Eigenartig verliebt

Die junge israelische Fotografin und Ostkreuz-Absolventin Noga Shtainer gibt in ihrer aktuellen Doppelausstellung in der Podbielski Contemporary Gallery in Berlin intime Einblicke in individuelle Lebensphilosophien und -gestaltungen.

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Chantal. Aus der Serie Wagenburg, 2011

Für ihre Serie Wagenburg begleitete Noga Shtainer von 2011 bis 2013 die Wagenburgen zwischen Berlin-Kreuzberg und Friedrichshain. Einfühlsam porträtiert sie die sonst eher zurückgezogenen Bewohner/-innen und führt die Betrachter/-innen so in eine Welt, die sonst verschlossen bleibt. Dabei wirken die Protagonisten/-innen zwar überwiegend in sich gekehrt und melancholisch-nachdenklich, aber nie abweisend. Shtainer gelingt es, den Menschen nahe zu kommen ohne merklich auf sie einzuwirken und sie in ihrer vertrauten Umgebung zu stören.

Babet and the fruits_2011_100x150 cm

Babet and the fruits. Aus der Serie Wagenburg, 2011

In den Arbeiten der jungen Fotografin sind Fenster ein oft verwendetes Motiv: als Rahmen, als Aus- und Einblick, in der Spiegelung oder als durchsichtige Begrenzung. Die Fotografin verstärkt mit diesem Stilmittel den Eindruck der tatsächlichen ‚Einblicke‘ in die ganz persönliche und auch fremde Lebenswelten, immer in notwendiger respektvoller Distanz bei gleichzeitiger liebevoller Empathie und Nähe.

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Untitled. Aus der Serie Near Conscious, 2007

Die Serie Near Conscious beschäftigt sich mit den Themen Zugehörigkeit, Identität und Familie. Shtainer portätiert darin über zwölf Jahre lang ihre Halbschwester Ella in Israel. Jede Woche treffen sie sich und die Fotografin dokumentiert dabei nicht nur den Entwicklungsprozess des heranwachsenden Mädchens, sondern ebenso ihren eigenen. So markiert konsequenterweise das letzte Bild der Serie den letzten gemeinsamen Moment, bevor sie sich in ihren Entwicklungen trennten: Das Mädchen wird zur Frau, die Kunststudentin zur Fotografin.

Ella in the woods

Ella in the woods. Aus der Serie Near Conscious, 1999

 „Für mich ist der Moment, den ich in meinen Fotografien festhalte, kein privater Augenblick, sondern ein Moment der menschlichen Schwäche, der es ermöglicht, in einer einzigen Sekunde Zugang zur Realität zu erhalten“, beschreibt Noga Shtainer ihre Arbeit. „Ich erfahre eine enge Bindung zu den Menschen, die ich fotografiere und verliebe mich in einer eigenartigen Weise in sie. Dann werden sie ein Teil von mir und der Geschichte, die ich zu erzählen versuche.“

Noga Shtainer wurde 1982 in Zefat, Israel geboren. Shtainer studierte an der Wizo Academy of Design & Education in Israel und besuchte von 2013 bis 2015 die Post Graduate Class an der Ostkreuzschule unter der Leitung von Ute Mahler und Robert Lyons.
Zur Zeit lebt und arbeitet Shtainer in Berlin.

Die Doppelausstellung Wagenburg & Near Conscious ist noch bis 30. Januar 2016 in der Podbielski Contemporary Gallery zu besichtigen.

Koppenplatz 5
10115 Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag von 12-18 Uhr

 

Beitragsbild: Untitled. Aus der Serie Near Conscious, 2007