OKS-lab fragt …

In der Serie «OKS-lab fragt … » beantworten Dozenten, Fotografen und Macher der Ostkreuzschule Fragen zu ihrer Arbeit, ihrer Beziehung zur Fotografie, zur Lebensart.

Ein Gespräch mit:

Werner Mahler und Thomas Sandberg, Geschäftsführer der Ostkreuzschule

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Foto: Maya Hristova


 
OKS: Warum habt ihr die Schule gegründet? Gibt es nicht schon genügend Ausbildungsmöglichkeiten für Fotografen?

Thomas: Wir haben die Schule 2005 gegründet und sicher gibt es für jede Kunst immer schon genügend Ausbildungsmöglichkeiten, wie es ja angeblich immer schon genug Künstler gibt. Wer Medizin studiert, wird meistens auch Arzt und ein Ingenieurstudium zielt auf eine spätere Anstellung als ein solcher hin. In künstlerischen Berufen kann man aber so linear nicht denken. Künstlerische Ausbildung ist nicht einfach Vorbereitung für einen Broterwerb, die Ausbildung zielt auf die ganze Person; sie ist auch immer Ausbildung und Prüfstein einer Berufung. Wer ein Musikinstrument erlernt, wird nicht automatisch bei den Berliner Symphonikern spielen, und in der Fotografie ist das heute nicht anders. Unsere Studenten wissen das, wir reden darüber.

Was muss ein Bewerber können, um an der OKS Fotografie studieren zu dürfen?

Thomas: Man erkennt an den eingereichten Arbeiten schnell, wie ernsthaft sich der Bewerber bereits mit Fotografie beschäftigt. Mit der Einladung zum Aufnahmegespräch erhalten die Bewerber eine kleine Aufgabe, deren Erfüllung zusätzlich Aufschluss über den Entwicklungsstand gibt. Technisches Grundwissen und ein Mindestmaß an handwerklichen Fähigkeiten sind ebenfalls nötig. Das Wichtigste aber bleibt, ob der zukünftige Student eine eigene Vision, einen eigenen Gestaltungswillen erkennen lässt und ob er in der Lage ist, daran und dafür zu arbeiten.

Welche Eigenschaften muss ein (junger) Fotograf heute besitzen, um als solcher erfolgreich arbeiten zu können?

Werner: Die Eigenschaften, um erfolgreich als Fotograf zu arbeiten, sind heute nicht anders als vor 10, 30 oder 50 Jahren.
Der Fotograf muss ein grundlegendes Bedürfnis haben, den Betrachtern seiner Fotografien etwas mitteilen, etwas erklären, etwas aufzeigen zu wollen. Ob das eine sehr persönliche, intime und kleine Episode oder ein weltweites, politisches und ökonomisches Phänomen zeigt, ist erst mal nicht relevant. Wichtig ist alleine die gefundene und in der fotografischen Arbeit gezeigte „Nachricht“, die dem Betrachter vermittelt wird. Dieser Nachricht muss eine persönliche Haltung und eine zu verallgemeinernde Aussage innewohnen. Wenn ein Fotograf seine Oma Martha fotografiert, dann ist das erst mal „nur“ ein Porträt von der Oma. Will der Fotograf mit diesem Porträt Erfolg haben, muss das Bild noch weitaus mehr vermitteln,  beispielsweise Würde, Vergänglichkeit, Trauer, Stolz und vieles mehr. Nur solche Aspekte, in diesem Porträt gut formuliert, machen aus dem Foto von Oma Martha ein wirkliches Bild. Die Beherrschung der fotografischen Werkzeuge und das Wissen um dessen Wirkung ist eine unabdingliche Voraussetzung. Mit diesem Wissen wird der Fotograf dann folgerichtig entscheiden, ob er das Foto analog, schwarz/weiß, im Großformat oder mit dem Handy fotografiert.

Wie vermittelt ihr dieses Wissen euren Schülern?

Werner: Wir vermitteln das zum großen Teil aus den ganz persönlichen Erfahrungen und Kenntnissen unserer beruflichen Laufbahn.

Thomas: Alle unsere Lehrer leben nicht ausschließlich vom Unterrichtsbetrieb, von den wenigen Stunden im Monat könnte keiner unserer Lehrer finanziell existieren. Das macht ja auch den Unterschied zu staatlichen Schulen aus – wir bleiben Praktiker. Auch wenn wir nicht mehr so häufig im Auftrag arbeiten wie früher, so verfolgt doch jeder seine eigenen Fotoprojekte. Wir haben dabei die gleichen Probleme wie unsere Studenten. Sowohl praktische – Produktionskosten und Zeiten – als auch künstlerische Probleme: Inhalt und Form, Nähe und Distanz zum Gegenstand usw., all das muss gelöst werden. Am Ende entsteht vielleicht ein Buch oder eine Ausstellung, was für die Studenten exemplarisch wird. Die Studenten erleben das mit und ich glaube, das hat einen sehr großen Lerneffekt. Wir Dozenten berichten so ganz direkt von unseren eigenen Erfahrungen, das ist ganz was Anderes als simple Lehranweisungen. Nicht zuletzt erleben die Studenten auch, wie viel Freude uns das immer noch macht. Umgedreht profitieren wir natürlich selbst von dem, was die Studenten uns durch ihre Entwicklung spiegeln. Dabei entsteht sehr viel positive Energie.

