 können im Herbst dieses Jahres an die Ostkreuzschule gesandt werden.

Sven Marquardt wurde 1962 in Berlin geboren. 1982 begann er seine Ausbildung zum Fotografen und Kameraassistenten bei der „DEFA“. Es folgten: Veröffentlichungen in den Zeitschriften „Sonntag“ und „Das Magazin“. Des Weiteren entstand eine Mentorenschaft durch die Fotografin Helga Paris. Von 1985 bis 1986 Assistenz bei Rudolf Schäfer; Modefotograf für die Zeitschrift „Sibylle“. In den 1990er Jahren als Türsteher in der Berliner Clubszene tätig. Ab dem Jahr 2003 wieder kontinuierliches fotografisches Arbeiten. Seit 2015 als freier Dozent für Seminare an der Ostkreuzschule für Fotografie tätig.  

Für alle diejenigen, die sich fragen, welcher Gedanke hinter dem Titel 14/20 steht, kommt hier die Auflösung: Es handelte sich um die Öffnungszeiten der Ausstellung.