#achtensPREVIEW: „Persona“

Was hat der achte Jahrgang zu sagen?

Wenn jährlich im Herbst die Abschlussklasse zur Vernissage lädt, sehen Fotografen und Bildredakteure, Freunde und Förderer der OKS gespannt hin, welche Themen die Studenten a. D. in die Welt tragen, und mit welcher Bildsprache? Angehende Absolventen haben uns zur „Sneak Preview“ geladen und geben Einblicke in ihre Arbeit „in progress“. Ob als Bildstrecke oder Multimedia-Interview – immer unerwartet.

#MAYA HRISTOVA, Fotografin Abschlussklasse 2014

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„Wandering out at night and looking at what people are looking for.
Searching for something authentic, but what does it mean?
It’s all a mask, they say. No one is real, not even you.
Time is not certain. The nights, the bars, the shots, the incessant music. Not
true.
I keep on walking, but to me it seems real – how they are looking for love.
Women my age, all that desire, their lips full.
The tension. All the faces. Lost.
The pot is still melting, but inside it’s becoming solid and cold.“ (Maya Hristova auf achtens.com)

OKS-lab: Worum geht es in Deiner Arbeit?
Maya: In meiner Arbeit möchte ich die Notwendigkeit, Masken zu tragen, beziehungsweise in Rollen zu schlüpfen, dem inneren Antrieb gegenüberstellen, sich selbst zu suchen.
Vor ein paar Monaten fragte die Wochenzeitung Die Zeit: „Wann bin ich wirklich ich?“ Die Antwort vieler gegenwärtiger Psychologen und Hirnforscher lautete, dass es so etwas wie einen ‘echten’, unwandelbaren Kern der eigenen Person gar nicht gebe. Im Gegenteil, das gute alte Ich erscheine mal als neurobiologische Illusion, mal als soziales Konstrukt, das uns nur vorspiegele, ein einheitliches Selbst zu sein. In Wahrheit, sagen viele Forscher, sei dieses Ich weder stabil noch unabhängig, ja, eigentlich nicht einmal existent. Eine Quintessenz des eigenen Wesens gebe es nicht.
Zwar wird die Existenz eines authentischen Ichs kritisch hinterfragt. Aber wir alle kennen doch Situationen, in denen uns ein unbehagliches Gefühl überkommt, weil wir hin- und hergerissen sind: Wir spüren, dass wir uns irgendwie anders verhalten als sonst, dass wir weniger bei uns selbst sind, gleichzeitig können wir uns dagegen nicht wehren und müssen nach Außen etwas darstellen. Dieser innere Konflikt ist das Hauptthema meiner Arbeit.

Du hast Dich mit C. G. Jung beschäftigt, einem einflussreichen Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie. Inwiefern spielt sein Denken für Dich eine Rolle?
Carl Gustav Jung hat schon Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff der Persona in der Psychologie eingeführt. Er bezeichnete damit denjenigen Teil des Ichs, der das Individuum zu einem sozialen Teil der Gesellschaft macht, das heißt, das Individuum verinnerlicht die jeweiligen gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen, indem es sich diesen anpasst. Das geht aber auf Kosten der Individualität – der Gegenspielerin der Persona im Ich – und birgt bei zu starker Anpassung die Gefahr innerer Konflikte.
Damals wie heute beschäftigen uns dieselben Fragen nach unserer Identität, mit dem Unterschied, dass die Masken immer stärker perfektioniert werden und die Kluft zwischen dem, was wir sind und gerne wären, größer geworden ist.

In Deinen Bildern sind fast ausschließlich Frauengesichter zu sehen. Welche Rolle spielt die Frau in Deiner Arbeit?
Die Frau steht im Zentrum meiner Arbeit. Man schreibt ihr die Fähigkeit zu, sich besonders gut an ihre Außenwelt anpassen und sich auf besondere Art auf die Bedürfnisse Anderer einstellen zu können. Unbewusst musste sie im Laufe ihrer Sozialisation gängige gesellschaftliche Normen und Werte übernehmen, die festlegen, wie Frauen sein sollen. Sie musste zwangsläufig lernen, sich eine Reihe von Masken für unterschiedliche Situationen zuzulegen, die widersprüchliche Gefühle in ihr hervorrufen. Sie fühlt sich in ihrer Identität bedroht, denn sie muss sich verstellen, und die Masken entsprechen nicht ihrem wirklichem Selbst.
Man könnte also sagen, dass im Ich der Frau die Persona stark ausgeprägt ist. Deshalb habe ich mich auf sie konzentriert, weil die inneren Konflikte bei ihr sehr deutlich werden können.

Neben der Frau ist die Nacht ein weiteres zentrales Element in Deiner Arbeit. Was hat es damit auf sich?
Die Nacht verbirgt vieles und lässt uns manchmal in dem Glauben, unbeobachtet zu sein. In der Nacht lassen wir eher unsere Masken fallen. Im Gesicht einer Frau kann sich plötzlich eine Art Verletzlichkeit andeuten und etwas anderes kann an die Oberfläche kommen. Ein einziger, winziger Augenblick reichte aus, bevor sich alles wieder auflöst und das schöne Lächeln wiederkommt, die Maske.
Berlin im Jahr 2014 bei Nacht war meine Bühne, die fremden Gesichter der Stadt meine Darsteller. Die Bilder wurden nicht inszeniert und trotzdem bleibt die Frage im Raum stehen, ob nicht doch alles „nur eine Maske“ war.

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Die Abschlussklasse 2014 lädt zur Vernissage am: 17. Oktober 2014, 19 Uhr, SEZ Berlin.
Vom 18. bis 26. Oktober wird die Abschlussausstellung dort zu sehen sein.

Maya Hristova (Klasse Ute Mahler), 1987 in Bulgarien geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

#achtensPREVIEW ist eine Gemeinschaftsproduktion der OKS-Absolventen “Bildredaktion” Matthias Erfurt, Massimo Rodari, Alena Siamionava und Annette Streicher mit der Abschlussklasse 2014.
Besonderer Dank für die Koordination: Nancy Göring.