„Kitsch as Kitsch can“ Teil II

Kaum ein anderes Genre der Fotografie vermittelt derart ein Gefühl für eine Zeitepoche wie die Modefotografie, mehr noch, sie zeigt eine indivdiuelle Vorstellung von der Welt oder der Gesellschaft in Form bestimmter Schönheitsideale. Gleichzeitig ist die Mode selbst eine individuelle Ausdruckform – und hier finden wir einen gemeinsammen Nenner: Ziel der Fotografenausbildung ist ebenso wie die von Modedesignern eine eigenständige Handschrift zu entwickeln und innovative Konzepte mit technischem Können zu verbinden.

Wie jedes Jahr im Februar fand wieder ein  Workshop mit Modestudierenden des 4. Studienjahres der Burg Giebichenstein (Hochschule für Kunst und Design Halle) und Fotografiestudierenden aus der Abschlussklasse von Prof. Ute Mahler statt – Ute Mahler selbst hat für die legendäre Mode- und Kulturzeitschrift Sibylle fotografiert. Eine Woche lang wurde unter praxisorientierten Bedingungen gemeinsam gearbeitet. Die Studierenden entwickelten Konzepte, suchten geeignete Orte und fotografierten im Studio oder außerhalb. Die entstandenen Fotos zeigen eine hohe Sensibilität und Experimentierfreude, sie bringen verschiedene Elemente, Stoffe, Farben und Formen phantasievoll zusammen. Das Jahresthema war „Kitsch as Kitsch can“ / „Jeff Koons und Versailles“.

Die Kollektion von Lars Dittrich Club Diana besteht aus Cord und ist mit Leder abgesetzt. Die Muster der Oberteile – abstrakte Formen von Blumen – sind nicht aufgenäht, sondern in den Stoff eingelassen und die Hosen haben Elemente von Bikerkleidung. Losgelöst von anderen Strukturen, Linien und was Cord in einem selbst wachruft, muss diese Mode in die Natur: Kathrin Tschirner fotografierte im Botanischen Garten in Halle. Der Stil entpricht einer Reportage: Die Fotografin ist die erste auf einem fremden Planeten, die das Verhalten der Bewohnern dokumentieren kann.

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Hanna Herzberg fotografierte die sportive Kollektion Bonbon aus Wurst von Lone Philipp in der näheren Umgebung einer verlassenen Eiskunsthalle – in den geraden Linien von Mauer, Sockel und Bürgersteig, die gleichermaßen grafische Elemente wie Rauten bilden, spiegeln sich die klaren Linien der Schnitte. Die Farben korrespondieren mit dem Hintergrund.

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Lustgarten, die Kollektion von Maiko Osumi, wurde von Stéphanie Bonn an und in der Hallenser Oper in Szene gesetzt. Spielerisch vergnügen sich die Models ganz dem barocken Habitus entsprechend – an diese Zeit lehnt sich die Kollektion an. Absicht war es dabei, mit der tragenden und feierlichen Umgebung der Oper zu brechen.

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Inspiriert von Kindheitserinnerungen und Popkultur, von barocken Mustern und Jeff Koons entwarf die Designerin Julia Badow eine Girlband mit Sailor Moon, Arielle, die kleine Meerjungfrau und Das letzte Einhorn. Bei take a bow gehen Pastellfarben Hand in Hand mit blumenbedeckten Bikerjacken und schweren Glitzerstiefeln. Die enormen Schleifen erinnern an die voluminösen Kunstwerke von Koon. Das Ganze hat die Fotografin Saskia Schmitt (Lux) in einen wunderbar ranzigen Proberaum gesteckt, den Modellen einen Schnaps in die Hand gedrückt und sie dann auf das Schlagzeug hämmern lassen. Die sauber poppige Mode kontrastiert wunderbar mit der Umgebung.

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Die Idee des Fotografen Christoph Kohlmann war es, eine Art Pseudo-Dokumentation zu machen. Die Models, die die Kollektion Tulips, Boys! – inspiriert von der Tulpenskulptur Jeff Koons‘ – von Anna Bungenberg tragen, spielen mehr oder weniger alltägliche Szenen im öffentlichen Raum nach und werden dabei wie beobachtet fotografiert. Titel der Fotostrecke ist: Wissenschaftliche Abhandlung über die Alltagstauglichkeit einer Modekollektion im Jahr 2015 in Halle (Saale).

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Die Luft ist raus – die Designerin Flora Taubner hat das Konzept von Jeff Koons umgekehrt: Den aufgeblasenen Strukturen, mit denen der Künstler arbeitet, wurde das Volumen genommen. Im ersten Moment kann man dies der dennoch tragbaren Mode nicht ansehen, wenn sich die Modelle jedoch sehr ausschweifend bewegen, sieht man die Raffung des Stoffes. Die Fotografin Francesca La Franca hat dies offen interpretiert, sie abstrahiert die Räume. Es sind unlogische Landschaften, in denen die Models ohne Erdanziehungkraft teilweise aus dem Bild schweben und in die Ecken purzeln – so entstehen wunderbar grafische Momente mit dynamischen Linien- und Flächenkontrasten.

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