Jenseits von Mann und Frau

Der OstkreuzAbsolvent Joseph Wolfgang Ohlert stellt mit seinen eindrücklichen Portraits in Gender As A Spectrum die klassischen Geschlechterrollen in Frage und zeigt uns natürliche Schönheit und die schöne Transformation.

Im Grunde sind es dieselben elementaren Fragen, die einst schon Nietzsche stellte: Was macht mein Ich aus? Inwiefern habe ich Einfluss darauf? Bin ich, was ich tue oder tue ich, was ich bin? Und wie frei bin ich dabei?
Ohlert stellt die alten Fragen des großen Philosophen noch einmal mutig neu und reist auf der Suche nach Antworten zwei Jahre lang um die Welt, um Menschen zu finden, die nicht den klassischen Rollenverständnissen von Geschlechtern entsprechen und die Grenzen zwischen männlich und weiblich auflösen. Diesen Frühling wird sein einstiges Abschlussprojekt untern dem Titel Gender As A Spectrum als Buch erscheinen.

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Bei den Aufnahmen hält sich der Fotograf selbst völlig im Hintergrund und lässt die Protagonisten entscheiden über Umgebung, Pose, Make-up. So entstehen faszinierend intime Bilder, inspiriert von den jeweiligen Lebensumfeldern und vorhandenen Requisiten. Konsequenterweise werden die Fotografien innerhalb des Buches begleitet durch Texte der Portraitierten.

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Ohlert bringt sie uns ganz nah, die Grenzgänger – die ,Anderen‘. Und der Betrachter fragt sich unwillkürlich: Ja, warum eigentlich nicht? Warum eigentlich nicht dieses Kostüm, dieses Make-up, dieses Leben? Selbst bei gelegentlicher modischer Schrillheit und Exzessivität wirken die Portraitierten so bei sich, dass kein Zweifel daran besteht: Es sind keine Masken, die sie tragen. Im Gegenteil – sie tragen ihr Innerstes nach außen. Und genau so soll es sein. Ihr Leben, ihr Lieben, ihr individuelles Ich.

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Es sind unaufgeregte, natürliche Bilder, die Nähe und Offenheit transportieren. Hin und wieder kann man in den Blicken auch einen Hauch von Kampf und Anstrengung lesen, gezeichnet durch ein Leben, das anders ist.
Der Eindruck der Natürlichkeit wird unterstützt durch Ohlerts Arbeitsweise: Eine analoge Kamera, natürliches Licht und das Warten auf den einen richtigen Moment, wenn die Schutzschilder fallen und das Gegenüber ganz bei sich ist. Basierend auf der Idee, dass jeder Person ein individuelles Geschlecht zukommt, erschaffen aus sich selbst, in all seiner Individualität, Stärke und Schwäche, Schönheit und Imperfektion.

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Ohlerts Konzept geht auf, er verbindet die Individuen über eine Metaebene der Freiheit und Selbstbestimmung miteinander zu eben jenem Spektrum von Geschlechtern, Träumen und Hoffnungen, Vorstellungen und Wünschen; zu einem Kaleidoskop aus selbstbestimmten Menschen, die sie in ihrem kleinsten gemeinsamen Nenner alle sind. Durch Gender As A Spectrum begreift man, dass die Betrachtung des Geschlechts als formbares Spektrum ein weiterer Schritt in Richtung Freiheit und Unabhängigkeit ist, mit all den Hürden und Schwierigkeiten, die solche Revolutionen mit sich bringen.

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Joseph Wolfgang Ohlert wurde 1991 in Prien am Chiemsee (Bayern/Deutschland) geboren. Nach seinem Schulabschluss arbeitete er an verschiedenen Theatern in München und Berlin als Regie- und Bühnenbildassistent und war in verschiedenen Filmproduktionen hinter und vor der Kamera tätig. Ohlert schloss 2015 bei Ludwig Rauch an der OKS ab und begann ein Studium der freien Kunst an der Universität der Künste. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Das Buch Gender As A Spectrum erscheint am 20. Februar 2016 und ist in allen gut sortierten Buchhandlungen erhältlich.