„Ein gutes Bild ist eine magische Mischung …“

Ein Gespräch mit Nadja Masri, Leiterin des Studienganges Bildredaktion an der OKS.

Andrea Diefenbach

Editier-Übung mit Andrea Diefenbachs vielfach, auch als Buch, publizierte Geschichte Land ohne Eltern

OKS-lab: Wir leben in einem Zeitalter voller Bilder, werden von Fotos geradezu überflutet. Dabei stehen aber überwiegend ihre Produzenten, die Fotografen, im Fokus. Der Bildredakteur arbeitet hinter den Kulissen und ist dementsprechend Unbekannter. Worin bestehen seine Aufgaben?

Nadja Masri: Die Grenzen zwischen Bildkonsumenten und Bildproduzenten sind unter anderem durch die sozialen Netzwerke durchlässig geworden. Um so wichtiger sind visuelle Experten, die durch ihre professionelle Bildersuche und gekonntes Auswählen und Zusammenstellen der besten Bilder die fotografische Qualität garantieren. Während der Bildredakteur der Experte für das Bild ist, ist der Grafiker der Fachmann für das Layout. Ihm überstellt ist der Art Direktor, der die gesamte visuelle Gestaltung im Blick hat und im Idealfall das gelungene Zusammenspiel von Text und Bild in einem durchdachten Layout verantwortet.

Du hast im Laufe Deiner Karriere für verschiedene namhafte Magazine wie Stern, Bizz und Das Magazin in der Schweiz als Bildredakteurin gearbeitet und für GEO das Korrespondentenbüro in New York geleitet. Was begeistert Dich auch nach über 15 Jahren noch an dem Beruf?

Ich liebe Fotos und besonders den Fotojournalismus. Ein gutes Bild ist eine magische Mischung aus Komposition, Inhalt, Kontext und Emotion, das eine Geschichte erzählt, den Betrachter innehalten lässt und ihn in einer Art und Weise bewegt, wie es Texte nur schwer können. Mir macht es Spaß zu überlegen, wie man eine Geschichte passend, faszinierend oder auch innovativ umsetzen kann, sei es mit einer Fotoproduktion, mit einer sogenannten Beschaffe, also einer Recherche von vorhandenem Bildmaterial, mit Illustrationen oder Infografiken. Es begeistert mich auch immer wieder festzustellen, wie gut eine Strecke, ein Buch, eine Slideshow wird, wenn man die richtigen Bilder aus der großen Masse ausgewählt hat.

Andy Spyra

Editier-Übung mit Andy Spyras Boko Haram Geschichte, veröffentlicht in GEO 7/2014

Macht eine Editierung, also eine Auswahl und anschließende Anordnung der Bilder, wirklich einen essenziellen Unterschied für die Wahrnehmung einer Fotografie?

Auf jeden Fall! In einer Bildstrecke sollte jedes einzelne Bild das andere ergänzen und einen weiteren Aspekt der Geschichte erzählen. Bei zwei guten Bildern, die mehr oder weniger das Gleiche erzählen, muss man sich für eines entscheiden. Genauso kann ein schwaches Bild eine ganze Strecke schwächen. Es wird oft unterschätzt, wie durch eine durchdachte Editierung Geschichten erzählt werden können bzw. durch eine schlechte die Bilder zusammenhanglos, und dadurch nichtssagend für den Betrachter, nebeneinander stehen. Ausgezeichnete Fotografen sind nicht unbedingt ausgezeichnete Editoren. Der Bildredakteur hat die Rolle eines Übersetzers inne: Durch gekonntes Auswählen macht er dem Betrachter die Idee des Fotografen sichtbar und potenziert die Aussagekraft der Bilder.

Die Medienlandschaft wird mit jedem Tag visueller, schneller, unübersichtlicher. Wie kann sich ein Bildredakteur heute positionieren?

Meiner Meinung nach ist es ganz wichtig, dass man nicht konkurriert, sondern sich vernetzt mit Fotografen, Grafikern, Journalisten und anderen Bildredakteuren. Dafür bietet die Ostkreuzschule eine sehr gute Ausgangsplattform.

Das Interview wurde anlässlich der Abschlussausstellung des 9. Jahrgangs der OKS-Fotografen für die Sonderbeilage der Zeitung neues deutschland geführt. Die Beilage ist in der Ausgabe vom Samstag, den 10. Oktober 2015 enthalten.

Die Ostkreuzschule bietet unterschiedliche Fotografie-Kurse (Wochenend-Seminare, ein dreieinhalb-Jähriges Studium, eine Postgraduierten Klasse) an und ist eine der wenigen Institutionen, die Bildredakteure ausbildet. Das einjährige Zertifikatsprogramm »Bildredaktion« startet erneut im März 2016.

Am Samstag, den 10. Oktober 2015 findet der Tag der offenen Tür an der OKS statt:

11 – 14 Uhr für Bildredaktion
11 – 17 Uhr für Fotografie

Ostkreuzschule für Fotografie, Behaimstraße 32/34 D-13086 Berlin, Tel.: 030 927 94 414

Nadja Masri ist freie Bildredakteurin und leitet seit 2011 den Studiengang »Bildredaktion« an der Ostkreuzschule, Berlin. Sie hat das OKS-lab.de mit der Bildredaktionsklasse 2012/13 initiiert und betreut ihn stets mit der aktuellen Klasse. Weitere Projekte u.a.: Fotobuchserie »New York Edited« in Kooperation mit dem »International Center of Photography« (ICP), New York, Shooting Day & Portfolio Review mit und für die Fotografen/-innen der OKS. Von 2001 bis 2010 lebte sie in New York, wo sie das Korrespondentenbüro der Zeitschrift GEO leitete und am »ICP« lehrte. Sie ist Gastredakteurin von Fotobüchern, Portfolio Reviewer bei Fotofestivals und Jurorin von Fotowettbewerben.