„Kitsch as Kitsch can“ Teil I

Kaum ein anderes Genre der Fotografie vermittelt derart ein Gefühl für eine Zeitepoche wie die Modefotografie, mehr noch, sie zeigt eine individuelle Vorstellung von der Welt oder der Gesellschaft in Form bestimmter Schönheitsideale. Gleichzeitig ist die Mode selbst eine individuelle Ausdrucksform – und hier finden wir einen gemeinsamen Nenner: Ziel der Ausbildung von Fotografen wie Modedesignern ist es, eine eigenständige Handschrift zu entwickeln und innovative Konzepte mit technischem Können zu verbinden.

Wie jedes Jahr im Februar fand wieder ein  Workshop mit Modestudierenden des 4. Studienjahres der Burg Giebichenstein (Hochschule für Kunst und Design Halle) und Fotografiestudierenden aus der Abschlussklasse von Prof. Ute Mahler statt – Ute Mahler selbst hat für die legendäre Mode- und Kulturzeitschrift Sibylle fotografiert. Eine Woche lang wurde unter praxisorientierten Bedingungen gemeinsam gearbeitet. Die Studierenden entwickelten Konzepte, suchten geeignete Orte und fotografierten im Studio oder außerhalb. Die entstandenen Fotos zeigen eine hohe Sensibilität und Experimentierfreude, sie bringen verschiedene Elemente, Stoffe, Farben und Formen phantasievoll zusammen. Das Jahresthema war „Kitsch as Kitsch can“ / „Jeff Koons und Versailles“.

Djamila Grossmann fotografierte die Kollektion Stramin/Vitrin von Aurelia Becker. Die organische und taktile Kleidung sieht aus der Ferne schlicht aus, aber bei genauem Hinsehen fallen die besonderen Details auf. Man erlebt die grobe Textur des Stramin-Stoffes, die verschiedenen Farben und besonderen Schnitte. Der Wald wurde als Hintergrund gewählt, weil man an dem braunen Wintergestrüpp ebenso leicht vorbeigehen könnte, ohne die Besonderheiten des Strukturellen und Schönen zu bemerken.

Aurelia mit Vladi, 9.2.2015. Halle

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Aurelia mit Vladi, 9.2.2015.Halle

Aurelia mit Vladi, 9.2.2015.Halle

SNOOK, die Kollektion von Lara Supplie und Maria Röblitz, lässt die unterschiedlichsten Interpretationen zu. Jonas Feige kam sofort die Idee, ihre Bodysuits so zu inszenieren, als seien sie die Sportuniformen eines winzigen, hinterwäldlerischen Staates irgendwo zwischen Skandinavien und Russland. Der absurde und komödiantische Charakter wird gezeigt und die beiden Models als Olympiaden in der Trainingsphase – irgendwo hängen geblieben zwischen Disco und Aerobic.

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02_Jonas_Feige

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In Ali im Wunderland inszeniert Émilie Delugeau die Mode von Hüseyin Özer. Es geht nicht nur um die Kollektion, sondern um die Männer, die sich kaum von Modepuppen unterscheiden. Wie sind sie an diesen Ort gekommen, der an vergangene Zeiten und Verfall erinnert. Ihre Gedanken scheinen sich in ihrem Umfeld zu spiegeln – Glasscheibe, Felskanten und -strukturen oder Efeu. Zuletzt wird wohl ein Ereignis in den Wolken sehnlichst erwartet.

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Franziska Englberger hat in ihrer Kollektion COMING SOON die klassischen Schnitte von verschiedenen Männermänteln aufgegriffen und diese durch ungewöhnliche und sehr unflexible, bunte Materialien wie PVC verfremdet. Die Hemden sind durch chemische Prozesse und aufwendige Siebdruckverfahren produziert worden. Die Siebdruck Punkte ergeben aus der Entfernung riesige Genitalien. Fotografiert hat Helena Falabino.

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1_HelenaFalabino

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Die Kollektion von Tra My Nguyen heißt I Hate That I Don’t Hate You. Sie wurde von Djamila Grossmann in Halle in einem Hotel fotografiert: die erste große Liebe, in die gesellschaftlich viel Idealismus projiziert wird und die in der Realität aber oft hart und auch schmerzvoll ist. Der Unterschied zwischen der glatten Fassade und der Realität ist besonders im Hotel zu spüren, wo auch Einsamkeit in den sterilen Räumen mitschwingt.

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