Wie sieht die Zukunft der Schule aus? Welche Pläne habt ihr für die nächsten fünf Jahre?

Werner: Unsere Schule ist noch sehr jung, acht Jahre ist keine lange Zeit für eine Lehranstalt. Wir sind jetzt sicher in einer Phase, wo Kinderkrankheiten überwunden sind. Die Schule hat sich auch in der technischen Ausstattung und mit dem Angebot an Räumlichkeiten konsolidiert. Das alles gilt es zu erhalten, zu verbessern und natürlich immer wieder auf ein bestimmtes Niveau zu bringen. Viel wichtiger ist es aber, unser Profil zu schärfen und als Schule unverwechselbar zu sein und einen gewissen Alleinanspruch zu haben. Traditionen der Fotografie zu bewahren und zeitgemäß zu interpretieren. Nicht nur in Deutschland ist das Angebot an Bildungsmöglichkeiten im Bereich Fotografie sehr groß. In den letzten Jahren gab es ein stetiges Wachsen an privaten und staatlichen Einrichtungen. Das Interesse der jungen Leute für das Medium Fotografie als eine künstlerische, dokumentarische oder journalistische Ausdrucksform ist ebenfalls gewachsen. Unter diesen Bedingungen und in diesem Wettbewerb müssen wir uns behaupten. Unser Ziel ist es, zu den besten Ausbildungsstätten für Fotografie zu gehören.

Was ist die größte Herausforderung für Euch als Geschäftsführer?

Thomas: Erstens: Kontinuierlich ein bezahlbares Lehrangebot in künstlerischer und handwerklich-technischer Hinsicht sicherzustellen. Zweitens: Eine Atmosphäre an der Schule zu schaffen, in der sich die Studenten zu selbstständiger, kreativer Arbeit herausgefordert fühlen.

Neben den Fotografen bildet Ihr auch Bildredakteure aus. Wer will oder wer kann sich diese heutzutage noch leisten? Wer sollte sie sich unbedingt leisten?

Werner: Einen Bildredakteur sollten sich alle leisten, die professionell mit der Nutzung von Fotografie zu tun haben. Es wird im Grunde genommen immer wichtiger, geschulte Redakteure an den Schnittstellen zwischen Bildangebot und Bildverwertung zu haben. Täglich werden 200 Millionen Bilder ins Netz gestellt, und ein großer Teil davon zur Weiterverwertung freigegeben. 99 Prozent sind fotografischer Sondermüll, das eine Prozent gilt es zu finden. Schon allein diese Tatsache beantwortet die Frage nach der Notwendigkeit eines guten Bildredakteurs. Auch wenn der Redakteur sich aus diesem Angebot nur ein paar Hundert Bilder täglich anschauen kann, muss er begründete Entscheidungen treffen.

Woran erkennt ihr einen guten Bildredakteur?

Werner: Natürlich am Ergebnis seiner Arbeit, an dem Erscheinungsbild des Mediums, für das er verantwortlich ist. Wenn er es dann noch schafft, auf die aktuelle Fotografie einen positiven Einfluss zu nehmen und talentierte Fotografen fördert, gehört er zu den Besten seines Fachs. Voraussetzung dafür ist das spezifische Wissen für den Bereich, in dem er arbeitet. Eine gute Allgemeinbildung und großes Interesse am Zeitgeschehen. Eine ständige und genaue Beobachtung der Tendenzen in der Fotografie. Die Geschichte der Fotografie sollte einem Bildredakteur zumindest in groben Zügen bekannt sein. Wenn er darüber hinaus noch Kenntnisse über das Handwerk eines Fotografen besitzt, ist das von großem Vorteil. Ein guter Bildredakteur kann im besten Fall in dem Produkt, für das er arbeitet, seine Sicht auf die Fotografie darstellen. Durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Fotografie.

Was macht ein gutes Bild aus?

Thomas: Ich denke nicht, dass es – mit dem Anspruch einer ewigen Wahrheit – darauf eine eindeutige Antwort gibt. Der Bildredakteur hat natürlich Rahmenbedingungen, unter welchen das Bild betrachtet wird, zu beachten.
Diese Rahmenbedingungen können sehr verschieden sein: Ein gutes Bild für eine Zeitschrift, das ein Thema perfekt kommuniziert, könnte an der Ausstellungswand eher langweilig sein. Umgekehrt kann ein tolles Foto, das wegen seiner bildnerischen Qualität zu Recht im Museum hängt, in einer Broschüre für Zeitgeschichte vollkommen untauglich sein. Für den Fotografen kann es noch komplizierter sein: Jeder Fotograf sollte seine eigene persönliche Wahrheit finden in Bezug auf die Frage, was für ihn ein gutes Bild ausmacht. Diane Arbus beispielsweise hat über ein gutes fotografisches Bild gesagt: „A photograph is a secret about a secret, the more it tells you the less you know“.

Wann habt ihr zuletzt fotografiert?

Werner: Am Dienstag, den 18. Juni, in Schwerte an der Ruhr.

Thomas: Ab und zu arbeite ich noch im Auftrag, ansonsten an eigenen Projekten.
Für ein persönliches Projekt war ich dieses Jahr bereits in Venedig, Marseille, Barcelona und Brügge; und morgen reise ich nach Moskau und Sankt Petersburg.

Danke für das Gespräch!